Alltag, Behinderung, Gedanken

private Weblog

Als ich heute früh in den grauen Morgen aus dem Fenster schaute, kam ein Gedanke den ich schon eine ganze Weile habe: Wie genau werden eigentlich private persönliche Tagebuchweblogs gelesen? 

Wenn ich von mir ausgehe, dann muss ich gestehen, dass ich einige Blogs nur sehr flüchtig querlese, bei manchen mir die Bilder angucke und andere wiederum fast studiere. 

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14:18 Uhr – Das hatte ich heute Morgen angefangen zu schreiben. Inzwischen ist persönlich viel geschehen! Dass der Kerle seit Wochen wieder spuckt ist leider Alltag. Wir sind alle sehr belastet – im Blog hier wird’s eventuell wieder sehr speziell. 

18:55 Uhr – Dass ich mich im Stich gelassen fühle, habe ich gelegentlich erzählt. Von Bewunderung und großer Hochachtung, weil ich meine beiden Junioren so vorbildlich alleine pflege und betreue; davon habe ich keine Hilfe und egal wen ich um Hilfe bitte – der Kerle müsste ins Krankenhaus zur Untersuchung, ich müsste dringend auch wegen meiner Schlafprobleme, das Töchting kann aber nicht alleine bleiben und den Kerle nehmen sie im Krankenhaus auch nicht alleine auf, Kurzzeitpflegeplätze gibt es akut keine (notfalls im Altersheim in der Demenzabteilung, da hätte dann Wiebke aber den Knacks ihres Lebens) – niemand, der so mitfühlenden, bewundernden Menschen an den verschiedensten Stelle, sei es Krankenkasse, Sozialstation, Pflegeberatung, Care-Telefon der Krankenkasse, Arzt etc.  pp. weiß auch nur ansatzweise eine Lösung. Dass ich beide Junioren mit ins Krankenhaus nehme, lehnen sie dort auch kategorisch ab. (Es gibt in dem Fall keine Kostenübernahme!)  Wo bleibt da die Menschlichkeit? Ich kann mich doch nicht aufteilen? Ich will und kann keinen der Junioren allein lassen.

Bitte, ihr müsst hier nicht lesen und ich schreibe das auch nicht aus Sensationsgier. Ich möchte nur aufzeigen in welchem Dilemma pflegende Angehörige manchmal stecken!

Behinderung, Gedanken, Junioren

schmeckt wohl gut, aber ich mag es nicht

Dass der Kerle schlecht und wenig isst, wisst ihr ja. Kennt ihr auch seinen schönsten Spruch dazu? Jetzt sicher, ist ja die Überschrift dieses Beitrags. Heute hat er ihn wieder angewandt. Zum Abendessen gab es Gemüsepfanne – nicht nur mit Erbsen, die mag er – mit allem was wegmusste. Brokkoli, Möhren, Pastinaken, Lauch, ein bisschen Fenchel und Pilze. „Nee, Mama, willst du mich vergiften? So ein Durcheinander esse ich nicht!“

Wiebke hat kräftig reingehauen und Carstens Teller auch leergegessen. Morgen gibt’s schönes Wetter!

Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

morgens Wackersteine

Das erste Mal aufgewacht bin ich um kurz nach vier, mein Bauch brummelt und darin rumoren Wackersteine. Ein Ring von Angst liegt um meinem Körper, die Beine zappeln nur so viel, dass es unangenehm ist und nicht bedrohlich, die Füße sind bleischwer und rastlos. Mehr als das macht mir mein Magen zu schaffen – ich esse zu viel und das falsche. Zu viel Süßkram und zu wenig gesunde Mahlzeiten. Ein Teil meiner Bauchschmerzen kommt daher. Der größere Teil allerdings ist ein schwarzes Loch, das saugt und saugt und saugt, an den Rändern gärt, alles in sich verschlingt und nicht wieder rauslässt. Diese Ursuppe bekämpft sich gegenseitig und besteht zum größten Teil aus Angst. Manchmal kann ich es verquirlen, dann dreht sich der Strudel gleichmäßig und ich lasse mich einlullen. Gleichgewicht!

Das bleibt aber nicht so, ich muss aufstehen – auch wenn es zwanzig vor sechs noch nichts zu tun gibt. Die Angst vor dem Tag hält dich im Bett. Sie sagt dir, dass du da sowieso nicht schaffst. Nebenbei zwickt es am Oberschenkel und die Hautstelle auf der Schulter juckt verteufelt. Ich kratze sie mir blutig und kann doch nicht aus meiner Haut. Später schmiere ich kühlende Creme drauf.

Dass ich mit den Händen, von denen ich denke, dass sie keine Kraft haben das Handy zu halten, mit diesen Finger diesen Text tippe, so zittere, kann ich geschickt verbergen. Ein Außenstehender ahnt nichts, denkt nur; die ist noch nicht ganz wach.

Doch, wach bin ich inzwischen, hab auch schon einen Milchkaffee getrunken und sage mir jedesmal, dass das keine so gute Idee ist. Auf einen Magen der revoltiert, Kaffee kippen ist wie Öl ins Feuer gießen. Aber die Macht der Gewohnheit!

Juniorenherrschaften wecken. Aus einem Zimmer kommt Gebrumm, aus dem anderen wird mir ein Armband an den Kopf gepfeffert. „Ihr dürft doch noch 10 Minuten im Bett bleiben!“ Köpfe sinken auf Kissen. „Was wollt ihr zum vespern mitnehmen?“ Keine Antwort – pack ich eben irgendwas ein. Denke aber, dass das bestimmt nicht das richtige war und habe darüber ein schlechtes Gewissen.

Das Anziehen überspringen wir mal – ist eine eigene Geschichte. Klogang, Windeln wechseln, notdürftig waschen, Haare kämmen, rasieren, auf den Rollstuhl setzen.

Frühstücken tun wir ja schon lange nicht mehr. Jedenfalls wird nichts gegessen, nur getrunken und da darf/muss/will ich jeden Tropfen in die Münder reden. Und dann diskutieren beide mit mir warum was so nicht geht und weshalb das so gemacht werden muss, was aber nicht geht, weil ein bestimmtes Teil nicht da ist. Da wünsche ich mir entweder verstopfte Ohren, was aber die Folge hat, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich nicht zugehört habe. Oder ich wünsche mir vier Ohren und habe anschließend das Gefühl, mein Kopf platzt.

Über allem schwebt die Angst den behinderten Menschen nicht gerecht zu werden…