… ist es jetzt – zu Coronazeiten – erst recht eine große Herausforderung!
Mir sind zwei Helfer abgesprungen. Einer sehr unfreiwillig, er ist schwer erkrankt und muss sich nach einer Kopfoperation erst mühsam wieder aufrappeln und einer ist heftig depressiv und kommt nur noch, wenn ihm danach ist. Planen kann ich gar nicht! Unsere Pastorenfreundin ist tapfer und treu. Aber sie ist alt. Die Behindertenorganisation vor Ort bietet keine Kurse an, die Band findet nicht statt, Wochenendfreizeiten gibt es keine und Ausflüge sind dermaßen zusammengestrichen (zeitlich gesehen), dass es eher Stress für mich ist, die Junioren dort anzumelden, als dass es freie Zeit wäre. Zudem machen sie auf den Ausflügen meistens Picknick und weder Carsten (der schon gar nicht) noch Wiebke können Brote aus der Faust essen. Fünfstundenausflüge – und der Tag ist zerrissen! Ich kann mit zwei Rollifahrern alleine keine Ausflüge machen. Dabei hätte ich Ideen. Ach Mist, wir kommen nicht von der Miste!
Manchmal fällt uns die Decke auf den Kopf. Werkstattzeit ist auch gekürzt. Dabei haben es die Junioren noch gut, sie dürfen jede Woche hin. Zwar fast drei Stunden kürzer am Tag, aber immerhin kontinuierlich. Das aber auch nur, weil sie Im Förder- und Betreuungsbereich sind. Die Werkstattleute können nur 14tägig! Was macht man in der freien Zeit, wenn man nicht viel machen kann? Nicht schwimmen gehen darf? Nicht ins Kino kann, weil mit Rollstuhl das nicht möglich ist? Sich nicht einfach in den Biergarten setzen kann? Oder ins Museum, weil die Junioren ohne Mundnasenschutz nicht hineingelassen werden?
Wir brauchen Helfer! Ganz dringend! Wir brauchen Gesellschafter! Ja, genau – wir wollen nämlich am öffentlichen Leben teilhaben!
Wenn ihr wollt, könnt ihr uns gerne etwas in den imaginären Hut werfen! Denn je besser ich Helfer bezahlen kann, umso mehr kann ich deren Engagement würdigen. Oder ihr kommentiert mal, denn viel lieber als alle Likes der Welt mag ich echte Kommentare!
dergl sagt:
Ach piri (und Carsten und Wiebke), ich (und das Kind) kann bzw. können euch zumindest ein bisschen verstehen, weil auch für uns viel pandemiebedingt unmöglich geworden ist. Okay, wir sind von Städten umringt, die immer wieder in der Top Ten der Städte mit der höchsten 7-Tage-Inzidenz auftauchen, das bedeutet, bei uns ist das generelle Ansteckungsrisiko vielleicht höher als bei euch.
