Behinderung, Kuddelmuddel

Geräusche

Vogelgezwitscher von draußen und winnewinnewippa aus dem Töchtingzimmer. Der Tag beginnt! Auch heute ist nichts wie immer, nur meine Bauchschmerzen – auf die ist Verlass. Ansonsten kommt aus dem Zimmer des Kerle kein Mucks. Carsten schläft noch eingemummelt in seine Bettdecke. Er macht mir Sorgen. Nicht nur, dass er nicht isst – das ist ja eigentlich fast schon normal. Nein, er wird zunehmend stiller und in sich gekehrter. Der Kerle vermisst seine sozialen Kontakte, seine Kumpels, seine Mitmusiker. „Mama, es ist hier Zuhause besser, als im Wohnheim. Aber wann kann ich wieder ein normales Leben leben?“ Es schnürt mir die Luft ab, macht mir Bauchschmerzen, tut mir in der Seele weh. Dass die Physiotherapeuten kommen und die Ergotherapie gestern sogar auf unserer Terrasse stattfinden konnte, das zählt – sicher – wiegt aber wenig. Mein Sohn verkümmert! Und ich kann dem nur ganz wenig entgegenhalten, weil ich nun mal ich bin und seine Freunde nicht ersetzen kann. Wiebke hat es leichter. Sie ist mit sich selbst zufrieden. Sie beschäftigt sich und spielt vor sich hin. Nicht, dass der Kerle das nicht auch macht, aber er ist ein sehr kommunikativer Mensch und braucht viel mehr, als sie ein Gegenüber.

„Blöder Virus!“ Wiebke sagt das und guckt ihren Bruder mitleidig an. Sie versucht ihn aufzumuntern und will Blödsinn mit ihm machen. Ganz kurz geht er drauf ein und dann versinkt er wieder in seine Melancholie – ich weiß nicht, wie ich ihn aus diesem Zustand herausholen kann. Nicht nur, dass er geistig verkümmert, körperlich lässt er sich auch hängen – und dann ist da immer noch dieser Hautausschlag…

Die Vögel singen, Wiebke singt, die Sonne scheint, ein neuer Tag fängt an.

Behinderung, Familie, Junioren, Kuddelmuddel

Guten Morgen

Meine „Schutzbefohlenen“ sind beide noch im Bett. Der Kerle pennt und das Töchting singt, ich muss ausmisten! Wenn ich denn wüsste, wie! Nach welchen Kriterien schmeiße ich was weg und vor allen Dingen wohin? Seit die Junioren daheim sind, quillt der Mülleimer über. Die kleinen Fläschchen der Astronautenkost sind ökologisch der reinste Wahnsinn – ich habe nur keine Ahnung, wie ich das anders machen soll.

„Wann darf ich denn eigentlich wieder in die Werkstatt?“ Carsten fragt und Wiebke will wissen: „Wann kann ich wieder arbeiten?“ Dass es dem Kerle um seine sozialen Kontakte geht und dem Töchting um die Produktivität, das sind zwei Paar Schuhe – meine Tochter ist zufrieden, wenn sie sich alleine beschäftigen kann, mein Sohn vermisst seine Kumpel und quatschen mit anderen. Er kann nicht mit seinen Freunden telefonieren, er sieht sie nicht, er vermisst sie. Leider kann ich sie ihm nicht ersetzen, ich kann nur dafür sorgen, dass nicht zu große Langeweile aufkommt. Behinderte Menschen sind in diesen Zeiten noch benachteiligter, als sonst sowieso schon. „Wann können wir denn mal wieder schwimmen gehen?“ „… oder in ein Museum?“ Ich wäre schon froh, wenn wir ins Gartencenter kämen, um dort Blumen für die Terrasse zu kaufen. Aber auch da besteht die Pflicht Mund-Nasenschutz zu tragen und Wiebke will das nicht und Carsten bekommt keine Luft darunter. Okay, sie bräuchten ihn nicht, aber die Blicke der anderen Kunden sprechen Bände.

Es gibt viel zu tun. Wir machen was. Aber ich darf auch ziemlich viel organisieren damit es den Junioren nicht so langweilig, wie im Wohnheim wird …

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Nachtrag um 10 : 30 Uhr: Im Mai wird das nichts mehr mit der Werkstatt für die Junioren!

Allgemein, Behinderung, Gedanken

Ein neuerlicher Versuch einer Erklärung

Im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld zeige ich – zeige ich es wirklich, oder fühle ich mich nur so? – jedenfalls kommt es mir so vor, dass ich ein unbeholfenes Verhalten habe. Mir wird gesagt, dass ich manches Mal unhöflich, arrogant und respektlos wirke. Ich sei analytisch und unterkühlt und würde oft unangemessen laut sprechen.

Selber habe ich beobachtet, dass ich nicht verstehe, wann ein Gespräch beendet ist und dass ich anderen Personen ins Wort falle, wenn ich denke zu wissen, was sie sagen wollen.

Small Talk bereitet mir große Schwierigkeiten und was ich bereden soll, das weiß ich oft nicht. Small Talk sehe ich manchmal als richtiges Gespräch an und will daraus ein großes machen, was vermutlich oft als unangemessen betrachtet wird, weil es eben nur ein kleines ist.

Telefonieren tue ich äußerst ungern. Erstens weiß ich nicht, wann ich wieder dran bin und zweitens kann ich dabei noch weniger einschätzen, was mein Gegenüber in Zwischentönen sagen möchte.

Ich bin ehrlich, oft sogar mit einer kindlich naiven Offenheit oder mit einer Sachlichkeit, mit konsequenter Stringenz, die mir als andersartiges Verhalten vorgeworfen wird.

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 Das alles war gerade wieder einmal mein Verhängnis! Ich habe zwar irgendwann gesagt, dass ich Asperger-Autistin bin, es hat mir aber nichts geholfen, weil es zu spät geschah und mein Gegenüber von danach an eine Gebrauchsanweisung haben wollte, die ich ihm natürlich nicht geben konnte – auch dieser Versuch einer Erklärung ist es nicht, kann es gar nicht sein, denn ich verhalte mich, wie andere Menschen im Übrigen auch, immer anders – den Umständen entsprechend. Nur, dass ich nicht berechenbar bin!