Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

Auf

Noch eine Woche – oder doch länger – wer weiß das schon, bleiben die Junioren daheim! In Zeiten, wo Homeoffice propagiert wird und dringend angeraten ist, bin ich mir nicht sicher ob ich den Kerle und das Töchting in die Lebenswerkstatt schicken soll.

Für mich ist das hart, aber was ist die Alternative? Wer nimmt mir die Entscheidung ab? Doch, wie schaffe ich das auch? Außerdem wird es noch kälter werden. Für Morgen ist viel Schnee angesagt – vorhin waren es hier minus sieben Grad und unsere Haustreppe glitzerte eisig.

Auf! Ich lasse die Junioren noch schlafen…

Familie, Kuddelmuddel

Langweilig

Unser Leben ist langweilig. Für andere. Für uns. Für euch und überhaupt. Jetzt, da Corona ist, passiert noch weniger. Basteln, im herkömmlichen Sinn, können die Junioren nicht und so haben sie auch wenig Interesse daran. Wir werden es dennoch heute tun – Sterne basteln. Für die Fenster! So viel lieber würde ich mit ihnen schwimmen gehen. Aber das Thema hatten wir ja schon.

Unsere Nacht war/ist, na ja, stinkig! Wenn Carsten und Wiebke aufstehen, müssen sie baden, ich werde die Waschmaschine heiß laufen lassen und alles wird wieder sauber sein. Falls irgendjemand auf die Idee kommt, dass ich ihnen ja Windeln anziehen könnte, dem wünsche ich ein Leben mit Windeln. Mehr sage ich nicht dazu! 

Warten. Mein Leben besteht zu einem Großteil aus warten. Vermutlich bin ich kein Einzelfall. Wir warten alle. Auf jemanden, auf Gelegenheiten, auf die Liebe, aufs Essen und schlussendlich auf den Tod. Ich warte viel darauf, dass ich etwas für die und mit den Junioren tun kann, sie in ihrem Leben unterstützen kann. Das heißt nicht, dass ich kein eigenes habe – es ist nur nicht das, was man allgemein, als normal bezeichnet. Unnormal heißt aber auch nicht gleich aufregend! 

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Wir haben Post bekommen! Noch einmal ganz viele Knicktrinkhalme, zwei schöne Lesebücher für mich und mehrere CD für die Junioren. Da die Absenderin keine Adresse, noch nicht einmal den Nachnamen angegeben hat, kann ich mich nur hier für die wunderbare Überraschung bedanken. Und die Strohsterne aus dem anderen Brief kommen an unser Adventsgesteck – auch darüber habe ich mich sehr gefreut. 

Ein bisschen Freude ist notwendig. Unser bester Freund ist geistig sehr verwirrt, seine Lebensgefährtin meint, dass Die Junioren ihn als fröhlichen Menschen in Erinnerung behalten sollen. Ich werde ihn noch einmal besuchen und habe große Angst davor. Wie begegne ich ihm? Kann ich etwas falsch machen? Und, wenn ich weine? Alles ist richtig. Es gibt kein richtig und falsch. Wenn ich bei ihm bin, bei ihm war, hat sich immer alles gefügt. Aber jetzt wird es vermutlich die letzte Begegnung sein. Es heißt Abschied nehmen. Wer nimmt schon gerne Abschied? Ich bin mir meiner eigenen Endlichkeit bewusst und glaubt mir, das stresst mich…

… übrigens weiß ich nun auch warum mir ständig kalt ist. Meine Körpertemperatur geht nie über 36°C Grad hinaus. Ich habe ständig Untertemperatur!

Behinderung

ein bisschen weniger und ein bisschen mehr

Der Kerle kotzt nicht mehr so viel. Gut so: „Jetzt mag ich aber keinen labbrigen Zwieback mehr essen und diesen scheußlichen Tee kannst du auch alleine trinken!“ Wenigstens bleibt das meiste drin. Jetzt will er Grissini und er will, dass ich sie selber backe. Scheint kein Hexenwerk zu sein – vermutlich wird es dennoch daran scheitern, dass ich keine Zeit und ausgesprochen wenig Lust zum Backen hab. Es gibt hier in der nahen Großstadt ein italienisches Geschäft, die werden doch wohl eine Auswahl haben!?

Heute Morgen habe ich verschlafen. Erst war ich eineinhalb Stunden vorher wach und wollte noch nicht aufstehen und dann wurde ich fünf Minuten nach der Weckzeit der Junioren im Traum hoch geklingelt. Ohne Kaffee, mit schlabbriger Haushose und Ringen unter den Augen habe ich Wasser in die Badewanne eingelassen, den Kerle aus seinem Bett gehieft, ihn ins Schaumbad gesteckt – und dann erst mal tief Luft geholt. Mein/unser Morgen ist durchtacktet und sobald nur irgendwas aus den Fugen gerät, dann kommt ein ganzer Rattenschwanz hinterher. Dann finde ich die roten Socken des Töchting nicht, aber sie will die roten anziehen, die blauen passen nicht zum Pullover und überhaupt kratzen die. In der Hektik kleckere ich auch noch Erdbeertee auf den Fußboden und Wiebke fährt durch – mit Dreckklumpen an den Rädern. Diese sind jetzt nicht mehr, dafür gibt es erdverschmierte Erdbeerteestraßen flächendeckig in der Wohnung verteilt. Der Kerle frühstückt, wie die Römer – so sagt er, tun sie es oder hätten es wenigstens in früherer Zeit so getan – im Badewasser. „Ich trink doch sowieso nur was. Essen tu ich dann in der Werkstatt!“

Leberwurst ist alle! Gibt es eben Camembert aufs Vesperbrot. „Aber ich will auch Tomaten dazu und so ne Clementine kannst du auch alleine essen!“

XXX – sie sind weg und ich überlege, ob ich, nach dem ich die Waschmaschine gefüllt habe, noch mal in Morpheus Arme schlüpfe!