Familie

und dann war da noch

… der Zusammenbruch vor eineinhalb Stunden beim Radiologen! Dabei gab es gar keinen Grund, denn der Befund ist okay – bis auf die üblichen Zipperlein.

Nur ein Wort war falsch, in einem rüden Ton gesprochen, für den sich der Arzt auch sofort entschuldigt hat. Ein Wort zu viel – ein kleiner Nebensatz und meine Schleusen öffnen sich.

Dieser Geburtstag meiner Mutter, dieser schwelende, nicht zu klärende Streit mit meiner mittleren Schwester, dieses über dem Abgrund hängen, diese Nichtachtung von meiner Ursprungsfamilie – all das macht mich krank und furchtbar traurig. Furchtbar im wahrsten Sinne des Wortes. Ich fürchte mich sogar davor, den Brief, den ich skizzenhaft an diese Leute geschrieben habe, zu vervollkommnen und abzuschicken. Aber, ob ich das tue oder nicht – eine Reaktion, in Form eines Anrufes, Brief oder Mail wird nicht kommen – also kann ich es auch gleich bleibenlassen. Sie werden sich nicht melden. Niemand wird sich melden – auch meine Mutter nicht. Inzwischen bin ich sogar der Meinung, dass ich besser daran täte, keinen Brief zu schreiben. Auch keinen, in dem ich mich erkläre!

Warum-Fragen sind müßig. Entweder heißt die Antwort: Deshalb oder es gibt mindestens so viele Antworten, wie sie Adressaten hat. Wenn, dann noch diese sich weigern mit einem zu reden, dann ist es doppelt müßig – tut dennoch verdammt weh!

Wie viele Tränen können in einem Körper sein? Was hält ein Mensch aus? Wann zerbricht er? Wie ist das mit der Resilienz? … mit der Vulnerabilität? Wann habe ich endlich abgeschlossen? Bin ich zu anspruchsvoll an das Leben?

Gedicht

nachts verdichtet

Und dreißig Jahre sind kein Tag
Auch dreiundsechzig nicht
Schon gar nicht sieben

Sieben mal sieben mal sieben
Auch das sind nur Stunden
Die nicht vergehen

Und hundertdreiundfünfzigtausend Stunden
Sind nichts ohne Liebe

© petra ulbrich

Behinderung, Gedicht

nicht krabbeln

Kann grad nicht krabbeln,
bin schwer und leer,
komm aus dem Loch nicht raus
seh keine Hand, die mich hält
seh nur das Herz, das fällt
schau meine Kinder an und denke
wie tapfer sie doch sind.

Sie können krabbeln
sind auch leer, nur nicht schwer
haben ein Guckloch gebaut
um aus dem Loch zu schauen
ich fang sie auf
tröste ihr Herz
und ihren Schmerz.

…und so ist meiner
– auf einmal kleiner!

© petra ulbrich