Man kann seine Worte immer anders wählen […]
Sicherlich kann man das. Vielleicht können das sogar sehr viele Menschen. Ich kann es nicht – und will es auch nicht mehr! Ich bin inzwischen so alt geworden und habe immer gehört: du bist ruppig, du bist unhöflich, du bist nicht sensibel genug, du bist zu direkt, du stößt andere Menschen vor den Kopf, Ehrlichkeit kann man auch netter verpacken, sei nicht so impulsiv! etc. pp. Ich bin’s leid mich zu verstellen!
Wisst ihr was Masking ist? (Nur der Wikipedia-Beitrag – wenn ihr mehr wissen wollt, es gibt im www sehr gute Artikel, die das länger und ausführlicher erklären.) Es ist verdammt anstrengend. Diese Kraft will und kann ich nicht mehr vollumfänglich aufbringen. Ich möchte einmal ich sein. Komplett ich! Mag mich nicht mehr selbst zurechtbiegen* (siehe Nachtrag), und dass ich mich zurechtgebogen habe – immer und immer wieder – das habe ich hier im Blog oft genug geschrieben. Ich bin ein unbequemer Geist. Sehr gerne sogar und an den Konsequenzen trage ich schwer.
Selfcare ist ein neues Zauberwort, aber Selfcare ist kein Ersatz für gerechtere Strukturen. Mir zu sagen, ich solle einfach „besser auf mich achten“, ist bequem und das empfinde ich als übergriffig und möchte das auch sagen dürfen, ohne dafür gerügt zu werden.
Wie komme ich jetzt auf Selfcare? Vom Hündchen aufs Stöckchen? Mir ging es im letzten Beitrag darum, aufzuzeigen, dass es um echte Entlastung geht, die ich nicht habe. Nicht um ein Entspannungsbad! Eine andere Mutter schrieb: Ja und in der Badewanne kickt dann der mental load erst so richtig 😂 dann will man am liebsten 5x rausspringen um „kurz was zu machen“ weil es einem in der Ruhe eingefallen ist…
Ich möchte offen sagen dürfen, dass manches Scheiße ist, dass mich das System nervt, dass behinderte Menschen – und ich werde mit meinem Autismus auch behindert wenn es heißt: Dann reiß dich doch mal zusammen!, wenn ich schon am Anschlag stehe und kurz vor dem Shutdown bin.
19:23 Uhr– mag mich nicht mehr selbst gasligthen (finde grad meine Wortschöpfung, weil mir kein anderes Verb eingefallen ist, grandios!)
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Ehe ich mich jetzt völlig in Rage schreibe und Leser*innen beleidigt wegbleiben, höre ich auf.
jvd sagt:
Ungefragte Ratschläge; Bagatellisieren; Witze reißen und als Humor verpacken; Sei doch nicht so; so aber auch nicht; vielleicht stimmt was mit deinem Zeitmanagement nicht; …
mich ergreift dein Text gerade dermaßen, dass ich schon wieder weine…puh. Ja. Mir fällt nichts Schlaues ein gerade – muss ja auch nicht; außer: Mitgefühl.
piri sagt:
Danke
Nicht, dass du weinst. Sondern, dass ich das Gefühl habe, dass du mich verstehst!
jvd sagt:
Ich kann dich sicher nicht vollständig verstehen; das zu behaupten wäre Hybris. Aber ich habe eine Ahnung, ja.
piri sagt:
Wer kann schon einen anderen vollständig verstehen? Wir (da schließe ich ganz viele mit ein) verstehen uns oft selbst nicht einmal.
Violine sagt:
Masking ist ein Scheiss. Kostet viel Kraft und man lernt die Person, die dieses Masking betreibt, nie richtig kennen, weiss nicht, woran man ist.
Ich seh das gerade bei einer Freundin, weil sie in einem bestimmten Setting (ich will es nicht breittreten) versagt oder sagen wir sehr seltsam reagiert. Sie wird auffällig, gleichzeitig will sie nicht, dass über sie geredet wird.
Ich selbst weiss nicht mehr, woran ich mit ihr bin und weiss nicht, wie mit ihr umgehen.
Sie hat ADHS. Über ADHS habe ich nachgelesen. Lesen alleine langt eigentlich nicht, ich müsste mit ihr darüber sprechen, aber das geht nicht, sie macht das nicht. Das Masking bleibt.
(P.S.: Mein Blog ziehe ich gerade um. deswegen läuft das noch nicht rund. Aber es wird!)
piri sagt:
Masking wird aber leider erwartet und oft mit Höflichkeit gleichgesetzt. Natürlich sollte jederzeit Respekt und Akzeptanz dem anderen gegenüber gelten.
Izzy sagt:
Du kommst klar und ohne jeden Schnickschnack. Deine Direktheit mag ich.