Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

wenig Interesse

Ein Satz irgendwo beim Emil gelesen: Trete ich zurück, werde ich uninteressant. Natürlich in einem ganz anderen Zusammenhang. Auch gelesen, in einem Buch von Ulrike Draesner – Eine Frau wird älter: [..] Jede Menge Männer unterwegs auf so einem Parkplatz. Was ist los mit den Männern, denke ich, was hat sich verändert, sie sind so zurückhaltend. Nach einer Weile ist klar: Nichts hat sich verändert. Es wird geschaut. Hinterhergeschaut. Jetzt fällt es mir wieder ein: Ach so, es liegt an mir. Ich bin es, ich stehe hier offensichtlich in dieser neuen Verborgenheit herum. [..] Dieses Desinteresse stößt mir auf – nicht als Frau, oder jedenfalls nicht nur. Es ist ein allgemeines Desinteresse am anderen.

Das Interesse besteht meistens nur so lange, wie man nicht involviert ist. Sobald man selber handeln sollte oder muss oder will oder was auch immer – jedenfalls aktiv werden, stirbt bei so manchen Menschen die Aufmerksamkeit. Ich nehme mich da selber nicht raus. Interesse zu zeigen erfordert Anteilnahme und da jeder mit sich selber sehr beschäftigt ist, kostet das zusätzliche Kraft, die einige nicht haben. Dabei ist es gar nicht einmal Fakt, dass das Schicksal des anderen einem am A…. vorbei geht, es ist manchmal reine Hilflosigkeit und da sagt man lieber nichts, als dass man sich in die Nesseln setzt oder gar eine Abfuhr erhält.

Es erfordert Fingerspitzengefühl von allen Seiten und man kann wirklich nicht alles bedenken, kann nicht jede kleinste Kleinigkeit – von der man möglicherweise auch gar nicht ahnt, dass es sie gibt – berücksichtigen. Fingerspitzengefühl, das mir scheinbar nicht gegeben ist. Einerseits bin ich immer leicht gekränkt und fühle mich (da nehme ich, wenn es um Belange der Junioren geht, diese mit rein) benachteiligt, weil unsere Bedürfnisse nicht gesehen werden. Wir sind eine winzige Minderheit und im großen Ganzen tatsächlich unscheinbar. Das schmerzt! Andererseits poltere ich schnell heraus.

Es schmerzt sogar so sehr, dass ich noch weiter zurücktrete, gar keine Gespräche auf Veranstaltungen mehr führe, meine Sprache verliere und mir nichts zutraue. Wenn noch ‚Funktionärsmütter‘ anwesend sind, die ach so toll das Leben ihrer behinderten Kinder gemanagt haben – diese selbstständig wohnen und eigenständig leben – dann schrumpfe ich zusammen und hoffe doch inständig, dass man meine Leistung auch sieht. Uns sieht …

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Erst einmal Schluss – Wiebke ist krank. Sie hat einen stark juckenden Hautausschlag am Bauch. Wir gehen zum Arzt!

 

Behinderung, Gedanken, Junioren

Das Zitat passt

Im täglichen Leben versuchen wir, uns dadurch besser verständlich zu machen, dass wir die Sprache anderer übernehmen, und hoffen, so eher begriffen zu werden, doch in der Nacht (…) spricht ein ungebundenes Selbst in einer höchst eigenen Sprache zu uns.
Connie Palmen

Ich habe mich bemüht heute. Ich bin gescheitert. Carsten dagegen hatte einen Erfolg auf ganzer Linie. Dabei hat mich die kleine Jamile aus Aleppo begeistert. Und ihr Bruder Jan, und die anderen drei Brüder, deren Namen ich mir nicht merken konnte.

Seit eineinhalb Jahren sind sie mit ihren Eltern in Deutschland, vorher waren sie in der Türkei, die Kinder sprechen akzentfreies Deutsch. Der Vater weigert sich, weil er noch immer mit dem Herzen in Syrien ist. Die Mutter bemüht sich sehr, hat leider nicht die Möglichkeit, die die Kinder in Schule und Kindergarten haben.

Wir waren gemeinsam essen. Im Gemeindehaus. Carsten, mein Kommunikator, hat sofort Freundschaft (!) mit Jamile geschlossen und der 6jährige Jan wich nicht von seiner Seite. Auch wenn der Wortschatz begrenzt war, sie haben sich fabelhaft unterhalten. Nur gegessen hat der Kerle nichts – mal wieder nichts, wie immer. Noch nicht einmal Brigittes sensationelles (Originalton Carsten) Mousse au Chocolat. Wiebke hat gerne und gut gegessen und sie wurde zeitweilig von der älteren Dame sogar gefüttert. Die Beiden kennen sich schon lange. Brigitte darf das – jemand anderes nicht. Auf gar keinen Fall!

Ich habe mich bemüht. Bin zwischen den Junioren hin und her gehuscht, habe dort übersetzt und dort die besondere Stimme der Junioren gedolmetscht. Wollte dem älteren Ehepaar gerecht werden und mit ihnen reden. Wollte unsere Begleitung einbinden – aber da war noch eine fremde Sprache, rumänisch! Ich wollte vermitteln. Ausgerechnet ich, die kaum den Mund aufkriegt! Aber ich mag sie doch alle! Die Kinder – da zähle ich jetzt Carsten und Wiebke dazu – die Kinder hatten keine Scheu, sie haben mich einfach unterbrochen und gefragt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ich wurde immer unsicherer, war es am Morgen schon und während des Gottesdienstes. Ich habe versucht mich unterzuordnen. Habe mich vergessen.

Da wird gepredigt, dass wir die am Rande, nicht stehen lassen sollen und dass Jesus immer bei uns ist, uns nie im Stich lässt, uns immer beschützt. Ich saß allein in der ersten Reihe. Niemand sah meine Tränen und meine Sprache war die der anderen.

Behinderung, Bücher, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

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Kennt ihr das Gefühl im eigenen Saft zu schmoren? Alle Aktivitäten finden in einem eng umgrenzten Raum statt, der Tellerrand ist hoch und es fehlt der „Drive“ hochzuklettern, um drüber zu gucken. Ich möchte meinen Radius nicht erhöhen, weil ich den Anspruch an mich nicht erfülle – ich schaffe es dann nicht mehr. Welche Alternative habe ich? Helfer wachsen nicht auf Bäumen. Aber ich muss langsam in die Pötte kommen und was tun, muss neue Helfer suchen. 

…und da steht mir meine Menschenscheue entgegen. Ich trau mich nicht, weiß auch gar nicht, wie ich die richtigen Leute ansprechen soll. Wer passt zu uns? Wer passt in unser Universum? Wer bringt frischen Wind in den Suppenteller, macht Sturm und wirbelt mein Hirn durcheinander, damit es auf andere Gedanken kommt und endlich wieder nicht nur in eine Richtung denkt? 

Wiebke ist wach, der Tag fängt an …