Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

unruhig

Heute Morgen war die Unruhe greifbar. Nach einer Woche Ferien fällt es den Junioren schwer in die Werkstatt zu fahren. Sie dürfen eine Viertelstunde länger im Bett bleiben, weil niemand baden muss – wie er morgen aussieht, wer morgen badet, das wird sich zeigen. Gestern hatte der Helfer abgesagt, der mit uns nach Leipzig zum Humangenetischen Institut waren wollte. Er hatte mit der, mit mir zerstrittenen, Helferin gesprochen. Meine Sicht der Dinge kannte er nicht. Gleich werden wir miteinander reden. Aber schon gestern gab er mir, nach einem Telefongespräch, die Zusagen, dass er doch mitfährt.
Ich möchte endlich diese unschön endende Episode abschließen – ich kann nicht mehr! Es geht auf Kosten der Junioren.

Carstens schöne Winterjacke ist in der Freizeit verlorengegangen. Er hat seinen Schlafelch verschenkt und vermisst ihn jetzt sehr. Wiebkes orthopädische Schuhe drücken, ihr Hautausschlag ist noch immer da und ich habe überhaupt keine Ahnung woher er kommen könnte. Carsten hat in der Freizeit abgenommen.

Der normale Alltag ist wieder eingekehrt und täglich grüßt das Murmeltier.

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    Joni Mitchell – Both Sides Now deutsche Übersetzung

    Fließendes Engelhaar
    Eis-Schlösser hoch in der Luft
    und gefiederte Schluchten –
    so habe ich die Wolken gesehen
    Aber jetzt verdecken sie die Sonne
    sie lassen es regnen und schneien
    was hätte ich alles erreichen können
    aber Wolken waren mir im Weg

    Ich habe die Wolken von beiden Seiten gesehen
    von oben und unten und immer noch
    erinnere ich mich gerne
    an die wolkigen Luftillusionen
    aber wirklich verstehen kann ich sie nicht

    Junimonde und Riesenräder
    das schwindelerregende Glücksgefühl
    wenn alle Märchen wahr werden –
    so habe ich die Liebe gesehen
    aber jetzt geht es um etwas anderes
    du lachst, wenn du gehst
    und wenn es dir etwas ausmacht,
    dann zeigst du es nicht
    Gib nicht zu viel von dir preis.

    Ich habe die Liebe von beiden Seiten gesehen
    Geben und Nehmen und immer noch
    erinnere ich mich gerne an
    die Illusionen der Liebe
    aber wirklich verstehen kann ich sie nicht

    Tränen, Angst und Stolz
    laut „Ich liebe dich“ zu sagen
    Träume, Schäume und große Pläne,
    so habe ich das Leben gesehen
    Aber jetzt benehmen sich meine Freunde merkwürdig
    Sie sagen, ich hätte mich verändert
    immer ist etwas verloren und etwas gewonnen
    an jedem Tag des Lebens.

    Ich habe das Leben von beiden Seiten gesehen
    gewinnen und verlieren und irgendwie
    erinnere ich mich ich vor allem
    an die Illusionen des Lebens
    was Leben wirklich heißt, weiß ich nicht.

Familie, Gedanken, Junioren

Hüte deine Zunge!

Nervosität prägt diesen Tag. Ich stehe unter Spannung – Hochspannung. Ich muss Lösungen finden. Eine Helferin, die lange Zeit nicht hier war, kommt heute Abend. Wir haben uns noch nicht ausgesprochen, jedenfalls besteht von meiner Seite noch Handlungsbedarf. Aber da sie ihre Tochter mitbringt und Carsten und Wiebke auch sehr große Ohren haben und dieses Klärungsgespräch nicht für Kinder und Junioren gedacht ist, wird nichts dergleichen passieren.

Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu emotional werde, obwohl es gerade das ist, was besprochen werden muss – ich muss wirklich darüber reden, sonst zerreißt es mich innerlich.

Wahrscheinlich hat die Helferin die Erwartung an mich, dass ich ihr das Geld weiterhin so bezahle, wie vor dem Zwist. Ich habe die Befürchtung, dass sie weitermachen will, wie vorher – als sei nichts geschehen. Das kann ich nicht – mein Vertrauen ist gebrochen, zerbröselt. Ich kann ihr diesen Raum nicht mehr geben, den sie hatte. Ich will nicht mehr auf Familie machen. Ich hätte gerne ein rein geschäftliches Verhältnis. Ob das möglich ist, wird sich heute nicht zeigen. Ich werde ihr die Chance geben, aber wenn ich auch nur ein Fünkchen eines unguten Gefühls habe, dann werde ich aufgeben.

Hoffentlich werde ich gelassen bleiben und mich nicht emotional erpressen lassen!

Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

wenig Interesse

Ein Satz irgendwo beim Emil gelesen: Trete ich zurück, werde ich uninteressant. Natürlich in einem ganz anderen Zusammenhang. Auch gelesen, in einem Buch von Ulrike Draesner – Eine Frau wird älter: [..] Jede Menge Männer unterwegs auf so einem Parkplatz. Was ist los mit den Männern, denke ich, was hat sich verändert, sie sind so zurückhaltend. Nach einer Weile ist klar: Nichts hat sich verändert. Es wird geschaut. Hinterhergeschaut. Jetzt fällt es mir wieder ein: Ach so, es liegt an mir. Ich bin es, ich stehe hier offensichtlich in dieser neuen Verborgenheit herum. [..] Dieses Desinteresse stößt mir auf – nicht als Frau, oder jedenfalls nicht nur. Es ist ein allgemeines Desinteresse am anderen.

Das Interesse besteht meistens nur so lange, wie man nicht involviert ist. Sobald man selber handeln sollte oder muss oder will oder was auch immer – jedenfalls aktiv werden, stirbt bei so manchen Menschen die Aufmerksamkeit. Ich nehme mich da selber nicht raus. Interesse zu zeigen erfordert Anteilnahme und da jeder mit sich selber sehr beschäftigt ist, kostet das zusätzliche Kraft, die einige nicht haben. Dabei ist es gar nicht einmal Fakt, dass das Schicksal des anderen einem am A…. vorbei geht, es ist manchmal reine Hilflosigkeit und da sagt man lieber nichts, als dass man sich in die Nesseln setzt oder gar eine Abfuhr erhält.

Es erfordert Fingerspitzengefühl von allen Seiten und man kann wirklich nicht alles bedenken, kann nicht jede kleinste Kleinigkeit – von der man möglicherweise auch gar nicht ahnt, dass es sie gibt – berücksichtigen. Fingerspitzengefühl, das mir scheinbar nicht gegeben ist. Einerseits bin ich immer leicht gekränkt und fühle mich (da nehme ich, wenn es um Belange der Junioren geht, diese mit rein) benachteiligt, weil unsere Bedürfnisse nicht gesehen werden. Wir sind eine winzige Minderheit und im großen Ganzen tatsächlich unscheinbar. Das schmerzt! Andererseits poltere ich schnell heraus.

Es schmerzt sogar so sehr, dass ich noch weiter zurücktrete, gar keine Gespräche auf Veranstaltungen mehr führe, meine Sprache verliere und mir nichts zutraue. Wenn noch ‚Funktionärsmütter‘ anwesend sind, die ach so toll das Leben ihrer behinderten Kinder gemanagt haben – diese selbstständig wohnen und eigenständig leben – dann schrumpfe ich zusammen und hoffe doch inständig, dass man meine Leistung auch sieht. Uns sieht …

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Erst einmal Schluss – Wiebke ist krank. Sie hat einen stark juckenden Hautausschlag am Bauch. Wir gehen zum Arzt!