Alltag, Behinderung, Gedanken, Junioren

o Pippi

Nicht Pippi Langstrumpf – obwohl so verschmitzt, wie dieses freche Mädchen, hat Wiebke es mir auch beibringen wollen, dass ihr Bett leider nass ist. So ganz wenig war es dann doch nicht und zur Töchtings Verteidigung möchte ich sagen, dass ich ziemlich spät am Morgen ins Zimmer gekommen bin, denn sie kann ja nun nicht alleine aufs Klo gehen. Ist kein Beinbruch! Ist nicht schlimm, wird gewaschen und gut ist‘s. 

Das ist auch Alltag bei uns, das ab und zu etwas daneben geht. Ich Betten außerhalb der Reihe waschen muss – entweder kotzt Carsten, oder Pippi läuft aus der Windel, oder dem Töchting passiert ein Malheur. Unser Alltag unterscheidet sich gewaltig von dem anderer. Ich merke das immer wieder wenn wir uns verabreden wollen, ich/wir brauchen viel mehr Vorlaufzeit – und manchmal geht’s gar nicht. Nicht immer stoßen wir auf Verständnis. So richtig spontan können wir nicht sein, ich muss schließlich drei Leute anziehen, muss dafür sorgen, dass drei Leute gegessen haben – und das ist nicht immer einfach, weil, wie ihr wisst, Carsten massive Essprobleme hat…

Okay, genug davon, es ist Sonntag! Die Herrschaften sollten raus aus den Federn, meine Aufgabe ruft. Ran, dran!

13:05Uhr – Es wird langsam zur Manier, dass ich meine Beiträge mit Zeitangaben versehe und so die Nachträge deutlich mache. Ändert sich bestimmt auch wieder! Draußen ist es durchwachsen, nicht so sommerlich wie gestern. Wir werden aber in den Garten der Wunschtochter gehen, was anderes sehen und Kuchen essen. Die Vögel merken auch, dass irgendwas wettertechnisch im Busche ist. Ob es gleich regnet? 

18:56Uhr – Kein Regen, dafür ein leckerer Kuchen und gute Unterhaltung, dreckige Finger allenthalben, ein Fastunfall mit quietschenden Reifen und Resteessen um halb sieben!

 

Alltag, Behinderung

gut gehen

Kintsugi

Heute Morgen ging es mir endlich einmal gut. Ich hatte keine Angst, ich war frei. Hab mich noch mal ins Bett gelegt und Charité geguckt – die ganze Staffel. Fast am Ende klingelt das Telefon, und die Lebenswerkstatt ist dran. Mein Puls pocht, mein Herz rast, und mir wurde schlagartig übel. Carsten hat gekotzt und ihm geht es nicht gut. Er atmet schwer und er hat geweint. Er, der selten weint, hat geweint!

Ich bin hin, in die Werkstatt und fand ein Häufchen Elend vor! Empfangen hat mich allerdings ein hustendes Töchting – natürlich habe ich sie auch mit heimgenommen!

Alltag, Behinderung, Gedanken

nichts tun müssen

 Mal wieder ein geklauter Titel und ein gestohlenes Thema!

Nichts möchte ich machen, einmal gar nichts. Nicht Betten waschen, weil sie nass sind. Nicht die  Waschmaschine mehrmals ein- und ausräumen, den Trockner füllen oder den Wäscheständer. Mag nicht ständig Angst haben, wenn der Kerle wieder hustet und das Töchting im Rollstuhl hin und herwackelt, weil sie aufs Klo muss, aber nicht geht. Möchte kein Geschirr von sonst wo holen und in den Spüler stellen. Habe keine Lust auf Saharastaub überall und festgefahrenen Dreck im Teppich. Möchte mir nicht Gedanken machen, was die Junioren essen können und ob sie das auch mögen. Mag keine unverhofften Telefonanrufe, in denen mir zum Beispiel gesagt wird, dass Carsten gekotzt hat. Will nicht die unterschwellige Botschaft hören, dass ich ihn abholen soll. Warte stattdessen auf einen Anruf, der nicht kommt und traue mich nicht nachzufragen. Möchte auch nicht hören, dass ich doch bloß fragen muss. Wenn ich mich aber nicht traue?  Möchte die Spinnweben nicht sehen und das Schokoladenosterpapier aus den Bettritzen kratzen. Die Waschmaschine piept schon wieder. Wenn der Garten es könnte, würde er es auch mit großem Getöse tun. Im Bad liegt ein Handtuch im Waschbecken, das andere ebenso nass vor der Badewanne. Ich täte gerne streiken! Mein Bauch tut weh, Carstens Windel war okay. Jedenfalls hat der Anrufer nicht auch noch etwas von Blut dort erzählt. Der Kaffee – ihr ahnt es – ist kalt. Gebt mir eine Decke, eine große, ich möchte mich verkriechen. 

… und ich möchte endlich jemanden haben, mit dem ich reden kann, ohne dass mir derjenige den Rat gibt, es doch Schritt vor Schritt anzugehen. Das weiß ich alles. Ich möchte jemanden, der es mir nicht nur sagt, sondern mit mir zusammen macht, ohne es zu tun. Überforderungsgefühle sind auch so ein Aspergerdings. Wenn ich nachdenke, weiß ich, dass ich das packe. Aber jetzt sehe ich erst einmal nur den Berg und der scheint von Tag zu Tag zu wachsen. Am Nachmittag kommt eine Bekannte, hat sie vor 2Wochen gesagt. Aber sie vergisst oft in ihren Kalender zu gucken. Ich bräuchte nur nachfragen… Ach, hatten wir das nicht schon mal? Möchte mich nicht um alles kümmern. Will nicht immer da sein. Mag nicht allzeit bereit sein. 

Möchte. Einfach. Mal. Nichts. Tun. Müssen. 

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Wie mir geht es vielen Müttern von behinderten Kinder, geht es vielen pflegenden Angehörigen. Ich bin zusätzlich selber behindert, denn Im Autismus-Spektrum zu sein, empfinde ich als solche. Ich werde alleine gelassen. Selbsthilfegruppen finden abends statt und im Aspergerfall gibt es kaum alte Autisten, die sich austauschen können/wollen.