Gedanken, Kuddelmuddel

Vermissen

Ganz eigenartige Eigenschaften hat das Vermissen. Wenn ein Mensch uns fehlt, ein ganz bestimmter, vermag das Vermissen sich auszubreiten wie eine Welle – eine große Welle, schwer, dunkelblau mit weißer Schaumkrone – die zahlreiche andere Menschen erfasst und uns auch sie vermissend macht, obwohl das Vermissen nur die eine Person gemeint hat – eigentlich.

Aber uneigentlich heißt Vermissen, etwas spüren können, was eigentlich gar nicht zu spüren ist. Es spüren und zugleich fühlen, dass es fehlt und Schmerz darüber empfinden, ein Schmerz, der Vermissen heißt.

Vermissen hat viele Schlüssel – goldene mit Schnörkel, die zu einer großen Truhe passen und klitzekleine alte abgeschabte für ein Tagebuch – und es schleicht sich zuweilen in unsere Herzen, wenn es noch gar nicht Zeit dafür ist.

Dann ist der geliebte Mensch, den wir vermissen werden – später – noch an unserer Seite, der Abschied noch Stunden entfernt, in unserer Brust knospt aber schon die Traurigkeit, als läge das Leben wohl viele Tage zurück.
Vermissen hat den Geruch eines Mittwochnachmittaglichts und die Farbe vom Abendhimmel, wenn die Engelchen Weihnachtsbrot backen und in manchen Momenten das schillernde spiegeln von Seifenblasen im Spätsommerlicht.

Vermissen lehrt uns, verletzt zu sein.

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Eigentlich wollte ich ein weiteres gesprochenes Gedicht bloggen. Aber dann kam mir dieser Text dazwischen…

Veröffentlicht von piri

In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. | Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.

7 Gedanken zu „Vermissen“

  1. gedankenmusik sagt:

    Liebe piri,
    ein wunderschöner Text, der einen nachdenklich macht, einen mitnimmt mit einem Gefühl, dass jeder kennt. Das Schlimme ist, wir alle kennen es, fühlen es und doch kann man es nicht verhindern. Wir können nur immer wieder aus Neue versuchen, damit umzugehen, dass es uns nicht zu sehr vom Leben abhält. Auch dieses Gefühl gehört zu uns wie die Liebe. Wenn wir vermissen, dann ist der Mensch nicht mehr da und doch bleibt die Erinnerung, die wir wie eine Kostbarkeit hüten dürfen.
    Vielen Dank, dass du mir mit deinem Text Erinnerungen an die meinen vermissten Menschen geweckt hast!
    Ich wünsche dir einen wundervollen Start in die Alltagswoche.
    Liebe Grüße
    Heike

    1. piri sagt:

      ❤️

  2. Samy Bee sagt:

    Was für ein schöner Text, der mich berührt. Danke

    1. piri sagt:

      Danke, diese deine Worte tun mir gut!

  3. Mona Lisa sagt:

    Vermissen kann einen auch dankbar sein / werden lassen für das, was war, was dieser Mensch für einen war. Doch das kann dauern und immer ist da noch ein Rest von Bedauern, dass es ihn nicht mehr oder nur noch in Erinnerung gibt.
    Liebe Grüße

    1. piri sagt:

      Vermissen heißt auf jeden Fall auch erinnern!

  4. karfunkelfee sagt:

    Ein sehr schöner Text. Als eine Verletzung nehme ich ein Vermissen allerdings nicht immer wahr. Nicht, wenn es erwidert wird oder werden kann vom Vermissten. Ein beidseitiges Vermissen kann ein Süsswassermeer voll Liebe sein, erinnerte Dankbarkeit an Gemeinsamzeit. Vorfreude auf ein mögliches Wiedersehen. So viele Facetten eines Gefühls.
    Du hast wunderschöne Bilder für Vermissen gefunden.
    Liebe Grüße zu dir von Amélie

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