Behinderung

behindert – noch mal

Schon komisch, wie manche Menschen das Wort behindert vermeiden. Aus Scheu, etwas Falsches zu sagen. Der Gefäßchirurg, ich muss noch mal nachgucken, schreibt in seinem Arztbrief über das Töchting: „Auf Grund ihrer Grunderkrankung …“ Nein, Wiebke hat keine Grunderkrankung. Meine Tochter ist behindert! Okay, sie ist anders und hat zudem diese dicken Beine. Sie hat keine Behinderung. Sie hat einen Rollstuhl. Sie trägt eine Brille. Sie braucht eine Menge Hilfe. Aber wenn es weniger Treppen gäbe … Ja, dann wäre sie immer noch behindert, weil sie zu der körperlichen Beeinträchtigung auch noch eine kognitive hat. 

Erst letztens habe ich mich selbst als behindert bezeichnet und die anderen wollten mich beruhigen, dass ich doch nicht behindert sei. Da habe ich gesagt, dass ich sehr wohl im Alltag durch meine Störungen behindert bin, auch wenn es unsichtbar ist! Die Menschen waren einigermaßen entsetzt, dass das eine Selbstbezeichnung sein kann. Auch dass es unsichtbare Behinderungen gibt, die behindern, musste ihnen erst ins Bewusstsein gebracht werden.

Veröffentlicht von piri

Ich bin ganz schön viel und ganz schön wenig, ich bin Mutter, Hausfrau und Dichterin in allen Lebenslagen. Im Autismus-Spektrum bin ich obendrein. In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ❤️ | ✨ Likes✨ sind okay, Kommentare sind herzlicher willkommen.

6 Gedanken zu „behindert – noch mal“

  1. Heidi-Trollspecht sagt:

    Sehe ich auch so Piri. Allerdings wird der Begriff „behindert“ manchmal auch als Schimpfwort verwendet. „Bist du behindert oder was“. Das geht natürlich gar nicht.
    Liebe Grüße von Heidi

  2. B. sagt:

    In der englischen Sprache wird der Begriff alle paar Jahre verändert, weil er nach einiger Zeit belastet ist. Gerade wenn man respektvoll sein will, umgeht so mancher den Begriff lieber.

  3. Anne Seltmann sagt:

    Moin liebe piri!

    Ich sehe das so: Der Kern des Problems ist, dass „behindert“ früher als neutraler Fachbegriff in Medizin und Recht genutzt wurde, aber lange schon oft als Schimpfwort gebraucht wird. Wenn jemand „behindert“ sagt, um eine Person zu beschreiben, kann das den Eindruck erwecken, dass die Person nur über ihre Einschränkung definiert wird oder dass die Einschränkung negativ bewertet wird.
    Daher wird in der modernen, respektvollen Sprache oft empfohlen, entweder „Menschen mit Behinderung“ zu sagen (personenorientierte Formulierung) oder den genauen Kontext zu nennen: „Menschen mit einer Sehbehinderung“, „Menschen mit Mobilitätseinschränkung“ usw. Das stellt die Person in den Vordergrund und nicht die Einschränkung.

    Liebe Grüße

    Anne

  4. Izzy sagt:

    Liebe Piri, ich finde es stark, dass du sowohl für deine Tochter als auch für dich selbst dieses Wort selbstbewusst verwendest. Gerade die Unsichtbarkeit mancher Einschränkungen macht es so schwer, Verständnis zu finden. Genau darin liegt die Kraft: Sprache nicht weichzuspülen, sondern ehrlich zu benennen, was ist.

  5. anneeulia sagt:

    Meiner Meinung nach ist jeder Mensch irgendwie und irgendwann, irgendwo auf seine Art und Weise behindert und keiner sieht es.
    Bei manchen sieht man es und es heißt Behinderung.
    Meine behinderte Freundin kinnte in Ihrem Leben oft so viel mehr als ich in meinem Leben, selbst wenn Sie einseitig gelähmt ist oder gerade im Pflegerolli sitzt und im Gegensatz zu mir hat Sie ihre Kinderpflegerinnen-Ausbilding abgeschlossen und nicht abgebrochen so wie ich.
    Also hier bin ich die viel behinderte,
    obwohl ich für alle als gesund gelte.

    1. piri sagt:

      Dass jeder Mensch behindert ist, habe ich mit diesem Beitrag nicht sagen wollen. Das relativiert und schmälert Menschen, die wirklich Nachteile haben. Niemand hat gesagt, dass die Welt gerecht ist – noch nicht einmal Gott!

Schreibe einen Kommentar zu Anne Seltmann

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.