Kategorie: Behinderung

müde vom denken

Nicht des Denkens müde, das ist komplett was anderes. 

Was passiert morgen? Was war letztes Jahr, gestern, vor einer Woche oder vor einem halben Jahrhundert? Vieles weiß ich nicht mehr und in die Zukunft sehen kann ich nicht …

Wir waren heute in einem Wohnhaus, in dem Menschen mit körperlichen Einschränkungen wohnen. Nicht, dass die Junioren dort einziehen sollen, sondern eigentlich um unser Konzept vorzustellen und um dort Unterstützung dafür zu suchen. Netzwerken heißt das auf neudeutsch! Mir fällt das verdammt schwer. Ich kann zwar sehr gut reden, aber diplomatisch bin ich nicht und andere ausreden lassen, das muss ich auch noch lernen. Aber dazu ist es nie zu spät!

Leider wohnen wir nicht in der nahen Stadt. Unser Dorf geht quasi übergangslos in die Stadt, dazwischen liegt allerdings versteckt der Grenzstein. Denn dies Wohnhaus bietet für Stadtbewohner ambulante Assistenz und Wohnen an. „Ziehen Sie doch um, dann kann ich was für Sie tun!“ 

Wir haben uns jetzt bekannt gemacht, haben mit offenem Visier gespielt, haben die Hand im Feuer und einen guten Eindruck hinterlassen. Unser Ansprechpartner dort und unser Begleiter von der Diakonie kennen uns jetzt, werden an uns denken und Kontakte vorbereiten. Mehr habe ich nicht erwartet und dennoch sind meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Wir haben Hoffnungsschimmerhorizont!

Ich bin rechtschaffen müde. Vorher – mittags, hatte ich noch ein Telefongespräch, das mich aufgeregt, enttäuscht und wütend gemacht hat – ich muss mich endlich von dieser toxischen Person trennen. Doch noch immer denke ich, dass ich auf sie angewiesen bin …

Bählamm

Balduin Bählamm, der verhinderte Dichter, hat ja so gar nichts mit mir zu tun, oder nur so viel wie dieser Vers:

Wie wohl ist dem, der dann und wann
Sich etwas Schönes dichten kann!

… und der Name – denn so hat mich mein Vater benannt, wenn ich als Kind ängstlich hinten stand und ich mich nicht aus der Deckung traute. Sei kein Bählamm! Wenn ich dann mutig mit ihm in der Felswand hing, war er wieder stolz auf seine coole (den Begriff gab es ja anno dazumal noch gar nicht) Tochter.

Es gibt keinen Mut ohne Angst!

Wilhelm Busch, von dem die Bildergeschichte ist, hatte wohl auch Angst vor der eigenen Courage. Parallelen kann man immer finden, wenn man sucht, auch ich würde zu gerne meine Gedichte veröffentlichen und tatsächlich liegt ein fertiges Layout in irgendeiner Ecke. Es ist nur nicht fertig, nicht perfekt genug. 

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Cut – Heute Morgen bin ich relativ entspannt aufgestanden. Den Säbelzahntiger unterm Bett habe ich nicht beachtet, dafür war Sid da. Ob der mir allerdings besser gegen meine Angst helfen kann?!

Gleich stehen die Junioren auf. Der Kerle badet. Der Tag beginnt. Am frühen Nachmittag wird’s spannend – Zukunftsplanung steht an.

Mal wieder mein bekanntes Kuddelmuddelgedankenchaos

unsichtbare Krankheit

Ich möchte darüber sprechen, habe ich doch lange genug versucht sie zu verstecken. Nicht nur, dass ich Autistin bin, auch, dass ich Angst habe, ist eine Tatsache, die zu mir gehört und mich immer noch prägt. Reiß dich doch zusammen und du musst dich deiner Angst stellen, diese Sätze schaden eher, als dass sie mir helfen. Implizieren (ist das eigentlich das richtige Wort?) sie bei mir doch, dass ich selbst schuld bin. 

Aber sind Menschen schuld daran, dass sie Krebs haben? Oder sich das Bein gebrochen haben?

Seelische Krankheiten sind nicht sichtbar und werden in der Gesellschaft immer noch stigmatisiert und tabuisiert. Es ist leichter über Rheuma oder Rückenschmerzen zu erzählen, als über Ängste und Panikattacken zu reden. Es fehlt vielerorts das Wissen, dass auch die Seele krank werden kann. Eine Bekannte wollte mich davon überzeugen, dass psychische Krankheiten keine sind, sondern nur eine Prüfung. Wir müssen nur die Erkenntnis erlangen, dass kosmische Einflüsse bestehen und wir lernen müssen, Angst und Selbstzweifel auszuhalten.

Sie wollte meine Informationen nicht, war fest von ihrer Meinung überzeugt. Du kannst doch lachen, bist fröhlich, jeder Mensch hat mal schlechte Phasen, sagt sie mir. Aber welche Kraft mich diese Fassade kostet, das sieht sie nicht. Dass auch die Symptome der Angst nicht immer gleich sind und die Auswirkungen derer schwanken – an manchen Tagen gehts mir prächtig und am nächsten versinke ich in Zukunftsängsten!

Es ist wichtig ernstgenommen zu werden. Es braucht kein Mitleid, aber auch nicht diese Sprüche wie, dass man mir nichts ansieht und deswegen könnt‘s auch nicht so schlimm sein.

Es ist extrem anstrengend und stigmatisierend sich ständig rechtfertigen und erklären zu müssen. Du bist mal wieder ziemlich zickig und zynisch, dann mach doch dein Ding alleine. Ich ziehe mich für eine Weile zurück. Kannst dich ja dann melden, wenn du dich wieder beruhigt hast. Weiß diejenige, die das sagt überhaupt, dass sie eine Backpfeife ausgeteilt hat?

Empathie und ein Gespräch im geschützten Raum, wohlwollend, erst einmal zuhörend – so etwas wünschte ich mir.

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