Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

14.9.23 – Tagebuchbloggen

Eigentlich wollte ich meinen gestrigen Tagesablauf bloggen – ich werde mich selbst zensieren. Wenn ich es wirklich schreiben würde, wären sehr viele böse Kommentare wieder da, denn es war ein reiner angstbeladener, stressiger, mit unnötigen Gesprächen – da manche Menschen mich als seelischen Mülleimer benutzen – mit Ankündigungen, die mich eher noch mehr einschränken als entlasten, behafteter Tag. 
Nachts habe ich mit einer Mitarbeiterin der Telefonseelsorge gesprochen, danach bin ich im Regen draußen herumlaufen. 

Am Morgen gucke ich ins Blog nach Kommentaren und sehe vier Hasskommentare bzw. kryptische Buchstabenreihen mit immer derselben IP-Adresse. Kein Zuspruch, weder von den Leuten, die sich bei mir ausheulen, noch von sonst wem.

Und wenn ich jetzt noch einmal diese Sprüche höre: Reiß dich doch mal zusammen! Sei nicht immer so undankbar! Was willst du eigentlich? Wenn du doch Hilfe kriegst, warum nimmst du sie nicht an? Alles aus der Ferne, dann fange ich an zu weinen. Vor Ort ist kaum eine*r, der/die auch nur die Rollstühle ins Auto hieft.

Ich ziehe jetzt die Junioren an!

 

Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

morgens Wackersteine

Das erste Mal aufgewacht bin ich um kurz nach vier, mein Bauch brummelt und darin rumoren Wackersteine. Ein Ring von Angst liegt um meinem Körper, die Beine zappeln nur so viel, dass es unangenehm ist und nicht bedrohlich, die Füße sind bleischwer und rastlos. Mehr als das macht mir mein Magen zu schaffen – ich esse zu viel und das falsche. Zu viel Süßkram und zu wenig gesunde Mahlzeiten. Ein Teil meiner Bauchschmerzen kommt daher. Der größere Teil allerdings ist ein schwarzes Loch, das saugt und saugt und saugt, an den Rändern gärt, alles in sich verschlingt und nicht wieder rauslässt. Diese Ursuppe bekämpft sich gegenseitig und besteht zum größten Teil aus Angst. Manchmal kann ich es verquirlen, dann dreht sich der Strudel gleichmäßig und ich lasse mich einlullen. Gleichgewicht!

Das bleibt aber nicht so, ich muss aufstehen – auch wenn es zwanzig vor sechs noch nichts zu tun gibt. Die Angst vor dem Tag hält dich im Bett. Sie sagt dir, dass du da sowieso nicht schaffst. Nebenbei zwickt es am Oberschenkel und die Hautstelle auf der Schulter juckt verteufelt. Ich kratze sie mir blutig und kann doch nicht aus meiner Haut. Später schmiere ich kühlende Creme drauf.

Dass ich mit den Händen, von denen ich denke, dass sie keine Kraft haben das Handy zu halten, mit diesen Finger diesen Text tippe, so zittere, kann ich geschickt verbergen. Ein Außenstehender ahnt nichts, denkt nur; die ist noch nicht ganz wach.

Doch, wach bin ich inzwischen, hab auch schon einen Milchkaffee getrunken und sage mir jedesmal, dass das keine so gute Idee ist. Auf einen Magen der revoltiert, Kaffee kippen ist wie Öl ins Feuer gießen. Aber die Macht der Gewohnheit!

Juniorenherrschaften wecken. Aus einem Zimmer kommt Gebrumm, aus dem anderen wird mir ein Armband an den Kopf gepfeffert. „Ihr dürft doch noch 10 Minuten im Bett bleiben!“ Köpfe sinken auf Kissen. „Was wollt ihr zum vespern mitnehmen?“ Keine Antwort – pack ich eben irgendwas ein. Denke aber, dass das bestimmt nicht das richtige war und habe darüber ein schlechtes Gewissen.

Das Anziehen überspringen wir mal – ist eine eigene Geschichte. Klogang, Windeln wechseln, notdürftig waschen, Haare kämmen, rasieren, auf den Rollstuhl setzen.

Frühstücken tun wir ja schon lange nicht mehr. Jedenfalls wird nichts gegessen, nur getrunken und da darf/muss/will ich jeden Tropfen in die Münder reden. Und dann diskutieren beide mit mir warum was so nicht geht und weshalb das so gemacht werden muss, was aber nicht geht, weil ein bestimmtes Teil nicht da ist. Da wünsche ich mir entweder verstopfte Ohren, was aber die Folge hat, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich nicht zugehört habe. Oder ich wünsche mir vier Ohren und habe anschließend das Gefühl, mein Kopf platzt.

Über allem schwebt die Angst den behinderten Menschen nicht gerecht zu werden…

Alltag, Behinderung, Gedanken

faul | Vorsicht Zynismus

Die Menschheit ist doch faul. Wenn man ihnen nicht alles vor den Allerwertesten trägt und sie nur ein Häkchen machen müssen, wenn die Menschen ein paar eigene Schritte machen müssen, dann tun sie es aus Bequemlichkeit eben nicht.

Bloß nicht selber denken, hinterherlaufen wie die Lemminge – machen ja andere auch! Wie die Hunde: „Ich weiß zwar nicht, was ich mache, aber da hat einer hingeschissen. Der Platz kann also nicht schlecht sein, dann mache ich das auch!“

Oder: „Das hab ich schon immer so gemacht! Etwas Neues passt nicht in die Routine und wenn man dazu noch umdenken müsste. – Nein danke, dann mache ich lieber gar nichts!“ Am besten ist doch, man lässt sich alles vorsetzen, braucht nur noch unreflektiert zu konsumieren, und Danke sagen oder ein Feedback geben, das ist doch schon wieder viel zu viel – da muss man ja selber agieren!

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Out off: ich habe gerade 2 Stunden auf einen Techniker für des Töchtings Rollstuhl gewartet. Er hatte sich am Freitag für heute angekündigt. Nachdem ich mich durchgerungen habe anzurufen, hat man mir gesagt, dass sie gerade das Lager umziehen und heute ganz bestimmt nicht mehr kommen!