Alltag, Behinderung, Familie, Gedicht

Wahnsinn

Wahnsinn ist oft die Logik eines sehr akuraten Geistes, der überlastet ist.
| Oliver Wendell Holmes

Der abnehmende Mond scheint ins Zimmer, aber es ist nicht mehr dunkel. Ich habe geschlafen bis um halb acht. War bitter nötig, denn die Nacht davor war hellbettschwermüdewach. Und dann der Tag, gestern, mit der Nominierung! Der dazugehörige Beitrag bleibt noch bis Dienstag oben stehen und dann geht’s normal weiter. Vielleicht nicht ganz, denn die Junioren bekommen wieder ihre Namen dazu.

Es herrscht eine beängstigende Stille. Der Kerle schläft wie ein Stein und Wiebke singt auch nicht. Nur von Zeit zu Zeit rauscht ein Auto vorbei – mir ist unheimlich zumute. Gedanken können rattern und mein Blick schweift aus dem Fenster. Ziemlich wüst sieht es aus, unaufgeräumt und grau mit weißen Tupfen. Diese aber nicht von Schnee, sondern es sind Knospen von Gänseblümchen. Zu kurz, um sie in die Vase zu stellen…

Warum mache ich das eigentlich alles hier? Könnte ich nicht auch mein Buch nehmen und die schöne Kuscheldecke, oder den nächsten Zug nach Nirgendwo? An die Ostsee oder Timbuktu? Carsten würde jetzt sofort mitfahren wollen. Wir hatten gestern Nachmittag kurz Besuch. Eine sehr junge Frau erzählte von ihrer Au Pair-Zeit in USA, der Kerle wollte alles wissen und natürlich alles sehen: „Da fahren wir auch hin!“ Wie gerne würde ich das tun. Aber, erstens ist das mit einem Rolli schon eine Herausforderung und zweitens fehlt mir dazu das nötige Geld, ganz abgesehen davon, dass wir dann immer noch keine Begleitung haben. Wir kommen ja noch nicht einmal in die Weinberge, die hinterm Haus beginnen.

Das Töchting singt Kauderwelschlieder, wie immer und mag auch nicht aufstehen. Ganz krumm liegt sie und guckt Schlümpfe (Comik-Geschichten) an. Ich trinke meine Tasse leer, zieh die Aufbaunahrung auf, geht ins Kerlezimmer und bekomme wahrscheinlich gleich ein mürrisches Knurren. Aber verhungern lassen werde ich ihn nicht – wenigstens kotz Carsten grad nicht!

Kuddelmuddelgedankenchaos

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Veröffentlicht von piri

In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ☀️ ❤️ Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.

7 Gedanken zu „Wahnsinn“

  1. C Stern sagt:

    Liebe piri, Deine Gedichte sind echt, gehen mir oft unter die Haut,
    kommen ganz aus Dir selbst, zeigen viel von Dir – und vor allem mag ich sie, wenn Du sie sprichst. Eine Stimme hast Du, wie für das Mikro geschaffen!
    Gedanken wollen nicht immer schön rund sein, sie müssen auch keine Versform annehmen – aber sie sollen die Menschen erreichen. Deine tun es intensiv, das sieht man auch an den Reaktionen!
    Liebe Grüße zu Dir und Euch – möge einem hoffentlich gut verbrachten Abend eine schlafreiche Nacht folgen! Mögen so manche Wünsche wahr werden …

    1. piri sagt:

      Danke, dass du das so siehst. Weißt du, ich würde gerne alle meine Gedichte in einem professionellen Studio aufnehmen wollen.

      Auf Nächte, in denen ich durchschlafen kann, hoffe ich sehr und mein größter Wunsch gesehen zu werden, wird sicherlich auch ein bisschen wahr.

      1. C Stern sagt:

        Ich habe entdeckt, dass Menschen manches Mal viel mehr beachtet werden, als sie dies selbst wahrnehmen. Diese Entdeckung verdanke ich meiner achtzehnjährigen Arbeit mit Kindern. Ich staunte, was sie mir später, wenn wir uns (zufällig) trafen (und gelegentlich immer noch treffen), erzählten – was sie an mir beobachtet, geschätzt, gesehen haben. Worin ich für sie auch zum Fels in der Brandung wurde. Ich war manches Mal so baff und ungläubig. Und dann ging mir ein Licht auf: Es gibt Menschen, die darüber sprechen oder schreiben, was sie sehen, wahrnehmen, schätzen, …, andere nehmen all das still in sich auf. Und dann habe ich verstanden – und bleibe für immer zutiefst dankbar für diese Erkenntnis!
        Liebe Grüße, C Stern

        1. piri sagt:

          Ich weiß sogar, dass ich gesehen werde – mir geht es darum, dass mir auch einmal gesagt oder vermittelt wird: Ich sehe dich. Sehe, was du leistest und was du bist! Das vermisse ich – nennt man das Lob?

  2. Rosa sagt:

    Es wäre schön, wenn es irgendwo so ein Land gäbe, in dem man, von allen Sorgen und belastenden Gedanken losgelöst, verweilen und nur schöne Dinge machen könnte … nur für kurze Zeit. Für einen Tag, eine Woche, ein Jahr … um dann wieder zurückzukehren – in das Hier und Jetzt. Andererseits – würde man dann noch denn Willen dazu haben, in DIESEM Alltag weiterzumachen?
    Deine Gedichte, liebe Piri, gefallen mir sehr, auch wenn sie vielleicht nicht der Norm entsprechen; du hast eine angenehme Stimme und kannst sie wunderbar rezitieren.
    Herzliche Grüße
    Rosa

    1. piri sagt:

      Danke für deine Gedanken. Ab und zu woanders sein, schärft den Blick auf das was man hat. Und Dankeschön fürs Gedichtemögen. Was entspricht der Norm? Muss es ein Versmaß geben? Ich sehe Gedichte als verdichtete Gedanken.
      Liebe Grüße zurück

      1. Rosa sagt:

        So sehe ich das auch.

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