Fragen, Gedanken

sei doch mal ein bisschen dankbarer

Wem soll ich dankbar sein? O weia, schon wieder! Schon wieder so ein indirekter Vorwurf. Was ist Dankbarkeit? Für was soll ich dankbar sein? Dass ich in Deutschland lebe, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und zu trinken habe? Bin ich doch! Aber, im Grunde genommen nehme ich das als Selbstverständlichkeit. Ich wache morgens im Bett auf – heute zum Glück wieder ohne quälenden Husten. Ich kann mir selbst Kaffee machen. Ja, je länger ich darüber nachdenke, darüber bin ich dankbar. Auch wenn‘s mich manchmal nervt und ich gerne hätte, dass mir jemand eine volle Tasse Kaffee ans Bett bringt. Meinen Junioren bringe ich das Trinken ans Bett. Aber würden sie nicht viel lieber selbst an den Kühlschrank gehen oder die Kaffeemaschine anschmeißen?

Dankbar kann ich auch sein, dass der Kerle sich so schnell erholt hat, dass das Töchting nur ein bisschen hustet – möglicherweise nur Solidaritätshusten? Dankbar bin ich auch, dass wir gestern eine Suppe gebracht bekommen haben. Die Suppe war zwar mehr Brei, aber die Absicht zählt doch. Noch was; unser Hausarzt ist ein Freund der Junioren und respektiert sie, wie sie sind. Dankbar bin ich inzwischen auch, dass ich über einige Macken meiner Mitmenschen gnädig hinwegsehen kann. Sie nerven mich zwar immer noch, aber ich lass es nicht mehr raushängen – sollten mir diese Menschen dafür auch dankbar sein? Ich weiß es nicht, ich verlange es nicht. Das jedenfalls nicht. Was ich erhoffe ist, dass wir uns gegenseitig wertschätzen. Den Wert eines einzelnen Menschen sehen…

Jetzt bin ich vom eigentlichen Thema abgekommen, oder doch nicht? Dankbarkeit ist aus der Mode gekommen. Wir wollen alles haben: Gesundheit, ein gutes Leben, Geld, Güter, Urlaub, und wir nehmen es als Gegeben hin. Ist doch selbstverständlich, steht uns doch zu. Ich könnt nun fragen, wofür ihr dankbar seid – verratet ihr es mir?

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨

14 Gedanken zu „sei doch mal ein bisschen dankbarer“

  1. karfunkelfee sagt:

    Ich bin für so vieles dankbar… Für meine Familie, für meine Nah/ und Fernfreundinnen und -freunde. Wir sind füreinander da. Auch dafür, wenn ich gut mit meinem Wenigen auskomme. Für den vielen Sommerregen, der dem Wald und den trockenen Böden so gut getan hat. Für den Sommernachschlag, die Wärme, die viele Septembersonne. Dafür, dass es Menschen gibt, die mich mögen wie ich bin, die nach mir fragen. Für meine beiden Kinder, die ich sehr liebe. Dafür, dass es endlich meinem rechten Hatschefuss dank viel Barfußlaufen wieder besser geht. Dafür, dass ich bis auf einige Beulen, Schrammen und Dellen im Lack körperlich noch mit mir zufrieden sein kann.
    Und dafür, dass es Euch schon wieder viel besser geht.
    Liebe Grüße
    Amélie

    1. piri sagt:

      Das liest sich schön! Herzlichen Dank für deine Kommentare – dafür bin ich nämlich auch dankbar! Und du bist süß (darf ich das überhaupt sagen?), weil du auch sehr an uns gedacht hast!

  2. Werner Kastens sagt:

    Bei „sei doch ein wenig dankbar“ – ich kenne das auch nur zu gut vonseiten der Eltern als Kind – frage ich mich immer: WEM soll ich denn überhaupt dankbar sein? Den Eltern, weil sie mich gewollt oder nicht gewollt in die Welt gesetzt haben? All denen, die mir Grenzen gesetzt haben und es „gut mit mir“ gemeint haben?

    1. piri sagt:

      Und? Wem bist du dankbar? Oder wofür? Sagst du es mir?

  3. Violine sagt:

    Ich bin einfach dankbar für all das Gute, das ich habe, denn selbstverständlich ist das nicht.
    Das geht bei mir zurück auf den familiären Verhau. Seit einigen Jahren habe ich zwar meine Ruhe (ein wunderbarer Friede ist das, ganz lange ersehnt), aber vorher: Da mag man gar nicht reden! Was ein Sumpf, aus dem ich einfach nur rauswollte und man mich nicht rauslassen wollte. Ich war so froh, meine Haut gerettet zu haben, dass mir alles andere sonst als Dreingabe erschien.
    Ich bin z.B. froh, wenn ich mit Leuten zu tun habe, die gut Feedback geben können. Nicht einmal das bewusste Feedback, sondern auch einfach das, was man unwillkürlich gibt. Wenn das etwas konstruktives ist: Herrlich! Aber es hat nicht jeder die Mitte, nicht jeder ist seinen Mitmenschen zugetan, nicht jeder ist konstruktiv (woher das auch immer rührt).

    1. piri sagt:

      Überhaupt Menschen zu haben, die einem wohlgesonnen sind, ist gut. Sie müssen ja nicht immer derselben Meinung sein.

