Schon komisch, wie manche Menschen das Wort behindert vermeiden. Aus Scheu, etwas Falsches zu sagen. Der Gefäßchirurg, ich muss noch mal nachgucken, schreibt in seinem Arztbrief über das Töchting: „Auf Grund ihrer Grunderkrankung …“ Nein, Wiebke hat keine Grunderkrankung. Meine Tochter ist behindert! Okay, sie ist anders und hat zudem diese dicken Beine. Sie hat keine Behinderung. Sie hat einen Rollstuhl. Sie trägt eine Brille. Sie braucht eine Menge Hilfe. Aber wenn es weniger Treppen gäbe … Ja, dann wäre sie immer noch behindert, weil sie zu der körperlichen Beeinträchtigung auch noch eine kognitive hat.
Erst letztens habe ich mich selbst als behindert bezeichnet und die anderen wollten mich beruhigen, dass ich doch nicht behindert sei. Da habe ich gesagt, dass ich sehr wohl im Alltag durch meine Störungen behindert bin, auch wenn es unsichtbar ist! Die Menschen waren einigermaßen entsetzt, dass das eine Selbstbezeichnung sein kann. Auch dass es unsichtbare Behinderungen gibt, die behindern, musste ihnen erst ins Bewusstsein gebracht werden.
29. September 2025 18:45 — 18:45
Sehe ich auch so Piri. Allerdings wird der Begriff „behindert“ manchmal auch als Schimpfwort verwendet. „Bist du behindert oder was“. Das geht natürlich gar nicht.
Liebe Grüße von Heidi
29. September 2025 20:08 — 20:08
In der englischen Sprache wird der Begriff alle paar Jahre verändert, weil er nach einiger Zeit belastet ist. Gerade wenn man respektvoll sein will, umgeht so mancher den Begriff lieber.
30. September 2025 6:32 — 06:32
Moin liebe piri!
Ich sehe das so: Der Kern des Problems ist, dass „behindert“ früher als neutraler Fachbegriff in Medizin und Recht genutzt wurde, aber lange schon oft als Schimpfwort gebraucht wird. Wenn jemand „behindert“ sagt, um eine Person zu beschreiben, kann das den Eindruck erwecken, dass die Person nur über ihre Einschränkung definiert wird oder dass die Einschränkung negativ bewertet wird.
Daher wird in der modernen, respektvollen Sprache oft empfohlen, entweder „Menschen mit Behinderung“ zu sagen (personenorientierte Formulierung) oder den genauen Kontext zu nennen: „Menschen mit einer Sehbehinderung“, „Menschen mit Mobilitätseinschränkung“ usw. Das stellt die Person in den Vordergrund und nicht die Einschränkung.
Liebe Grüße
Anne
30. September 2025 12:58 — 12:58
Liebe Piri, ich finde es stark, dass du sowohl für deine Tochter als auch für dich selbst dieses Wort selbstbewusst verwendest. Gerade die Unsichtbarkeit mancher Einschränkungen macht es so schwer, Verständnis zu finden. Genau darin liegt die Kraft: Sprache nicht weichzuspülen, sondern ehrlich zu benennen, was ist.
30. September 2025 15:17 — 15:17
Dass jeder Mensch behindert ist, habe ich mit diesem Beitrag nicht sagen wollen. Das relativiert und schmälert Menschen, die wirklich Nachteile haben. Niemand hat gesagt, dass die Welt gerecht ist – noch nicht einmal Gott!
1. Oktober 2025 6:04 — 06:04
Ich lasse jetzt deinen Kommentar einfach mal so stehen. Einverstanden bin ich nicht, aber ich habe nicht die Kapazitäten frei einzeln darauf einzugehen. Nur eins, behinderte Menschen haben keinen Freibrief!
8. Oktober 2025 12:27 — 12:27
Ich sehe und bezeichne mich als dysfunktional. ‚behindert‘ ist zwar technisch gesehen korrekt, hat aber einen sehr negativen Beigeschmack. Ich bin in den 90ern aufgewachsen. Da war ‚behindert‘ das Schimpfwort der ersten Wahl. Ich benutze es durchaus auch mal, um eine faktisch behinderte Situation oder Person auch als solche zu benennen. Für mich selber benutze ich stets den Begriff dysfunktional. Für mich passt er, weil ich schon alleine aufgrund meines Autismus in gewisser Weise wirklich dysfunktional bin und sich das in meinem Alltag auch sehr oft deutlich äussert. Hinzu kommt meine komplexe Traumafolgestörung, die mich in anderer Weise ebenfalls dysfunktional hat werden lassen.