Beispiel Kind: Hier in NRW hieß es nach den Osterferien vom Kultusministerium aus, dass alle Schüler:innen zumindest tageweise zurück in den Präsenzunterricht sollten. Dieses alle beinhaltete keine behinderten Schüler:innen (nicht jede:r behinderte Mensch ist gleichzeitig vulnerabel), die wurden häufig zurück nach Hause geschickt oder Schulen haben von Beginn an gesagt, dass sie diese Schüler:innen nicht zurück in den Unterricht lassen. Darüber berichteten unter anderem auch die kobinet-nachrichten, es ist also nicht die Einzelfall-Erfahrung vom Kind von Mitte März bis Mitte August nicht einen einzigen Tag in der Schule gewesen zu sein. Keine Schule heißt auch verringerte Sozialkontakte, obwohl er sich gut übers Internet über Wasser gehalten hat und zum Beispiel mit einzelnen Freunden vom Fenster aus Gespräche führen konnte. (Mit elf definiert man „Ich treffe mich mit meinen Kumpels“ trotzdem eigentlich anders und entsprechend war er oft frustriert.) Ferienaktivitäten für ihn gleich null, auch weil mehrere Freunde von ihm, die er sonst gerne in den Ferien trifft, weil sie sonst auf Internaten sind, ab nach den Osterferien in Internaten festsaßen und als sie nach Hause für die Ferien gefahren sind gleich in Quarantäne saßen. Achtung Ironie: Schöne Ferien wünschen Yvonne Gebauer und Armin Laschet! * Ironie aus *
Ich darf seit Monaten (so wie ganz viele andere behinderte Menschen hier auch) meine Selbsthilfe- oder auch Arbeitsräumlichkeiten nicht betreten, falls was ist, wer ist es dann schuld?! Meine Therapie läuft per Email, denn man will nicht Schuld sein, falls ich mir in der Bahn auf dem Weg was hole, meine Assistenz wurde „von oben“ herunter gefahren, denn ja äh… braucht man jetzt woanders nötiger, da Leute ausfallen oder anderswohin versetzt wurden. Stimmt zwar, sehe ich auch ein, stellt aber trotzdem ein Problem dar und hat gesundheitliche Folgen.
Dazu kommt, dass man wegen der Schulsituation dauerhaft erreichbar sein muss, ich also auch sonst gar nicht weg könnte, weil ich nicht gleichzeitig zum Beispiel im Supermarkt sein kann und das Kind reinlassen, wenn mal wieder irgendwer positiv getestet wurde und deswegen eine Klasse oder Jahrgangsstufe nach Hause geschickt wurde. Es ist eine Frage der Zeit bis die Schule vom Kind betroffen ist.
Das heißt, wir sitzen auch fest, wir haben verglichen mit anderen uns bekannten behinderten Menschen das Glück, dass wir noch die Assistenten sehen und somit noch „reale Kontakte“ haben, aber das allermeiste läuft für uns auch nur noch online. Was natürlich noch mal was anderes als für euch ist, da für Carsten und Wiebke ja zum Beispiel Skype keine Option ist, um mit Freund:innen zu interagieren.
Ist nicht das gleiche wie bei euch, aber irgendwie ähnlich und tröstet vielleicht ein bisschen.
piri ulbrich sagt:
Ein bisschen tröstet es tatsächlich, nicht alleine dazustehen, dass es anderen ähnlich ergeht, wie uns – nur anders eben. Vor Corona war das Leben als behinderter Mensch schon schwierig, jetzt ist es eine noch größere Herausforderung. Zudem wird mir immer wieder gesagt, dass wir es ja gut haben. So auf dem Dorf und mit Garten und so …
dergl sagt:
„Du hast es noch gut“ bekomme ich auch immer wieder. Als nervig empfinde ich es von den Leuten, die es anbringen mit der Begründung, dass bei mir in der Nähe ja Naturschutzgebiet und Wald und so… und außerdem haben wir ein Schloss. Da kann ich aber nicht hin! Da ist nämlich gefühlt der ganze Kreis und die ganzen kreisfreien Städte der Umgebung und weil da alles voller Menschen ist, ist dort Abstand natürlich nicht machbar. Viele dieser Menschen sind auch noch sehr egoistisch, zum Beispiel Personen, die Masken tragen könnten, aber * räbäää Meine Freiheit! räbäää * rumheulen. Ich finde das schlimm, weil es die Leute, die es wirklich nicht können in den Dreck schmeißt, ich kenne Leute, die trotz Attest und anderen Nachweisen einige Läden nicht betreten dürfen, weil das Personal schlechte Erfahrungen mit Maskenverweigernden und Fake-Attesten gemacht hat, ist verständlich, ist aber nicht Sinn der Sache.