  4. M. - K. sagt:

    Ich bin dankbar, daß ich Liebe spüren darf!
    Das war viele Jahre als Kind nicht so.
    Dankbar bin ich, dass ich die Schönheiten der Natur wahrnehmen kann. Für meine tolle Arztpraxis. Dass es Menschen gibt, die mich mögen und denen ich wichtig bin – wie umgekehrt genauso! Dankbar bin ich allerdings auch dafür, dass ich kritisch bin und mich nicht einfach nur anpasse, weil es bequem ist. Dafür, dass ich zu mir stehe und mich auch von Menschen trennen kann, wenn die gemeinsame Zeit vorbei ist, ohne Groll zu hegen für die Zeit, die wir gemeinsam hatten.
    Sonnige Grüße und dass die Heilung immer näher kommt – ich habe in Gedanken Euch Besserung gewünscht, denke an Dich und Euch.

    1. piri sagt:

      Die Liebe, etwas ganz wichtiges – sie zu geben und auch zu nehmen! Kritische Menschen sind mir wertvoller, als ewige Ja-Sager!
      Uns gehts viel besser.

  5. C Stern sagt:

    Dankbarkeit – ein Thema, das mich sehr beschäftigt – und Du greifst es sehr differenzierend auf, danke dafür! Wertschätzung erwähnst Du auch, ja, es wäre ein einziger Traum, könnte jeder jeden wertschätzen …

    Sollen wir Menschen zur Dankbarkeit auffordern? – Ich mochte das nie, wenn sich beispielsweise Kinder bei mir für etwas bedanken mussten. Ich versuche, diese Haltung zu leben, aber ich glaube, ein dankbares Herz wächst ohnehin aus Freude über Gutes und Schönes. Und dann bahnt sich das wahre Dankbarsein auch Worte – und zwar freiwillig, ohne „Muss“ und „Soll“.
    Ich bin dankbar, dass ich wieder etwas aktiver auf Menschen (und ihre Gedanken) zugehen kann, das war mir jetzt über längere Zeit nicht mehr möglich. Zuviel, was mich aus ganz unterschiedlichen Gründen gefordert und belastet hat. Ich bin dankbar, wieder mit mehr Zuversicht unterwegs zu sein, dankbar, dass ein ambulanter Krankenhausaufenthalt Entwarnung gebracht hat.
    Ich bin dankbar für Menschen, vor denen ich mich nicht rechtfertigen muss, zu sein, wie ich bin oder mich noch weiterentwicklen werde. Bin dankbar für Menschen, die mir Entwicklungen wünschen und nicht Stillstand – von ihrer freundlichen, liebevollen und anregenden Gesellschaft fühle ich mich auch getragen.
    Bin dankbar, in einem wunderschönen Land leben zu dürfen, das Schicksal hat es gut mit mir gemeint – und selbstverständlich ist das nicht! Bin dankbar für meine schönen, mich schützenden vier Wände, auch nicht selbstverständlich, wo ich doch schon große existenzielle Sorgen erlebt habe. Bin dankbar für die wundervolle, heile Natur, die mich umgibt. (Auch in Österreich haben wir erleben müssen, was es heißt, wenn zerstörerische Kräfte in ein paar Minuten alles vernichten, was einem lieb und teuer war.)
    Dankbar bin ich auch für meinen liebevollen Partner, der mich schon treu durch so einige Stürme begleitet hat. Dankbar für meine funktionierenden fünf Sinne und auch für alle weiteren, selbst, wenn es immer noch viele Menschen gibt, die nichts mit hochsensitiven Menschen anzufangen wissen.
    Dankbar bin ich für meinen kritischen Geist (ich sehe das wie M.-K.!), ich möchte mich nicht einfach nur anpassen, weil es so gefordert wird und bis zu einem gewissen Grad auch bequem ist.
    Bin sehr dankbar, gesund zu sein!
    Lange konnte ich meinen Eltern nicht dankbar sein, doch es gibt auch hier so einiges, wofür ich gerne dankbar bin. Ich habe es nur lange nicht zulassen können – aber Heilung in Herz und Seele ist auch etwas, wofür ich dankbar bin.
    Bin dankbar für die Werke von Künstler*innen, die mich musikalisch, literarisch oder durch ihre Bilder begeistern.

    Sehr erfreulich, dass es Euch wieder besser geht! Ich habe gestern abends bei Dir noch gelesen und gehofft, dass es wieder gut bergaufgeht!

    Bestimmt, liebe piri, fällt mir noch so einiges ein, wenn ich meine Zeilen schon abgeschickt habe.
    Herzliche Grüße, C Stern

    1. piri sagt:

      Deinen langen Kommentar kann ich gar nicht gut beantworten. Ich freu mich einfach wieder von dir zu lesen und sage von Herzen Dankeschön!

  6. whatsername?! sagt:

    Hallo und guten Morgen! Ich kenne dich nur von deinen Beiträgen und maße mir nicht an ein umfassendes Urteil zu bilden. Aber für mich liest es sich so, dass du ein herzensguter und aufopferungsvoller Mensch bist, den ich bewundere für das was er tagtäglich leistet! Ich wünsche dir, dass du auch Zeit für dich und deine Bedürfnisse findest (ich weiß, leichter gesagt als getan). Wenn ihr nicht so weit weg wärt, würde ich dir liebend gerne einen Kaffee ans Bett bringen 🙂

    1. piri sagt:

      Hab mir schon einen geholt, Dankeschön.

  7. Rosa sagt:

    Manchmal bin ich auch mir selbst dankbar – dafür, dass ich so bin, wie ich bin, und anders, als meine Geschwister. Dafür, dass ich toleranter, umsichtiger und nicht so fremdenfeindlich bin, wie sie. Dafür, dass ich mehr nachdenke und vieles besser verstehe.

    1. piri sagt:

      Der kritische Geist und die Toleranz – ganz wichtig und auch dafür bin ich dankbar.

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