Wir waren doch im Frühsommer in der Uniklinik Tübingen zu genetischen Untersuchung. Carsten wollte wissen, ob es noch andere Menschen mit seiner und der seiner Schwesters Behinderung gibt! Große Hoffnung haben sie uns damals schon nicht gemacht. Heute kamen zwei dicke Briefe mit vielen wissenschaftlichen Daten. Viele Abweichungen von der Norm. Aber keine Übereinstimmung, nicht einmal eine winzigkleine mit anderen bekannten kleinwüchsigen Menschen. Absolute Unikume. Völlig was eigenes. Seltenes. Noch niemals dagewesenes. Nicht einmal eine, noch so entfernte Gruppenzugehörigkeit.
Der Kerle ist enttäuscht. Er will nichts so besonderes sein. Er möchte irgendwo dazugehören. Er ist traurig. Ich bin es auch. Das Töchting ist in ihr Zimmer gerollt – ich weiß nicht, was sie verstanden hat!
Anne Seltmann sagt:
Das muss ein unglaublich intensiver Moment sein – zwischen Erleichterung (?), etwas zu wissen, und der Enttäuschung, dass die Antworten nicht greifbarer sind…
Sag Carsten, dass es niemals Menschen geben kann, die genau wie er sind – das ist einerseits schwierig, aber auch beeindruckend! Denn jeder Mensch ist einzigartig und dass es nicht schlimm ist, etwas „Besonderes“ zu sein…weil jeder Mensch etwas Besonders ist!
Ich hoffe, du verstehst was ich meine!
piri sagt:
Ich verstehe schon was du meinst! Aber, das was du schreibst weiß Carsten – er möchte eine Peergroup haben.
So, jetzt mache ich das Tablet aus.
Walter sagt:
Was heisst das nun, liebe Piri? Bloss dass die Behinderung deiner Kinder nicht genetisch bedingt ist? Oder dass es für ihre Behinderung keine «Kategorie» und letztlich keine Bezeichnung gibt, zu der auch andere Menschen mit einer (ähnlichen) Behinderung passen, man also nicht weiss, wo die Ursache für ihre Behinderung liegt?
Sorry, wenn ich so unverblümt frage! Aber ich möchte es echt wissen, um es einordnen zu können..
Lieber Gruss und schöne Weihnachten – Walter
piri sagt:
Lieber Walter, dir antworte ich jetzt gleich mal. Ihr anderen müsst euch gedulden. Ich habe keine Zeit!
Es ist definitiv eine Genstörung. Nur welches Gen betroffen ist und wie – keine Ahnung. Es müssen, so die Forscher identische DNA bei beiden Eltern defekt sein. Dies Puzzlespiel ist noch nicht ausgespielt. Die Vielzahl der ‚Schädigungen‘ sind noch nicht einmal bei den Geschwistern identisch. Eine Bezeichnung der Behinderung ist müßig. Bekannt sind aber auch in der Datenbank nicht auch nur annähernd ähnliche Behinderungen.
Reicht dir das? Besser kann ich es nicht erklären – ich brauche für den langen Brief selbst noch einen ‚Verklickerer‘, jemanden, der mir das Medizinerdeutsch in meine Sprache übersetzt.
Herzliche Grüße in die Schweiz
Walter sagt:
Danke, Piri! Jetzt verstehe ich’s besser.
Ganz lieber Gruss zurück
Gerel Calow-Demerath sagt:
Ich stimme Anne Seltmann in allen Punkten zu. Dass auch du einmalig bist in gewissem Sinn, könnte Carsten nicht Trösten?
Liebe Grüße uns morgen einen schönen Heilig Abend wünscht euch von Herzen Gerel
Trude sagt:
Das tut mir leid für euch.
M. - K. sagt:
Ich kann nur ansatzweise erahnen, wie schwierig diese Antworten sind.
Manchmal ist das wohl so, dass man auf (sehr berechtigte) Fragen keine Antwort bekommt.
Die Traurigkeit darf sein! Ich wünsche Euch Dreien, dass sie morgen im Licht der Weihnacht ein wenig in den Hintergrund rückt, weil auch jedes Weihnachtsfest ein ganz besonderes, eigenes ist und Ihr dieses Jahr in neuer Zusammenkunft feiern werdet. Liebe Grüße am Abend vor dem Heiligen Abend!
Amélie sagt:
Ich kann Deinen Sohn so gut verstehen. Wie einsam muss sich das anfühlen, so genauso und doch so anders eigen zu sein als andere. Und einfach dazu zu gehören, es zu wollen, ist urmenschlich, denn wir sind Spiegelwesen.
Margrit sagt:
Das ist schwer zu glauben, eine solche Einmaligkeit. Faszinierend von außen betrachtet, frustrierend für die Betroffenen. Das mit der fehlenden peergroup leuchtet mir sehr ein. Auch für Dich. Nirgends ganz normal zugehörig..
(( ))
gerlintpetrazamonesh sagt:
Wie heißt es immer? Häufige Krankheiten sind häufig! Aber das heißt nicht, dass es keine seltenen, ja, einmaligen Erscheinungen gibt.
Und jeder Mensch ist sowieso ein Unikat. Selbst eineiige Zwillinge besitzen Abweichungen, auch wenn sie minimaler nicht mehr sein können. Sobald die geschlechtliche Fortpflanzung und damit die sehr zufällige Vermischung der Gene beginnt wird es abenteuerlich und unübersichtlich. Epigenetische Einflüsse noch nicht mit dazugerechnet.
Es läuft darauf hinaus, dass Carsten, dass jedes Individuum, groß oder klein, dick oder dünn oder sonstwie äuerlich unterscheidbar von anderen, eben er ist. Und das wollen wir doch feiern! Die Unterschiede bei, versteht sich, allen Gemeinsamkeiten, die alle Menschen teilen.
piri sagt:
Das alles weiß Carsten und ich auch, Wiebke weiß das auch und dennoch möchte er nicht immer nur zwischen den Stühlen sitzen. Jemanden zum Austauschen braucht man doch!