Kuddelmuddel

Aspergergedanken

Im Krankenhaus wusste jeder, dass ich Asperger-Autistin bin, der oder die meine Akte auch nur kurz angeschaut hat. Es stand vorne drauf. Nicht jede Pflegekraft konnte damit umgehen, mussten sie auch nicht, weil ich sowieso anders – krankheitsbedingt – besonders reagiert habe. Manche Situation war dennoch brenzlig, aber ich konnte mich – wenn auch nicht körperlich – immer wieder zurückziehen und mein Schneckenhaus zumachen. Es hat mich niemand gestört oder gar insistiert – ich war dann einfach weg!

Am Anfang Daheim habe ich es genossen, dass ich umsorgt werde. Ich konnte ja auch selber gar nicht viel machen und war froh um jeden Handgriff, der m8r abgenommen wurde. Jetzt, da ich zunehmend gesund werde, jetzt fehlt mir mein Schneckenhaus. Ich fühle mich überbemuttert! Erwartet nicht von mir, dass ich aus dem Nähkästchen plaudere, die Helferin ist und bleibt ein Engel und das Vorlesen das Pastorenfreundin macht mir Freude, aber tagsüber – so empfinde ich es – habe ich kaum eine freie halbe Stunde um einmal ganz ich zu sein. Immer versuche ich es den, zugegebenermaßen, netten hilfsbereiten, die mich ja beim gesund werden unterstützen wollen, Recht zu machen oder zumindest meine Dankbarkeit spüren zu lassen. Aber ganz ehrlich, manchmal gehen sie mir mit ihrer Fürsorge auf die Nerven. Allerdings sagen, ihnen das diplomatisch vermitteln, das kann ich leider nicht – ich mag diese Menschen. Aber zu viel um mich kümmern erdrückt mich. Sorry!

Mag sein, dass dieser Beitrag  undankbar klingt, das soll nicht den Anschein erwecken. Ich weiß die Hilfe sehr wohl zu schätzen, aber ich finde meinen eigenen Platz nicht. Ich fühle mich fremdbestimmt. Und jetzt greift die Zensur!

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨ Hier gibt es die Möglichkeit etwas in den, wenn auch nur virtuellen Hut zu werfen. Herzlichen Dank!

12 Gedanken zu „Aspergergedanken“

  1. Ursula sagt:

    Keine Zensur! Alleinsein muss einfach sein, grade wenn man nicht kann wie man will!

    Ich sag immer:
    wenn ich schon einsam bin wäre ich auch gern allein

  2. isa sagt:

    Das kenne ich auch so, ohne Asperger. Ich kenne ebenso die Aggression, die sich dahinter aufbauen kann. Auf der einen Seite bin ich auf die Unterstützung angewiesen, auf der anderen Seite will ich auch mal länger in mein Schneckenhaus oder etwas ganz allein machen. Wer Pflege braucht hat immer das Problem, dass ein Stück der Privatsphäre flöten geht. Hab trotzdem weiter eine gute Genesungszeit. Bald wird dein Hilfebedarf Vergangenheit.

  3. Bernhard sagt:

    Jeder braucht seinen persönlichen Rückzugsort, der eine greift zum Buch, die andere strickt, geht spazieren. Bei Dir ist es Dein Schneckenhaus. So lange es nur eine kurze Zeit ist, ist das in Ordnung, aber Du weißt sicher am Besten damit umzugehen.
    Pass auf Dich auf und bleib gesund in dieser aktuellen Coronakrise

    LG Bernhard

  4. mijonisreise sagt:

    Entschuldige nicht für dein Empfinden. Es ist richtig und auch gut, es benennen zu können. Das ist weder jammern, noch undankbar.

  5. Verwandlerin sagt:

    Ich verstehe dich. Meine Mutter war lange überbemutternd. Habe ich gehasst und mich ab der Pubertät stark abgegrenzt.
    Zu viel Fürsorge ist nie gut. Kann ich bis heute schlecht mit umgehen. Erdrückt ubd raubt einem die Luft zum Atmen.

