Alltag, Behinderung

gut gehen

Kintsugi

Heute Morgen ging es mir endlich einmal gut. Ich hatte keine Angst, ich war frei. Hab mich noch mal ins Bett gelegt und Charité geguckt – die ganze Staffel. Fast am Ende klingelt das Telefon, und die Lebenswerkstatt ist dran. Mein Puls pocht, mein Herz rast, und mir wurde schlagartig übel. Carsten hat gekotzt und ihm geht es nicht gut. Er atmet schwer und er hat geweint. Er, der selten weint, hat geweint!

Ich bin hin, in die Werkstatt und fand ein Häufchen Elend vor! Empfangen hat mich allerdings ein hustendes Töchting – natürlich habe ich sie auch mit heimgenommen!

Behinderung, Familie, Gedanken

von Versprechungen

Narzissen

Vorab – dies ist ein Kuddelmuddelgedankenchaos, sehr schnell dahingeschrieben. Quasi aus dem Bauch heraus.

„Ja, ich komme dich besuchen!“ Oder: „Das machen wir im Sommer, wenn das Wetter besser ist!“ Oder: „Jetzt haben wir uns ja einiges ausgesucht, müssen nur noch einen Termin finden!“ 

Könnt ihr euch vorstellen wie das ist, wenn nichts zustande kommt? Weder der am Telefon angekündigte Besuch, noch der Spaziergang zum Biergarten und schon gar nicht der Termin, der bis zum SanktNimmerleinsTag verschoben wird? Carsten ist traurig und Wiebke zieht sich noch mehr in ihr Zimmer zurück. Wenn dann noch dieser Spruch kommt: „Du musst doch nur Bescheid sagen, dann machen wir was gemeinsam!“, dann zieht sich in mir so vieles zusammen. Unverbindlichkeiten. „Mama, die xxx hat gesagt, dass sie mit uns in den Tierpark geht.“ „Und xyz wollte mit uns ins Kino!“ „Ach, die kommen doch sowieso nicht. Die reden nur!“ Könnt ihr euch vorstellen in welche Bedrängnis mich das bringt? Ich darf doch die Menschen nicht bloßstellen vor den Junioren. Aber darauf ansprechen kann ich sie auch nicht immer – das geht vielleicht einmal. Ich bekomme dann die Antwort, dass irgendwas dazwischen gekommen ist und deswegen das Treffen leider nicht geklappt hat. 

Carsten fragt mich immer wieder und Wiebke fragt mich auch immer wieder. Gerade heute Morgen: „Warum kommt xxx nicht? Sie hat es doch schon so lange versprochen.“ Mir tut es in der Seele weh, wenn ich sagen muss, dass sie nicht kommt! Aber nicht nur das, ich bekomme auch die schlechte Laune und den Frust ab: „Das ist gemein, versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.“ Manchmal passiert eine Absage sehr kurzfristig. Die Junioren haben sich gefreut und Pläne gemacht … Oft ist es, dass der Kerle mich fragt, warum denn die Menschen, die er liebevoll einlädt, nicht kommen.  Dabei ist es gar nicht wichtig, dass die Menschen lange bei uns bleiben – kurz vorbeikommen, ein bisschen reden, nen Kaffee oder was anderes trinken, einen kleinen Spaziergang machen, uns vielleicht auf die Hunderunde mitnehmen – ins Alltagsleben integrieren. Nicht nur zugucken lassen – teilhaben lassen! 

Alltag, Behinderung, Familie, Gedicht

Wahnsinn

Wahnsinn ist oft die Logik eines sehr akuraten Geistes, der überlastet ist.
| Oliver Wendell Holmes

Der abnehmende Mond scheint ins Zimmer, aber es ist nicht mehr dunkel. Ich habe geschlafen bis um halb acht. War bitter nötig, denn die Nacht davor war hellbettschwermüdewach. Und dann der Tag, gestern, mit der Nominierung! Der dazugehörige Beitrag bleibt noch bis Dienstag oben stehen und dann geht’s normal weiter. Vielleicht nicht ganz, denn die Junioren bekommen wieder ihre Namen dazu.

Es herrscht eine beängstigende Stille. Der Kerle schläft wie ein Stein und Wiebke singt auch nicht. Nur von Zeit zu Zeit rauscht ein Auto vorbei – mir ist unheimlich zumute. Gedanken können rattern und mein Blick schweift aus dem Fenster. Ziemlich wüst sieht es aus, unaufgeräumt und grau mit weißen Tupfen. Diese aber nicht von Schnee, sondern es sind Knospen von Gänseblümchen. Zu kurz, um sie in die Vase zu stellen…

Warum mache ich das eigentlich alles hier? Könnte ich nicht auch mein Buch nehmen und die schöne Kuscheldecke, oder den nächsten Zug nach Nirgendwo? An die Ostsee oder Timbuktu? Carsten würde jetzt sofort mitfahren wollen. Wir hatten gestern Nachmittag kurz Besuch. Eine sehr junge Frau erzählte von ihrer Au Pair-Zeit in USA, der Kerle wollte alles wissen und natürlich alles sehen: „Da fahren wir auch hin!“ Wie gerne würde ich das tun. Aber, erstens ist das mit einem Rolli schon eine Herausforderung und zweitens fehlt mir dazu das nötige Geld, ganz abgesehen davon, dass wir dann immer noch keine Begleitung haben. Wir kommen ja noch nicht einmal in die Weinberge, die hinterm Haus beginnen.

Das Töchting singt Kauderwelschlieder, wie immer und mag auch nicht aufstehen. Ganz krumm liegt sie und guckt Schlümpfe (Comik-Geschichten) an. Ich trinke meine Tasse leer, zieh die Aufbaunahrung auf, geht ins Kerlezimmer und bekomme wahrscheinlich gleich ein mürrisches Knurren. Aber verhungern lassen werde ich ihn nicht – wenigstens kotz Carsten grad nicht!

Kuddelmuddelgedankenchaos

∙∙∙∙∙