Behinderung, Gedanken, Junioren

es gibt so was und so was und anderes gibt es auch

Es erstaunt immer wieder, mich erstaunt es, wie viel ein Mensch aushalten kann. Damit meine ich in erster Linie gar nicht einmal mich.

Mein Töchting hat Bauchschmerzen – aber das wisst ihr ja schon – sie hat diese seit ein paar Tagen und immer wieder kommt es vor, dass – weil Wiebke gerade keine Verstopfung hat – etwas in die Hose kommt, weil ich natürlich auch nicht neben ihr stehe und sie beobachte.

Heute war ein aufreibender Tag! Wiebke ist den ganzen Tag nicht warm geworden. Ihre Füße sind, trotz dicker Wollsocken und noch einmal extradicker Wollsocken und dem dazwischenliegenden Luftpolster, dick geschwollen und eiskalt rötlichblau. Wie man dabei fröhliche Lieder singen kann ist mir schleierhaft. Aber mein Töchting kann das. Der Gesang klang kein bisschen kläglich. Erst als ich kam um sie sauber zu machen, begann sie zu weinen.

Der Tag war heftig! Wiebke brauchte meine volle Aufmerksamkeit, der Kerle, als er aus der Werkstatt kam, wollte dringend unbedingt sofort etwas erzählen, die alte Pastorenfreundin hatte das eine oder andere Wehwehchen Leiden und außerdem war eine Veranstaltung, zu der sie eingeladen war, total schlecht organisiert und obendrein wurden die älteren Besucher zusammen ans untersten Ende der Tafel gesetzt und das Essen war viel zu viel. Der Wein, der auf der Karte stand, war kein hiesiger und Wengerter trinken doch nur das, was sie kennen! Nebenbei war mein Tee ja ganz nett, aber sie hätte wohl gerne nur ein Glas heißes Wasser! Zwischendurch war der Kerle ein klitzekleinwenig durchgeweicht und musste komplett umgezogen werden. „Wann kommst du denn endlich, ich möchte weiter spielen!“ „Mama, ich hätte gerne eine Wärmeflasche, aber bitte eine ohne Wasser, nur mit Körnern!“ Ich konnte mich bewegen, denn wenn ich gesessen wäre, dann hätte ich meinen Rücken noch mehr gespürt, denn immer dann, wenn ich es am wenigsten gebrauchen kann, verspannt meine Schultermuskulatur und sogar starke Opiate helfen nicht den Schmerz zu vertreiben. Zum Glück ist meine Wirbelsäule normalerweise top, aber wenn’s kommt, dann richtig! Gerade gehts mir gut mit Capsaicinpflaster und dicker Decke aufrecht sitzend am Tisch.

Die Badewanne müsste ich noch sauber machen und die Handtücher könnte Minna auch in der Nacht waschen, aber ich habe jetzt keinen Bock mehr auf irgendwas. Hab nur die mitfühlende (Ironiemodus an) Frage im Ohr: „Warum hast du keinen Himbeergeist daheim, du weißt doch, nur der hilft gegen meine Verdauungsbeschwerden?“ – und das war nicht mein Töchting, die das gefragt hat…

Gedanken, Gedicht, Kuddelmuddel

blau

William Turner - Luzerner See

Das Blau des Abendhimmels
so strahlend wie
das Blau im tiefen Wasser
das Blau zur stillen Stunde

Oder war das gar kein Blau?

Mein blaues Seidenkleid, das wilde
so oft schimmerte es grün
Der blaue Wollschal
er hat mir so gut getan

Da sind die blauen Augen des Liebsten
damals – bei Kap Arkona

Es wird einmal ein Blau sein

© petra ulbrich

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17:11 Uhr – Das Beitragsbild ist von meinen momentanen Lieblingsmaler: William Turner.

Behinderung, Gedanken, Junioren

der Kerle und die Gleitsichtbrille

Jetzt hat er sie seit ca. 3Wochen und es ist gut. Carsten hat sich sehr an seine Gleitsichtbrille gewöhnt. Er, der nicht so gut gucken kann – nur ca. 10% Sehvermögen hat – hatte von Anfang an keine Probleme mit den neuen Gläsern. Der Kerle ist richtig froh darüber. Ich bin es auch. „Du Mama, Ich hab nicht mehr so viel Kopfweh!“ Dass er überhaupt Kopfschmerzen hatte, wusste ich nicht. Das hat mir mein Herr Sohn nie gesagt. „Aber Mama, das ist doch ganz klar. Wenn man nicht richtig sieht, kann man auch nicht richtig gut im Kopf sein!“ Wo er recht hat, hat er recht.

Selbstverständlich ist es nicht, dass behinderte Menschen eine Gleitsichtbrille bekommen und nicht jeder behinderte Mann kommt auch so gut damit klar wie Carsten. Ich kenne andere Menschen, die viel mehr Schwierigkeiten hatten als mein Sohn. Er hat die Brille aufgesetzt und gut war’s. Der Trugschluss ist, dass er trotzdem nicht besser sieht – nur eben manchmal schärfer.