Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

es sind nicht die anderen

Es ist sogar niemand bestimmtes, nichts konkretes, was mir Angst macht. Es sind die Umstände, in der wir alle leben. Es sind die Krankenstände in der Pflege. Im Schnitt waren im letzten Jahr Pflegekräfte 29,8 Tage im Jahr krankgeschrieben. In der Altenpflege sogar 34,2 Krankentage. Das kann ich mir nicht leisten, ich versorge meine Junioren auch mit Leistenzerrung und Kopfschmerzen. Hilfe gibt es nicht – ich habe keinen Plan B, habe keinen Ersatz, der kurz mal eben einspringen kann… Es geht immer weiter und ich bin heilfroh darüber, dass die Junioren eine Wochenstruktur haben. Eine sehr ausgedünnte zwar und diese Woche nur heute und morgen, aber immerhin sind sie am Tag für ca. 7 Stunden versorgt. Diese Woche ist besonders. Mittwoch besuchen Carsten und Wiebke ein Schlagerkonzert – sie können an dem Tag nicht in die Werkstatt, weil sie sonst den Abend nicht aushalten. Donnerstag müssen sie ausschlafen und am Freitag geben sie selbst ein Konzert. Zum Matthias-Reim-Konzert werden sie begleitet, das kostet mich pro Nase ca. 200€ – den Rest mache ich komplett alleine. Betreuung inklusive beim eigenen Konzert. Diese Woche wird hart werden, weil‘s die letzte schon war. Alles alleine! Wenn jetzt der Ratschlag kommt, sich nach Hilfe umzugucken, dann retoure ich den Schlag – Woher soll ich die nehmen? Es ist niemand da. Ich beobachte die Krankheitstage im Förder- und Betreuungsbereich und das ist bedenklich. Sie haben Kopfschmerzen und bleiben weg. So passiert es, dass Carstens Windel nur halbherzig zugemacht ist, die Hose auf Halbmast hängt und das Unterhemd in der Windel steckt. Oder Wiebkes Hose ist komplett verdreht oder die Hygienebinde ist verknuddelt in der Unterhose. Bei ständiger Unterbesetzung passieren eben Fehler und es muss schnell gehen. Auf wessen Kosten? Wer muss es ausbaden? Wer leidet (ein großes Wort) darunter? Wem zwickt es? 

Liebe Morgengrüße 

Veröffentlicht von piri

In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. | Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.

9 Gedanken zu „es sind nicht die anderen“

  1. piri sagt:

    Eine Antwort eines professionellen: Es scheint, als ob du dich in einer sehr herausfordernden Situation befindest. Die Belastung durch die Pflege deiner Junioren und die Sorge um die Qualität der Betreuung in deiner Abwesenheit ist verständlicherweise sehr belastend. Es ist wichtig, dass du auch an dich selbst denkst und Unterstützung suchst, auch wenn es im Moment schwierig erscheint.
    Darüber kann ich noch nicht einmal mehr lachen, wann soll ich das tun?

  2. quersatzein sagt:

    Ich kann nicht helfen, nur liebe Grüsse schicken und für euch hoffen, dass sich die Umstände verbessern – wie auch immer.
    Mit lieben Gedanken und Wünschen,
    Brigitte

    1. piri sagt:

      Wir stehen ja nicht alleine da. Wie uns geht es sehr vielen pflegenden Angehörigen – die Pflegereform ist nur Augenwischerei und es gibt immer weniger Menschen die pflegen und immer mehr, die gepflegt werden müssen. Pflegende Angehörige sind mit ihren zu pflegenden am unteren Ende und scheinbar gehts noch tiefer!

  3. Janne sagt:

    Aber warum willst du denn für deine Kinder immer eine adäquate Beschäftigung haben? Dann passiert halt mal tagelang nichts. Ist doch auch bei Menschen ohne Behinderung so.

    1. piri sagt:

      Ich antworte jetzt dennoch, obwohl die E-Mail-Adresse offensichtlich falsch ist, was ich sehr feige finde: Es ist nicht gut, wenn tagelang nichts passiert, weil dann die Stimmung kippt und das geht sehr auf meine Kosten – emotional und körperlich!

  4. M. - K. sagt:

    Liebe piri,
    dass auch ich Dir nicht helfen kann, das weißt Du sicher.
    Aber ich möchte Dir zurück melden, dass sowohl Dein gestriger, als auch Dein heutiger Text mich sehr berührt haben in ihrer Ehrlichkeit und Tiefe, die Du uns Lesenden schenkst. Dafür danke ich Dir sehr!
    Du öffnest Dich damit sehr und ich verstehe Dich besser. (Das ich Dich mag und hier bei Dir aus ehrlichem Interesse gerne lese, das weißt Du vermutlich. )
    Ausserdem machst Du, wie schon öfters, damit auch auf die Situation von anderen Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen aufmerksam!
    Liebe Grüße!

    1. piri sagt:

      Ich weiß um deine Aufmerksamkeit und bin darüber sehr dankbar.

  5. christine b sagt:

    es wühlt einen auf, wie es dir und den meisten pflegenden angehörigen geht, das in die zukunft schauen und sehen, besser wird es nicht, es wird höchstens noch schlechter.
    da kann ich dir und allen anderen pflegenden nur viel kraft wünschen und dass doch noch kleine wunder geschehen und sich vielleicht doch genug junge leute für diese ausbildung entscheiden.

    1. piri sagt:

      Es wird so wie es wird und es gibt immer wieder junge Menschen, die auch helfen wollen.

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