  6. Paula sagt:

    Was hat denn das mit Asperger zu tun? Ich brauche das auch und bin gern tagsüber einige Stunden für mich allein. Ist die Helferin den kompletten Tag lang da? Könntest Du sie nicht – sehr diplomatisch – manchmal fragen, ob es sie stören würde, wenn Du Dich mal für ein paar Stunden zurückziehst (z.B. ins Arbeitszimmer?), oder wenn Dir das nicht reicht und Du gern Wohnzimmer und Küchenbereich auch mal für Dich hättest, sie fragen ob es ihr etwas ausmachen würde später zu kommen? Das ist doch ein Zeichen von Gesundung!

    Oder ist es dass Du Fürsorge und Bemuttern generell nicht annehmen und aushalten kannst? Das verstehe ich schon, denn das geht mir ähnlich. Ich will auch immer alles allein schaffen und unabhängig sein. Dann ist die Situation jetzt eine gute Übung

  7. gerda kazakou sagt:

    Liebe Piri, eine Anregung von mir, über die du nachdenken kannst, oder auch nicht: Ich habe den Eindruck, dass du den Menschen widersprüchliche Signale sendest – und zwar nicht erst jetzt, wo du krank bist, sondern auch vorher. Du sendest: kümmert euch um mich, ich brauche Hilfe, wo seid ihr? und gleichzeitig: Helft mir ja nicht, kommt mir nicht zu nahe, und schon gar nicht auf die Weise, die ihr kennt, sondern wenn nach meinen Bedingungen. Du willst gleichzeitig Hilfe und Kontrolle. Hilfe erbitten bedeutet: ich brauche es zu nehmen, Kontrolle bedeutet: ich nehme nicht. Dadurch schaffst du eine Situation, die man in der Psychologie „double bind“ nennt. Der so Angesprochene sitzt in einer Falle. Er kann es nur falsch machen.
    Kann sein, dass ich es jetzt auch falsch gemacht habe. Liebe Grüße! Gera

    1. piri ulbrich sagt:

      Liebe Gerda, so ist es! Ich weiß es ja, nur komme ich selber aus dieser Mausefalle nicht hinaus.

      1. Ursula sagt:

        Für Gerdas Text reicht mein Kopf grade nicht, aber deinen Beitrag verstehe ich. Bei mir ist es gerade das Gefühl, dass ich mir ständig selber im Weg stehe —- und somit komme ich zu nichts

      2. gerda kazakou sagt:

        Mir ist bewusst, liebe Piri, dass es leichter ist, Einsicht zu haben, als dann auch aus der Einsicht heraus zu handeln. Tagtäglich geht es mir so. Ich bin halt schlau für andere (und in dem Fall schlau für mich selbst), aber umsetzen, was ich eingesehen habe – das ist eine Heidenarbeit. Da begrüße ich dann kleinste Erfolge schon mit Fanfaren. Gut, dass du über deine Probleme hier sprichst, sie dir vor Augen führst. Und selbstverständlich ist es schwer, hilfsbedürftig zu sein. Da braucht man viel Selbstüberwindung, um das zu akzeptieren. Also wünsche ich dir von Herzen, dass du in absehbarer Zeit so weit zu Kräften gekommen bist, dass du die angebotenen Hilfen nicht mehr in dem Umfang benötigst. Dann kannst du das den Helferinnen auch freundllich vermitteln, ohne sie zu verstören. Langsam abkoppeln in dem Maße, wie deine Kräfte zunehmen. Solche Helferinnen werden auch anderswo gebraucht, ihnen geht die Arbeit nicht aus. Und du gewinnst deine Freiheit zurück. Liebe Grüße!

  8. Marion Eve sagt:

    Mein Vater sol. hat gesagt:

    Das Geben und das Nehmen sollten sich in jeder Beziehung die Waage halten

  9. christine b sagt:

    gerda hat das geschrieben, was ich mir sehr gut vorstellen kann.
    aber auch ist es so, dass du diejenige bist, die ihre beiden junioren versorgt, unterhält, bespielt, bekocht, pflegt…… und auf einmal bist du, die sonst immer stark ist, weil stark sein muß, die schwache, die bemittleidenswerte, die zu bemutternde, plötzlich brauchst du die fürsorge der helfer und sie geben sie dir auch gerne. nur bist du das überhaupt nicht gewöhnt und hast zwiespältige gefühle.
    ich finde, man kann ruhig sagen, ich möchte mich jetzt 2, 3…. oder mehr stunden zurückziehen, ich brauche das.
    eine halbe stunde ist da wirklich zu wenig.
    weiterhin gute besserung und alles liebe dir!

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