von Scham, Dreck und nicht putzen können

Innere kleine Kampfansage! Und dranbleiben, auch wenn ich immer mal wieder scheitere. Das alles ist nicht einfach.

Schon eine ganze Weile schleiche ich um diesen Beitrag herum – ich könnte ja den Staubsauger nehmen und endlich mal das Staubwolkengebilde in meinem Schlafzimmer beseitigen. Ich habe es versucht! So schwer ist das doch nicht, werdet ihr denken – doch, denn woanders, auf dem sogenannten Markplatz, sprich, im eigentlichen Wohnbereich ist auch KlarSchiff zu machen und das geht vor. 

Scham ist dabei. Was denken die wenigen Menschen, die zu uns kommen? Vordergründig ist aufgeräumt, alles hat seinen Platz und ästhetisch sieht es auch gut aus. Meinen Ansprüchen genügt es dennoch nicht. Ich sehe den Staub unter der Heizung und mache die Schubladen auf, entdecke dort das Kuddelmuddel und sehe mich! Äußerlich tipptopp und innen drin ein unsortierter Haufen Angst. 

In der Tagesklinik, so denke ich, sehen sie mich nicht als ganzen Menschen, sehen nur die vermeintliche Depression und Angst, sehen nicht – können es vielleicht auch nicht, weil sie gar nicht daran dachten, dass ich im Autismus-Spektrum sein könnte – meinen Wunsch nach endlich einer Diagnose zu eben diesem Spektrum zugehörig zu sein. Natürlich ist die Zukunftsangst riesig und ich fühle mich dort (bedingt) wohl, aber was ist, wenn ich nach der Zeit wieder in den normalen Alltag rutsche und nichts hat sich an den Rahmenbedingungen geändert? 

Da hilft mir ab Mittwoch vielleicht eine Haushaltshilfe das äußerliche Chaos zu ordnen. Aber will ich wirklich, dass eine wildfremde Frau in meinen intimsten Räumen putzt? Was sieht sie, was sie nicht sehen soll? Was denkt sie von mir? Andere Menschen stören mich im privaten Raum. Es macht mir Stress. Kann ich das aushalten? Ein großer Konflikt und ich weiß keine Lösung, außer, dass ich mich einlassen muss!

Kategorien: Behinderung, Gedanken

9 Kommentare

  1. :heart: – Ein:
    Ich nehme Dich wahr. Habe Dich gelesen und Dich gespürt.
    Du bist nicht allein mit den Gedanken und Gefühlen.

  2. Moin liebe piri!

    Dazu hatte ich vor gefühlt tausend Jahren ein Gedicht verfasst.

    Scham
    (sie weiß, dass ich da bin)

    Scham
    ist keine Wand.
    Sie lehnt nur kurz
    an mir.

    Sie sagt nichts –
    aber meine Ohren
    hören sie.
    Wie Wasser.

    Sie riecht
    nach mir.
    Nach mir
    ohne Decke.

    Manchmal denke ich,
    sie schützt mich.
    Vor zu viel
    Ich.

    Aber dann
    fließt sie weiter.
    Durch mich durch.

    Und weiß,
    ich bin
    noch da

    © Anne Seltmann

    Liebe Grüße zu dir
    Anne

    • Liebe Anne, meine Scham ist anders. So wie andere Menschen andere Scham haben. Die momentane bei mir ist angstbeladen.

      Danke für deine Gedichte in meiner Kommentarfunktion, ich weiß sie sehr zu schätzen.

  3. Erst einmal „Danke‘, dass du das geteilt hast. Auch wenn ich mein Danke wiederhole. Du bist nicht selbstverständlich.
    Es hat Tiefe, es hat Weichheit, und es ist voller Kraft – auch wenn du sie gerade vielleicht nicht so fühlst.
    Eine Tasse Kaffee?

  4. Du zeigst so ehrlich, wie schwer es ist, wenn das äußere Chaos nur die Spitze des inneren Durcheinanders ist. Die Scham, der Anspruch an dich selbst, das Gefühl, nicht gesehen zu werden – so nachvollziehbar.
    Du ringst um Ordnung, nicht nur im Raum, sondern im Leben. Und dabei ist der Wunsch nach einer Diagnose nicht Schwäche, sondern ein Schritt hin zu Klarheit und Selbstverständnis.
    Dass eine fremde Person in deinen privaten Raum kommt, ist ein großer Schritt. Deine Sorge, was sie sehen könnte, zeigt, wie viel Verletzlichkeit darin steckt. Vielleicht musst du dich nicht ganz sicher fühlen, um mutig zu sein. Es reicht, dass du dich einlässt.

    • Ehrlichkeit ist meine größte Schwäche und eine Stärke. Sie belastet mich. Aber ich habe auch schon oft genug gesagt, dass ich nie aufgebe – auch jetzt nicht. Es tut verdammt weh. Wenn es nur um mich ginge, hätte ich eventuell schon aufgesteckt. Meine Junioren sind mir das Liebste auf der Welt und ich möchte, dass es ihnen gut geht. Dazu muss es mir besser gehen und ich muss mich auf Sachen einlassen, die eventuell peinlich werden.

      …. Und was noch ist: Ich muss mich von Dingen und (auch) Menschen trennen, um Neues zu erfahren!

  5. Liebe piri, mir wäre auch sehr unwohl bei dem Gedanken, dass jemand anderer als ich in meine privatesten Schmuddelecken schaut. In meiner Wohnwabe gibt es sie – in meinem Inneren genau so. Die Scham ist ein dunkles, großes und extrem bissiges Biest, weil sie aus Angst entsteht, aus der Angst, von anderen für menschliche Schwächen oder vermeintliche Nachlässigkeit verurteilt zu werden. Die Zeit, die Du mit Nichtputzen verbringst, ist Zeit, die Du anderweitig benötigst. Eingerechnet die wenige Dir bleibende Zeit, die Du für Dich und Deine Bedürfnisse benötigst.
    Doch ich weiß wie es sich anfühlt, sich das immer wieder zu sagen und es für sich selbst genau so zu meinen, denn das klappt nicht immer.
    Für mich war Tagesklinik der Aufbruch in eine Kursänderung meines bisherigen Fühlens und Denkens. Es war eine sehr anstrengende Zeit und wie Du fühlte ich mich anfangs unverstanden, ungesehen von den Therapeuten. Es wurde dann allerdings besser, je länger ich die Leute kannte, wuchs mein Vertrauen in ihre Befähigung, mir helfen zu wollen und zu können.
    Liebe Grüße von Amélie

    • Dass sie mir helfen wollen, steht außer Frage. Welchen Ansatz sie haben, weiß ich nicht und das macht mich unruhig und ob sie mir in der Zeit helfen oder auch für später – nach der Tagesklinik!

  6. Out Off Alles: Die Zeichnung ist lustig und schön!

    Solch kluge Kommentare, wie meine Vorschreiberinnen, kann ich nicht in Worte fassen. Ich bin hilflos und lese oft nur still mit.

Schreibe einen Kommentar zu M. - K. Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

:bye: 
:good: 
:negative: 
:scratch: 
:wacko: 
:heart: 
:rose: 
:-) 
:whistle: 
:yes: 
:cry: 
:mail:   
:-(     
:unsure:  
;-)  
 

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Copyright © 2025 voller worte

Theme von Anders Norén↑ ↑

Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.