Gestern schrieb ich: Gerade weht stürmt der Wind und der Regen peitscht waagerecht. Meine schöne Aster ist vom Gartentisch gefallen, der Übertopf ist nun mehrteilig, aber ich werde kein Puzzle draus machen. Nein, ich werde noch nicht einmal die Blume retten … Irgendwie ist dieses Bild symptomatisch für meine Situation. Da ist etwas kaputtgegangen, das ich nicht kitten will – jedenfalls im Moment nicht und schon gar nicht zu Bedingungen, die mir nicht guttun.
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Das obige ist nur ein kleiner Absatz von fast einem Dutzend Entwürfen, die ich allesamt wieder gelöscht habe, weil sie mir nicht passend für das Blog erscheinen. Seit einer Woche schlafe ich nachts schlecht, weil mir, die ursprünglich sehr gute Zusammenarbeit zusehends auf die Nerven geht – sie belastet mich. Nur weiß ich nicht, wie ich es ändern soll. ich bin sehr enttäuscht.
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Bin ich zu dünnhäutig? Ich werde euch eine Begebenheit am gestrigen Mittagstisch schildern. Wir waren nämlich mit einer Gruppe behinderter Menschen unterwegs und eine Frau hatte im Gasthaus einen Anfall. Keinen epileptischen Anfall, eher einen, der peinlich berührt, sie aber nichts dafürkann, weil es Teil ihrer Behinderung ist. Sie spuckte, gebrauchte Schimpfworte, war stark aggressiv ihren Nachbarsitzern gegenüber, zog an deren Kleidung und war insgesamt sehr auffällig. Die Betreuer wussten mit der Situation nicht umzugehen und ich wollte mich nicht einmischen, denn dann hätte ich die Frau schon früher aus der Gaststätte genommen und wäre mit ihr vor die Tür gegangen.
Okay, es war nicht so! Die Frau tillte im wahrsten Sinne des Wortes. Alle, die an ihrem Tisch saßen, wurden umgesetzt und so konnte sie sich beruhigen.
Andere Gäste schauten natürlich irritiert. Eine Gruppe – ich vermutete zwei befreundete Familien, darunter mehrere halbwüchsige Kinder – verlies fluchtartig das Lokal und da konnte ich nicht mehr an mich halten und rief in den Raum: „Es ist nicht ansteckend!“ Ein Mann aus der Gruppe kam zu mir und erklärt, dass die Kinder Angst hätten. Das verstand ich, ist ja auch eine völlig normale Reaktion und wenn jemand plötzlich wild um sich schlägt, schreit und wüste Worte herausbrüllt, dann ist das, weiß Gott, nicht schön. Verdutzt war ich allerdings, als ich hörte, wer der Mann war – der Leiter einer Behindertenwerkstatt! Kann so ein Mensch nicht in seiner Gesellschaft für behinderte Menschen Verständnis aufbringen und werben? Sind dessen Kinder und die Freunde der Kinder nicht besser auf „besondere Menschen“ vorbereitet sein zu sollen? Für sie sollte es doch selbstverständlich sein, dass auch andere Menschen das Recht haben Essen zu gehen. Die Angst konnte ich gut verstehen – ich hatte sie auch, aber nicht um mich, sondern um die Frau, die schrie. Sie war der Situation nicht wirklich gewachsen. Die Kinder waren übrigens alles schon Schulkinder und bestimmt nicht in der ersten und zweiten Klasse.
Gerne hätte ich um Verständnis diskutiert!
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Heute Morgen kam ein Aushilfsbusfahrer. Ersten fast eine Dreiviertelstunde zu spät und dann zog er Wiebke auch noch hinter sich her, sodass sie rückwärtsfahren musste. Mein Töchting fand das natürlich nicht schön und beschwerte sich durch wimmern. Er guckte mich an und fragte: „Was hat sie denn?“ „Möchten sie rückwärts gezogen werden?“
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Möchtet ihr rückwärts gezogen werden? Ich werde jetzt raus gehen, spazieren gehen, den Kopf frei pusten lassen und ich möchte auf andere Gedanken kommen …
Paula sagt:
Ich würde niemals Dinge, die Personen aus meinem Umkreis betreffen, öffentlich in meinem Blog diskutieren (über die Enttäuschung). Das wäre mir viel zu privat und verletzt womöglich die Intimsphäre Deiner Bekannten, die evtl. sogar mitlesen..
Zur Öffentlichkeit und der Reaktion auf Behinderte, das ist wirklich schlimm, aber leider nicht zu ändern. Da hilft es nur gelassen zu bleiben und schlagfertig (so wie Du).
piri ulbrich sagt:
Du hast in dem ersten Punkt recht – da bin ich übers Ziel hinausgeschossen. Aber an der Enttäuschung ändert es nichts – leider!
