Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

14.9.23 – Tagebuchbloggen

Eigentlich wollte ich meinen gestrigen Tagesablauf bloggen – ich werde mich selbst zensieren. Wenn ich es wirklich schreiben würde, wären sehr viele böse Kommentare wieder da, denn es war ein reiner angstbeladener, stressiger, mit unnötigen Gesprächen – da manche Menschen mich als seelischen Mülleimer benutzen – mit Ankündigungen, die mich eher noch mehr einschränken als entlasten, behafteter Tag. 
Nachts habe ich mit einer Mitarbeiterin der Telefonseelsorge gesprochen, danach bin ich im Regen draußen herumlaufen. 

Am Morgen gucke ich ins Blog nach Kommentaren und sehe vier Hasskommentare bzw. kryptische Buchstabenreihen mit immer derselben IP-Adresse. Kein Zuspruch, weder von den Leuten, die sich bei mir ausheulen, noch von sonst wem.

Und wenn ich jetzt noch einmal diese Sprüche höre: Reiß dich doch mal zusammen! Sei nicht immer so undankbar! Was willst du eigentlich? Wenn du doch Hilfe kriegst, warum nimmst du sie nicht an? Alles aus der Ferne, dann fange ich an zu weinen. Vor Ort ist kaum eine*r, der/die auch nur die Rollstühle ins Auto hieft.

Ich ziehe jetzt die Junioren an!

 

Gedanken

Paul und Frau Konik

Paul: Wir haben ja das Lächeln, Frau Konik … das erlösende Lächeln..
Frau Konik: Man kann doch nicht über alles lächeln.
Paul und Konik (zugleich): Über alles. Über alles.
Frau Konik: Meint ihr nicht, dass das ein bisschen gefährlich ist …?
Konik: Ja, … für die, denen es gilt!

Gustav Wied

∙∙∙∙∙

Eigentlich wollte ich etwas über Tucholsky schreiben. Aber dieses wissende Lächeln lässt mich im Moment nicht los.

Fragen, Gedanken

sei doch mal ein bisschen dankbarer

Wem soll ich dankbar sein? O weia, schon wieder! Schon wieder so ein indirekter Vorwurf. Was ist Dankbarkeit? Für was soll ich dankbar sein? Dass ich in Deutschland lebe, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und zu trinken habe? Bin ich doch! Aber, im Grunde genommen nehme ich das als Selbstverständlichkeit. Ich wache morgens im Bett auf – heute zum Glück wieder ohne quälenden Husten. Ich kann mir selbst Kaffee machen. Ja, je länger ich darüber nachdenke, darüber bin ich dankbar. Auch wenn‘s mich manchmal nervt und ich gerne hätte, dass mir jemand eine volle Tasse Kaffee ans Bett bringt. Meinen Junioren bringe ich das Trinken ans Bett. Aber würden sie nicht viel lieber selbst an den Kühlschrank gehen oder die Kaffeemaschine anschmeißen?

Dankbar kann ich auch sein, dass der Kerle sich so schnell erholt hat, dass das Töchting nur ein bisschen hustet – möglicherweise nur Solidaritätshusten? Dankbar bin ich auch, dass wir gestern eine Suppe gebracht bekommen haben. Die Suppe war zwar mehr Brei, aber die Absicht zählt doch. Noch was; unser Hausarzt ist ein Freund der Junioren und respektiert sie, wie sie sind. Dankbar bin ich inzwischen auch, dass ich über einige Macken meiner Mitmenschen gnädig hinwegsehen kann. Sie nerven mich zwar immer noch, aber ich lass es nicht mehr raushängen – sollten mir diese Menschen dafür auch dankbar sein? Ich weiß es nicht, ich verlange es nicht. Das jedenfalls nicht. Was ich erhoffe ist, dass wir uns gegenseitig wertschätzen. Den Wert eines einzelnen Menschen sehen…

Jetzt bin ich vom eigentlichen Thema abgekommen, oder doch nicht? Dankbarkeit ist aus der Mode gekommen. Wir wollen alles haben: Gesundheit, ein gutes Leben, Geld, Güter, Urlaub, und wir nehmen es als Gegeben hin. Ist doch selbstverständlich, steht uns doch zu. Ich könnt nun fragen, wofür ihr dankbar seid – verratet ihr es mir?