Behinderung, Gedanken, Gedicht

Timing

Das passt ja mal wieder, wie die Faust aufs Auge! Die große Mutter ist von mir vor über einer Stunde zum Bahnhof gebracht worden, ich komme heim und der Kerle sitzt bleich und leicht verstört auf seiner Wohnzimmerpatchworkdecke und guckt sich das an, was er von sich gegeben hat. Das Töchting sitzt auf ihrem Rolli im Zimmer und glüht. Beide sind sehr warm. Beide haben Fieber – über 38°C. Na wunderbar!

Ich dusche den kleinen Mann, gebe ihm und der kleinen Frau einen fiebersenkenden Saft und stecke beide dahin, wo kranke Menschen hingehören – ins Bett.

Ich will auch ins Bett! Ich will auch schlafen! Carsten hat dazu den passenden Spruch: „Der Willi ist schon lange tot!“

Ach menno. Aber eigentlich ist es Glück im Unglück, denn was hätte ich getan, wenn die Großmutti mir noch unter den Füßen herumgestanden wäre?

Behinderung, Familie, Junioren, Kuddelmuddel

Heute Morgen

  • kein Meckern
  • kein Geschrei
  • nur eine Ansage, dass das Licht ausgeschaltet werden muss
  • kein nasses Bett
  • kein Zetern beim Haare kämmen 
  • auch kein Bart rasieren

Wenn ihr aber glaubt, dass der Morgen ein Spaziergang in den Tag war, dann stimmt das nicht wirklich. Für mich ist das immer ein Kilometerlauf mit Sprints zwischendurch.  Noch dazu, weil ich gestern vergessen habe, die Kleidung abzufragen. Und so war das T-Shirt und oder die Hose nicht die richtige. Auch gab es kein Prinzessinnenschampoo mehr: „Das will ich sowieso nicht! Möchte lieber mal wieder ‚das gelbeSchampoo‘ haben!“ das gelbe Schampoo ist ein aufhellendes und macht strahlend blonde Haare. Wenn sie das will, dann kriegt mein Töchting das – wenn sie nicht auch noch Dauerwelle haben will…

Der Kerle ist gut drauf und hat versprochen, heute nicht zu kotzen!

Behinderung, Familie, Gedanken, Kuddelmuddel, Musik

keine Zeit zu lesen

Oder: andere Katastrophen und Carsten!

Na klar, das war Carstens Spruch – ihr habt es gut erkannt. Allerdings macht mir der Kerle großen Kummer, er baut stark ab. Seine Belastbarkeit ist sehr gering, seine Sprache leidet, indem er stottert und Worte suchen muss. Mir macht das Angst! Wie soll ich durch diese Angst?

Und dann ist das Thema, das mich so stark belastet, noch immer nicht vom Tisch. Ich möchte mich nicht mehr damit beschäftigen und bekomme es dennoch immer wieder aufgetischt. Für mich habe ich jetzt beschlossen, dass ich auf Mails und Anrufe nicht mehr reagieren werde. Wie oft kann man sich eigentlich täuschen? Mir wird vorgeworfen, ich sei egoistisch – dabei hat die Therapeutin, und nicht nur sie, mir letztens gesagt, ich solle mehr an mich denken. Ein Bekannter will mich missionieren und schickt mir Du-Botschaften. Ich hatte gelernt, dass solche Botschaften als Belehrung oder gar Vorwurf aufgefasst werden könnten…

Die Junioren sind mir wichtig – nicht das Seelenheil anderer Menschen. Wenn ich sehe, wie Wiebke sich immer mehr verkriecht, weil sie nicht sehen kann, wie Carsten immer weniger wird, dann könnte ich nur noch weinen – um beide und um mich, weil ich nicht weiß, wie ich es ändern kann. 

Bei so viel Dramatik brauche ich nicht auch noch Bücher. Musik. Ich höre Edvard Grieg,  Robert Schumann, Klaus Hoffmann, Zaz und viele
melancholische Lieder, erfreue mich am Sonnenschein und sehe die Wollmäuse tanzen!.

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