Ulli sagt:
Das ist alles wahrlich nicht einfach. Unsere Gesellschaft ist leider immer noch sehr behindertenfeindlich, ich beobachte das schon seit Jahrzehnten und es hat sich kaum etwas geändert.
Ich finde nicht, dass du zu dünnhäutig bist, es gibt so vieles was nicht stimmt und da wäre ich mit der Zeit auch dünnhäutig.
Ich sehe es einfach so, dass du dir irgendwo Luft machen must und du tust es hier, für mich total okay, auch wenn ich nicht immer etwas dazu schreibe.
Und nein, ich wollte nicht rückwärts gezogen werden! Dummer Kerl!!!
Herzliche Grüße, Ulli
piri ulbrich sagt:
Danke Ulli, ich bin sehr dünnhäutig – aber ich bin in erster Linie total allein und sehe eigentlich nur, was ich alles falsch mache …
Ulli sagt:
Vielleicht magst du einmal den Blick dahin wenden, und wenn es nur einmal am Tag ist, was du gut und richtig gemacht hast?
Total alleine zu sein ist schwer!
Ich wünsche dir von Herzen Unterstützung!
herzlichst, Ulli
mijonisreise sagt:
Ach, Petra … Was bringt dich wirklich so auf? Die geschilderte Situation kann es nicht wirklich sein, oder?
Ganz von außen betrachtet, denke ich, wollte der Mann den Kindern wirklich diese Situation ersparen. Egal, was er beruflich macht. Gerade wenn erwachsene Behinderte, denen man diese z.B. nicht wirklich ansieht, lautstark gegen die Situation gehen, kann das auch ältere Kinder erschrecken.
Auch meine drei, die mehr oder weniger außer der Norm laufen, haben mit Kindern mit Handicap kein Problem. Haben aber scheu und sogar ängstlich reagiert, wenn sie auf Jugendliche oder Erwachsene mit Handicap trafen. Zumindest die erste Zeit.
Weißt du, manchmal denken sich die Leute nichts dabei, wie der Fahrer. Es ihm zu sagen und vor Augen führen reicht, das es bei ihm Klick macht.
piri ulbrich sagt:
Es ist nicht die einzelne Begebenheit – die Masse macht´s. Dazu kommt, dass Carsten noch weniger isst als so schon, ich alle Rippen zählen kann und der Kerle kognitiv abbaut. Dazu habe ich eitrige Angina, meine Lunge pfeift, mein Reizdarm bläht – dazu habe ich diffuse Ängste, watteweiche Beine. Kriege kein Gespräch mit der Helferin, weil sie abblockt. Ihre Probleme kann ich verstehen – nur ihr Schweigen, ihr nicht reden wollen, mich nicht informieren, mit am ausgestreckten Arm übern Abgrund zappeln lassen – ich fühle mich hilflos.
Das Problem ist komplex. Ich möchte reden und verstehen, meine Partnerin in Sachen Hilfe rückt nur scheibchenweise Informationen raus. Dass sie nicht kommt, kann ich in Anbetracht ihrer schwierigen Lage verstehen und dass sie trotzdem Geld bekommt, ist für mich selbstverständlich. Aber quittieren sollte sie das – sonst werden mir die Mittel gestrichen.
Ich finde doch keine anderen Helfer und ich mag sie viel zu gerne – ich will sie nicht verlieren.
mijonisreise sagt:
Es täte dir gut, jetzt erstmal drei Schritte zurück zu machen. Die Masse dessen, was dich gerade bewegt, wirst du nicht heute, morgen und auf einmal gelöst bekommen.
Was die Helferin angeht. Weiß sie, das die Gelder gestrichen werden? Wenn nicht, sage ihr das so und auch, das sie damit ja auch ihr Geld verliert. Den Rest, lass sacken, auch wenn es schwer fällt. Da scheint dich sich bedrängt zu fühlen.
Die Gesundheit deines Sohnes. Nun, das würde mich auch aufrühren. Ist nur die Frage, hat er solche Phasen öfters, das er schlecht isst?
Und du solltest dich auch etwas pflegen …
Es wird sich schon finden …
piri ulbrich sagt:
Hab deinen Kommentar aus dem Spam-Ordner gefischt!
Carsten isst seit Geburt schlecht – das Essensthema ist unser roter Faden! Die Helferin weiß, dass die Gelder weg sind und ich werde verstärkt nach anderen Kräften suchen. Nur, das Problem ist, dass es keine gibt!