Draußen und drinnen – in mir. Draußen hagelt es sehr real. Es ist ungemütlich. Drinnen hagelt es wohlmeinende Worte. Per Mail, durchs Telefon und immer haben sie einen anklagenden Tonfall.
Es hagelt auf mich ein. Wohlmeinende Worte erreichen mich. Wollen mich erreichen. Unter dem Deckmantel, es ja nur gut mit mir zu meinen. Ob sie mich erreichen, wenn sie in einem vorwurfsvollen Ton reden? Ich habe dir doch schon vor Jahren von diesem Arzt erzählt! Warum bist du denn dann nach Leipzig gegangen? Hast du erwartet, dass deine Kinder dort geheilt werden? Das Geld hättest du dir sparen können. M. geht auch schon sehr lange in dies Zentrum und sie ist sehr zufrieden. Solche Sätze könnte ich endlos weiterführen. Woher diese Mutter wusste, dass wir in der Humangenetik in Leipzig waren, kann ich nur ahnen. Vermutlich liest sie hier mit. Wahrscheinlicher ist, dass ein ehemaliger Klassenkamerad ihr das brühwarm erzählt hat. Wieder einmal sind nur Halbwahrheiten weitergegeben worden. Wieder einmal wissen Menschen, die keine Ärzte oder Wissenschaftler sind, mehr. Wieder einmal wurde nicht mit mir darüber gesprochen und meine Beweggründe, warum wir als Familie nach Leipzig gefahren sind, wurden als Wunsch nach Heilung ausgelegt.
Dass ich und auch besonders Carsten, dass wir endlich einmal wissen wollen, wo die Junioren hingehören, zugehörig sind, welche Art des Syndroms sie haben, können so manche Leute nicht verstehen. Natürlich ändert es nichts an unserer Situation – diese bleibt die gleiche. Eine plötzliche Heilung, ein Wunder geschieht nicht. Und das will ich auch gar nicht. Ich möchte nur mit meinen Junioren irgendwo dazugehören – nicht nur mittendrin stehen, auch dabei sein. Ein bisschen habe ich Angst, Angst vor dem Treffen kleinwüchsiger Menschen. Wir sind lange nicht hingegangen. Es ist harte Arbeit für mich. Aber noch mehr, als die Pflege, scheue ich das Miteinander. Carsten und Wiebke sind die einzigen Kleinwüchsigen, die zusätzlich eine geistige Behinderung haben. Und auch unter Behinderten gibt es Hierarchien: Mit Blödies spricht man nicht! Carsten tut das weh – und mir auch. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass Carsten und Wiebke zu Aktivitäten nicht mitgenommen werden, weil sie keiner schieben kann und auch nicht will. Die Junioren bleiben bei mir! Und ich kann mich auf die Gespräche, die ich führen möchte nicht voll und ganz einlassen, weil ich immer im Augenwinkel meine Kinder beobachte. Ergo – ich werde niemanden gerecht! Meinen Gesprächspartnern nicht, weil sie nicht meine volle Konzentration haben, meinen Kindern nicht, weil ich sie sich allein überlassen habe und mir auch nicht, weil ich ein schlechtes Gewissen beiden Parteien gegenüber habe. Wir fahren nach Papenheim!
Noch einmal zu den wohlmeinenden Anrufen und Mails. Es ist alles lieb gemeint und mindestens eine Ratsschlaggeberin wollte mir mit ihren Tipps Enttäuschungen ersparen. Nur ist das Syndrombild ihres Kindes ein völlig anderes! Birnen mit Äpfel zu vergleichen macht keinen Sinn, auch wenn beides Obst ist. Ich kann ja noch nicht einmal Wiebke mit Carsten vergleichen und sie haben die gleiche Behinderung.
Inzwischen hagelt es zumindest draußen nicht mehr …
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14. April 2019 09:22 —
Fühl dich gedrückt.
14. April 2019 09:26 —
Weswegen? Tut mir leid, das verstehe ich nicht! Mir geht’s doch nicht schlechter oder besser damit – es ist einfach so. Aber die Umarmung nehme ich gerne – Dankeschön!
14. April 2019 09:28 —
Eine Umarmung gibt es doch nicht nur, weil es einem schlecht geht.
Meine war als Ausdruck des Verständnisses gemeint
Und manchmal vergesse ich einfach das zu erwähnen, tut mir leid …
14. April 2019 12:14 —
Entschuldige bitte – mir wächst mal wieder der Wehdam über den Kopf, da teile ich gerne aus.
14. April 2019 12:23 —
Ist okay, mach dir keine Gedanken
Ich versteh das, passiert mir auch, wenn mal wieder alles viel zu viel ist.
Schönen Sonntag euch
14. April 2019 13:10 —
Bei euch hat es hagelt, bei uns hat es gestern früh geschneit.
Ich finde meine Mitmenschen zur Zeit auch oft anstrengend.
14. April 2019 15:43 —
Das Bild ist total interessant und ich wollte gerade schreiben das Bild ist toll womit und wo drauf hast du das gemalt/gezeichnet ist das auf Folie mir gefällt das sehr gut
Meine Befürchtung war, Du bist sauer, wenn ich zu allem anderen nicht viel schreibe weil mich das Bild so sehr fasziniert.
Wann fahrt ihr denn nach Pappenheim?
Übrigens ich finde das sehr gut, dass du das mit Leipzig unternommen hast. Mir wäre das auch sehr wichtig wenn es um mein Kind ginge.
Und was die anderen zu diesem Thema sagen sollte Dir am A… vorbeigehen
14. April 2019 15:46 —
Das Bild ist nicht auf Folie. Auf Postkartenkarton mit Temperafarben gemalt. Das Gold ist echtes Gold und ich habe eine ganze Serie gemalt!
Nach Papenheim fahren wir Anfang Mai und sauer? – ach, sauer bin ich doch irgendwie immer! ;)
14. April 2019 15:53 —
Zeig uns doch die anderen Bilder der Serie auch noch – mich würde es freuen
14. April 2019 18:40 —
habe deinen text mit interesse gelesen.
mir tut es einfach so leid für euch, dass es keine gruppe gibt mit leuten, die dieselbe behinderung haben wie deine junioren. wieviel leichter und besser wäre das. aber leider …
das goldäpfelchen ist toll heart , zeigst du uns die ganze serie?
ich sehe vor meinem geistigen auge das äpfelchen in einem einfärbig buntem rahmen an einer wand aufgehängt.
liebe grüße!
16. April 2019 16:57 —
Hallo Piri, ich bin ja erst seit kurzem hier unterwegs, und so habe ich erstmals Zeichnungen von dir gesehen, vorhin die „Auflösung des Kreuzes“ und eben diesen „Apfel“. Beurteilen möchte ich sie eigentlich nicht, sondern einmal auf mich wirken lassen. Deine Lebenssituation möchte ich auch nicht beurteilen, sondern, soweit ich sie inzwischen überblicke, auch nur auf mich wirken lassen. Versuchen zu verstehen. Herzliche Grüße Gerda
16. April 2019 20:38 —
Es muss niemand etwas beurteilen! Ich erwarte das nicht. Jeder Mensch lebt sowieso in seinem eigenen Universum, manchmal überschneiden sich diese – aber jedes und jeder hat seine Berechtigung.
16. April 2019 21:02 —
Dann ist es ja gut.
16. April 2019 21:19 —
Aber eine Frage habe ich dennoch an dich, Gerda: Was willst du verstehen? In wieweit möchtest du was verstehen – meine Kunst oder meine Lebenssituation? Denn, ganz im ernst, ich verstehe beides selber nicht!