Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Musik

Samstagmorgen

Still ist es. Noch nicht einmal Musik klingt. Vielleicht in mir. In Dur-Akkord. Moll ist genug da draußen. Ich muss dem entgegentreten. Ich muss wirklich müssen, denn wenn ich es nicht tue, versinke ich im Morast der Mutlosigkeit.

Was kann ich hören dagegen? Möglicherweise gerade Wiebkes Musik. Sie hört fröhliche Kinderlieder, Herbstlieder und dann wieder Kirche, um plötzlich mit Helene Fischer oder den Toten Hosen mitzuschmettern. Dann lacht sie, mein wunderbares Töchting.

Carsten hört im Moment keine Musik. Er macht mir sowieso Sorgen. Obwohl er fröhlich ist. Obwohl er Charmeur ist. Obwohl er Sprachwitz hat und wenn er zu Wort kommt, die Menschen verblüfft. Nur dauert alles soviel länger – je weniger er wird.

Draußen senkt sich der Nebel. Ich kann den blauen Himmel schon ahnen. Noch regt sich in den Juniorenzimmern nichts. Es ist still am Samstagmorgen!

…übrigens: ich freue mich über jeden Kommentar!

Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

wenig Interesse

Ein Satz irgendwo beim Emil gelesen: Trete ich zurück, werde ich uninteressant. Natürlich in einem ganz anderen Zusammenhang. Auch gelesen, in einem Buch von Ulrike Draesner – Eine Frau wird älter: [..] Jede Menge Männer unterwegs auf so einem Parkplatz. Was ist los mit den Männern, denke ich, was hat sich verändert, sie sind so zurückhaltend. Nach einer Weile ist klar: Nichts hat sich verändert. Es wird geschaut. Hinterhergeschaut. Jetzt fällt es mir wieder ein: Ach so, es liegt an mir. Ich bin es, ich stehe hier offensichtlich in dieser neuen Verborgenheit herum. [..] Dieses Desinteresse stößt mir auf – nicht als Frau, oder jedenfalls nicht nur. Es ist ein allgemeines Desinteresse am anderen.

Das Interesse besteht meistens nur so lange, wie man nicht involviert ist. Sobald man selber handeln sollte oder muss oder will oder was auch immer – jedenfalls aktiv werden, stirbt bei so manchen Menschen die Aufmerksamkeit. Ich nehme mich da selber nicht raus. Interesse zu zeigen erfordert Anteilnahme und da jeder mit sich selber sehr beschäftigt ist, kostet das zusätzliche Kraft, die einige nicht haben. Dabei ist es gar nicht einmal Fakt, dass das Schicksal des anderen einem am A…. vorbei geht, es ist manchmal reine Hilflosigkeit und da sagt man lieber nichts, als dass man sich in die Nesseln setzt oder gar eine Abfuhr erhält.

Es erfordert Fingerspitzengefühl von allen Seiten und man kann wirklich nicht alles bedenken, kann nicht jede kleinste Kleinigkeit – von der man möglicherweise auch gar nicht ahnt, dass es sie gibt – berücksichtigen. Fingerspitzengefühl, das mir scheinbar nicht gegeben ist. Einerseits bin ich immer leicht gekränkt und fühle mich (da nehme ich, wenn es um Belange der Junioren geht, diese mit rein) benachteiligt, weil unsere Bedürfnisse nicht gesehen werden. Wir sind eine winzige Minderheit und im großen Ganzen tatsächlich unscheinbar. Das schmerzt! Andererseits poltere ich schnell heraus.

Es schmerzt sogar so sehr, dass ich noch weiter zurücktrete, gar keine Gespräche auf Veranstaltungen mehr führe, meine Sprache verliere und mir nichts zutraue. Wenn noch ‚Funktionärsmütter‘ anwesend sind, die ach so toll das Leben ihrer behinderten Kinder gemanagt haben – diese selbstständig wohnen und eigenständig leben – dann schrumpfe ich zusammen und hoffe doch inständig, dass man meine Leistung auch sieht. Uns sieht …

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Erst einmal Schluss – Wiebke ist krank. Sie hat einen stark juckenden Hautausschlag am Bauch. Wir gehen zum Arzt!

 

Behinderung, Kuddelmuddel

Dankeschön

Vorsicht, dieser Beitrag kann Spuren von Zynismus, ja sogar Bitterkeit enthalten. Wer das also nicht ertragen kann, oder meint, ich würde zu Unrecht jammern und vielleicht um Mitleid heischen, der möge bitte nicht weiterlesen, denn ich werde böse werden.

Wir kommen gerade von der Veranstaltung heim. Es ging nicht, wie ich vermutet habe, ums Ehrenamt – es ging um das Jubiläum der Behindertenhilfen unseres Stadt- und Landkreises.

… und jetzt schreibe ich doch nicht weiter,

  • weil mir die Worte fehlen.
  • weil ich enttäuscht bin.
  • weil viel Politikergeschwätz war.
  • weil großspurig von Hilfen geredet wurde und keine Hilfe für mich da war.
  • weil ein Stehempfang für Rollifahrer mit Stehtischen absolut nicht das Richtige ist.
  • weil
  • weil
  • weil

Unbestritten – es ist viel passiert in der offenen Behindertenarbeit und es ist wunderbar wie Menschen mit außergewöhnlichen Bedürfnissen eingebunden werden. Es ist toll welche Angebote für behinderte Menschen gemacht werden. Es gibt tausende positive Beispiele des Miteinanderwohnen usw. Aber wenn es im kleinen darum geht – gerade bei solchen Veranstaltungen – kleinwüchsigen Menschen konkret zu helfen, dann denkt (fast) jeder: Es sind genug andere da, ich habe jetzt grad frei! Mich, als Mutter, hat man ziemlich im imaginären Regen stehen lassen. Und das, obwohl es eigentlich auch – die großartigen Reden sprachen ebenfalls davon – um die Eltern (insbesondere die Mütter) und Angehörige der ‚zu Betreuenden‘ ging. Die Geschwisterkinder sind überhaupt nicht erwähnt worden und diese tragen auch ein gutes Stück der Last mit.

Ich bin leider kein Politiker, habe leider keine große Lobby und erreiche hier auch nur sehr wenige Menschen – aber mir brennt dieses Thema sehr unter den Nägeln. Denn, wir haben auch im kleinsten Kreis noch lange keine Inklusion erreicht. Auch in der Gruppe der Behinderten gibt es  Hierarchien. Dabei sollte man doch meinen, dass wenigstens dort alle gleichberechtigt sind.

Ich gehe jetzt ins Bett. Allein mit meinen Gedanken. Fühle mich mehr denn je verrückt – aus der Mitte gerückt, behindert, daran gehindert mit den Junioren dabei sein zu können. Mir fehlen die schriftlichen Voraussetzungen meinen Unmut näher zu erklären – vielleicht bin ich auch zu mimosenhaft. Aber dieses Ungleichgewicht ist anderen auch aufgefallen.

Die Band war übrigens wirklich gigantisch gut!