(Eine ähnliche Erfahrung habe ich auch gemacht: Ich trage eine Maske, die es zwar offiziell zu kaufen gibt, die aber nicht sehr gängig ist und eine Apotheke hier lässt mich nicht mehr rein, weil sie diese Maske nicht ernstnimmt – bin halt neben den Assistenten und dem Kind scheinbar die einzige, die so eine hat -, da so viele dreiste Leute einfach irgendwas gemacht haben um da rein zu kommen. Ist für mich jetzt nicht so drastisch, gehe ich halt in eine andere, wenn nun aber jemand auf ebenerdigen Eingang angewiesen ist, dann steht diese Person da und nicht jede:r hat jemanden, der:die die Medikamente im Auftrag abholen kann. Alles, wegen irgendwelchen dreisten Leuten.)
Wenn mir aber jemand sagt „Du hast es noch gut“ und das auf Kontakte bezieht, dann kann ich das tatsächlich nachvollziehen, weil ich weiß wie es vielen anderen geht und auch Leute in meinem Umfeld zum Teil an dem Punkt sind, dass sie sagen, ihnen ist klar, dass wir wohl noch 1-2 Jahre auf uns gestellt zu Hause hängen müssen, weil es keine:n mehr kümmert, und sie können nicht mehr, weil sie halt auch keine Leute zum Austausch kennen. Andere Leute, die mir bekannt sind twittern den ganzen Tag, weil ihnen das das Gefühl gibt, wenigstens nicht voll isoliert zu sein und wieder andere haben Blogs, einige auch erst neu gemacht, und versuchen sich darüber irgendwie eine Verbindung zur Außenwelt zu schaffen. (Auch in dem Bereich gibt es einige, die mir sagen „Du hast es doch gut“, weil ich noch einige Leute kenne, aber ich war 4,5 Jahre eine etablierte Bloggerin bis ich die Fädenrisse geschlossen habe. Die Leute, mit denen ich noch Kontakt habe kenne ich zum Teil diese ganzen 4,5 Jahre, das kam nicht von jetzt auf gleich, dass ich diese Leute hatte.)
isa sagt:
In die Nähe von Isolation gerückt zu werden ist eine enorme Belastung. Und ich kann auch nicht erkennen, dass sich das in nächster Zeit ändern wird. Irgendwie müssen wir uns also damit arrangieren. Diese Aufgabe bleibt dir als Mensch, als Mutter und als Betreuerin. Es ist weder einfach, noch ist es gut. Es ist aber wichtig.
Christel sagt:
Das ist schwer auszuhalten. Ich kann leider auch mitreden wegen verschiedener Erkrankungen die ich hatte (noch habe) zum Schluss bekam ich eine Lungenembolie und Herzrhythmusstörungen so dürfte ich eigentlich noch nicht mal selber einkaufen was ich aber doch tue um mir meine Eigenständigkeit nicht nehmen zu lassen.
Veranstaltungen finden bei uns nur gegen vorherigen sehr spärlichen (wegen Corona) Kartenverkauf statt, da weiß ich dann leider nicht ob ich an dem Tag in der Lage bin hinzugehen.
Das soll kein Jammern sein, es soll bedeuten , dass ich ein Stück weit fühle was andere mitmachen – nämlich viel schlimmeres als ich. So sind wir in den Problematik des „aussen vorstehens“ nicht allein.
Würden Euch Filme für Video helfen ?, anstelle von Kino? Ich gucke mir zurzeit ständig Wiederholungen im TV an denn die Bezahlsender lehne ich ab bis jetzt. Ich bin die, die jetzt mit einem Rollator spazieren geht. Aber wem sage ich das – ihr habt zwei Rollstühle da bin ich ja noch gut dran.
piri ulbrich sagt:
Es geht nicht um Filme gucken, es geht um Teilhabe am ’normalen‘ Leben! Ich wollte hier auch keine Ratschläge einholen – die Junioren wollen was erleben, sie wollen raus – ich übrigens auch!
piri ulbrich sagt:
Arrangieren ist ein gutes Wort – sich damit abfinden, es hinnehmen, ohne zu verzweifeln, das Beste draus machen. Ich versuchs!