Gedanken, Gedicht

Landtagswahlen

In Thüringen und Sachsen – zwei Freistaaten, fällt mir nur grad eben ein – ist gewählt worden und mir bleibt zwar nicht die Spucke weg, doch sagen möchte ich dazu nichts. Ich bin erschüttert!

Es wird Herbst, nicht nur politisch. Heinrich Heine hat, unter anderem Kontext ein Gedicht geschrieben, dessen erste Zeilen mir in den Sinn gekommen sind:

Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext.
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land!
Mit seinen Eichen, seinen Linden
Werd ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich – Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist, als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

Heinrich Heine

∙∙∙∙∙

Meine privaten Befindlichkeiten sind launenhaft. Viel zu viel, was ich nicht beeinflussen kann, passiert gerade. Schönes und Schreckliches geschieht in einem rasanten Wechsel, dass ich kaum hinterherkomme. Ich bekomme ein Foto von Carsten in der Nordsee geschickt und kurz danach ruft eine Freundin an, dass sie eine steile Treppen hinuntergefallen ist – ein Rückenwirbel hat sich verschoben und bewegen geht (fast) nicht. Sie wohnt im vierten Stock ohne Aufzug! Ich mag gar nicht daran denken, dass ich auch einmal fallen könnte…

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨

7 Gedanken zu „Landtagswahlen“

  1. dergl sagt:

    Ich bin traurig, aber nicht erschüttert. Das war abzusehen und es wurde genug davor gewarnt. Was bleibt ist zu hoffen, dass die Politik jetzt endlich reagiert und ein Verbotsverfahren wenigstens einleitet, damit sie dem Faschismus nicht noch grinsend die Klinke in die Hand drückt.

    Und: Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es in beiden Bumdesländern viele mutige Menschen gibt, die versuchen die Demokratie zu verteidigen.

  2. Georg Rode sagt:

    An das Gedicht denken heute viele! Wenigstens haben wir die Kultur, während die anderen wieder die Barbarei anstreben.

  3. quersatzein sagt:

    Es ist ein Jammer!
    Und doch geht das Leben weiter mit allen Höhen und Tiefen.
    Danke für das bewegende Heine-Gedicht!
    Lieben Gruss in den Tag,
    Brigitte

  4. Trude sagt:

    Schlechte Zeiten hat es immer schon gegeben. – Auch diese werden wir überstehen.

  5. Wolfgang sagt:

    Ich sage mir, lass die mal zeigen was sie können. Wir werden uns wundern wie sehr die auf der Realität aufschlagen. Aus der Opposition heraus kann man die Fresse aufreisen wie ein Weltmeister. Muss man dann aber für ein Land sorgen, dauert es keine zehn Sekunden, bis bemerkt wird wie es läuft und da sind die ganzen lauwarmen markigen Sprüche Schnee von gestern. Unser neuer junger Bürgermeister sagte bei der ersten Orchesterprobe nach der Bürgermeister Wahl, dass es jetzt keine Sitzungen mehr an Montag Abenden geben wird, damit die Probe nicht immer unterbesetzt ist. Jetzt schon vor der ersten Probe nach den Ferien wurden die Sitzungstermine der Ausschüsse im Amtsblatt veröffentlicht. Alle am Montag Abend und zwar noch dichter als vorher beim alten Bürgermeister …

  6. Margrit sagt:

    Danke für Heine – zum ersten Mal hab ich den ganz gelesen, und er ist schon erstaunlich. Vielleicht ist immer alles ganz anders, wenn man richtig hinschaut (uppsi, das Philosophieren geht mit mir durch).

  7. Petra sagt:

    Danke! Ich komme aus dem Landkreis Sächsische Schweiz und lebe in Thüringen. Hier bleibt dir nicht mal Heine. Das Gedicht kennt man hier, weil es früher in der Schule behandelt wurde. Und deshalb wird es gern von Demonstranten jedweder Couleur zitiert. Es kommen hier auch seit Jahrzehnten Leute vorbei, die alle Sorgen weglächeln wollen. Meine heißen Tränen flossen trotzdem oder gerade deshalb wochenlang über dem Wahlzettel. Und praktisch jedem in meiner Umgebung ging es so. Wenn man fast nur noch die Wahl zwischen Parteien hat, deren Spitzenpersonal die Rhetorik der Faschisten aufgreift und sich von deren Themen treiben lässt, wie es von ihnen beabsichtigt war- was macht man dann? Brot backen, Unkraut jäten, Tiere füttern und den Bedürftigen beistehen. Und sich drüber freuen, wenn es noch Menschen gibt, die das auch tun.

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