Familie, Kuddelmuddel

Langweilig

Unser Leben ist langweilig. Für andere. Für uns. Für euch und überhaupt. Jetzt, da Corona ist, passiert noch weniger. Basteln, im herkömmlichen Sinn, können die Junioren nicht und so haben sie auch wenig Interesse daran. Wir werden es dennoch heute tun – Sterne basteln. Für die Fenster! So viel lieber würde ich mit ihnen schwimmen gehen. Aber das Thema hatten wir ja schon.

Unsere Nacht war/ist, na ja, stinkig! Wenn Carsten und Wiebke aufstehen, müssen sie baden, ich werde die Waschmaschine heiß laufen lassen und alles wird wieder sauber sein. Falls irgendjemand auf die Idee kommt, dass ich ihnen ja Windeln anziehen könnte, dem wünsche ich ein Leben mit Windeln. Mehr sage ich nicht dazu! 

Warten. Mein Leben besteht zu einem Großteil aus warten. Vermutlich bin ich kein Einzelfall. Wir warten alle. Auf jemanden, auf Gelegenheiten, auf die Liebe, aufs Essen und schlussendlich auf den Tod. Ich warte viel darauf, dass ich etwas für die und mit den Junioren tun kann, sie in ihrem Leben unterstützen kann. Das heißt nicht, dass ich kein eigenes habe – es ist nur nicht das, was man allgemein, als normal bezeichnet. Unnormal heißt aber auch nicht gleich aufregend! 

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Wir haben Post bekommen! Noch einmal ganz viele Knicktrinkhalme, zwei schöne Lesebücher für mich und mehrere CD für die Junioren. Da die Absenderin keine Adresse, noch nicht einmal den Nachnamen angegeben hat, kann ich mich nur hier für die wunderbare Überraschung bedanken. Und die Strohsterne aus dem anderen Brief kommen an unser Adventsgesteck – auch darüber habe ich mich sehr gefreut. 

Ein bisschen Freude ist notwendig. Unser bester Freund ist geistig sehr verwirrt, seine Lebensgefährtin meint, dass Die Junioren ihn als fröhlichen Menschen in Erinnerung behalten sollen. Ich werde ihn noch einmal besuchen und habe große Angst davor. Wie begegne ich ihm? Kann ich etwas falsch machen? Und, wenn ich weine? Alles ist richtig. Es gibt kein richtig und falsch. Wenn ich bei ihm bin, bei ihm war, hat sich immer alles gefügt. Aber jetzt wird es vermutlich die letzte Begegnung sein. Es heißt Abschied nehmen. Wer nimmt schon gerne Abschied? Ich bin mir meiner eigenen Endlichkeit bewusst und glaubt mir, das stresst mich…

… übrigens weiß ich nun auch warum mir ständig kalt ist. Meine Körpertemperatur geht nie über 36°C Grad hinaus. Ich habe ständig Untertemperatur!

Veröffentlicht von piri

In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. | Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.

6 Gedanken zu „Langweilig“

  1. Gudrun sagt:

    Willkommen im Club der „Kühlen“. In meiner Jugend bekam ich im Krankenhaus Anpfiffe, dass ich doch mal wach und das Termometer unter dem Arm lassen soll. Man glaubte mir nicht, bis sie daneben stehen blieben.
    Dass du den Freund vesuchen willst, finde ich gut. Dass es ein Abschied wird, wisst ihr beide. Ich denke, da darf man auch weinen. Vielleicht wird es aber auch ganz anders.
    Die eigene Endlichkeit hatte mich gestern auch mal wieder am Wickel. Weihnachten werde ich zum ersten Mal ohne meine Kinder sein. Ich weiß nicht, wie lange wir noch Zeit haben, wann wir uns wiedersehen und ob ich mich verabschieden könnte. Ich warte auch, dass wir alle wieder mehr auf einander zugehen können.
    Ich drück dich aus der Ferne.

  2. freiedenkerin sagt:

    Zum Club der Kühlen darf ich mich auch zählen. Beim wöchentlichen Fiebermessen an unserer Ausgabestelle der Münchner Tafel habe ich so wie du und Gudrun nie mehr als 36° Grad. ;-)
    Ich werde in Gedanken bei dir und deinem Freund sein, Petra. So ein Abschied für immer wiegt so schwer…
    Herzliche Grüße an dich und deine Lieben.

  3. Gerel Calow-Demerath sagt:

    Das ganze Leben besteht aus einer Abfolge von Abschieden bis wir selbst aus diesem Leben gehen.
    Heute telefonierte ich mit einer ehemaligen Kollegin, sie ist 86 Jahre. Sie erzählte, dass ihre 55 jährige Tochter seit Monaten nach einem Schlaganfall im Unikrankenhaus auf Intensiv an Strippen hängt und sie sie jetzt wegen Corona nicht besuchen dürfen, nur der Schwiegersohn.
    Ich erlebte den Tod meines kleinen Sohnes, aber das erwachsene Kind in einem solchen Zustand nicht besuchen zu dürfen, finde ich mehr als furchtbar.
    Freut mich, dass die Sterne angekommen sind.
    L.G.
    Gerel

  4. Paula sagt:

    Du brauchst jetzt viel Kraft, bewundernswert, wie Du immer alles hinkriegst. Ich mag auch nicht basteln, und Sterne fürs Fenster würde ich nur kaufen oder mal in der Weihnachtskiste nachsehen. Untertemperatur? Von was kommt denn sowas? Was es alles gibt. Trotz allem wünsche ich Euch ein schönes Wochenende!

    1. M. - K sagt:

      Guten Abend Pertra.
      Ich habe tatsächlich am Anfang mal darüber nachgedacht, warum die Junioren keine Vorlagen tragen, nachts. Ich bin auch grade genug, das zu schreiben.
      Und zeitgleich habe ich mir gedacht, was für ein Geschenk es ist, dass sie es nicht müssen!
      Du hattest geschrieben, dass Carsten sich gewünscht hatte, Euren Freund noch einmal zu sehen und gemeinsam zu singen. Das wird nicht mehr möglich sein. Ich wünsche beiden und Dir, dass ein Abschied nehmen auf eine für sie „gute“ Weise möglich sein wird. Du weißt, was für beide möglich ist, was gut tut.
      Du hast es so schön geschrieben, Eure Verabschiedung wird sich fügen. Die Angst vieler Menschen vor dem Tod ist so verständlich. Sie bedeutet ja auch einen Abschied für lange Zeit.
      Aber es ist okay, zu weinen, genauso, wie lachen, gemeinsam, passieren kann.
      Ich konnte Dich hier sehr spüren und darüber, über das Geschenk, habe ich mich gefreut. Danke.

  5. isa sagt:

    Von außen betrachtet finde ich euer Leben nicht langweilig. Eher sehr bewegt im Guten wie auch im weniger Guten.
    Hab keine Furcht davor euren Freund nochmals zu besuchen, Petra. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es für dich und unter Umständen auch für Carsten gut sein könnte. Das Sterben und der Tod gehören zum Leben dazu. Und ich bin ziemlich sicher, dass sich auch Carsten mit diesem Thema auseinandersetzt. Er ist ein kluger Mann.
    Wie soll jemand den Tod begreifen, wenn das Sterben nicht gesehen wird. Einen Sterbenden besuchen bringt anfangs eine gewisse Scheu und Unsicherheit. Es gibt aber allen Seiten viel, den geliebten Menschen auf dem letzten Weg verabschieden zu dürfen.
    Habt einen schönen ersten Adventsonntag <3

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