Behinderung, Gedanken, Junioren

zähle nicht | 2ter Teil

16:00 Uhr: S., eine Freizeitbegleiterin hat angerufen. Carsten isst nichts. Sie haben ihn schon seine Aufbaunahrung unters Essen gemogelt. Er isst trotzdem nichts. Für wie blöd halten sie eigentlich den Kerle, dass er das nicht merkt?  Angeboten haben sie, dass sie mir Carsten vorbeibringen, wenn ich das möchte. Ich möchte nicht! Mir geht’s heute so beschissen, da kann ich nicht dafür garantieren, dass ich meinen Sohn, vor lauter Sorge, nicht verhaue. Ich habe Angst! Ich habe eine Mordsangst und muss das alles mit mir alleine ausmachen. Ich zerspringe bald vor Sorge. In meinem Kopf rattert es.

Ich kann die Betreuer verstehen. Sie haben auch Angst. Angst, etwas falsch zu machen.

Wie lange suche ich eigentlich schon nach einem Psychologen für Carsten? Läuft es darauf hinaus, dass wir wieder eine PEG anlegen lassen müssen? Aber damit hat er ständig gekotzt!

Wird das denn nicht besser – und alles alleine.

Wenn ihr wollt, könnt ihr uns gerne etwas Gutes tun!

Audio, Gedanken, mp3

Zähle nicht

Vielleicht denke ich zu viel und gehe zu wenig!?

Es hat gedauert, bis ich verstanden habe, was tot bedeutet, doch nach 6 Jahren habe ich es immer noch nicht begriffen! Rein kognitiv weiß ich natürlich: Es wird kein Wiedersehen geben, kein in den Arm nehmen, keinen Streit, kein reden, kein anschauen und kein erwarten. Ich kann meinen Mann nie wieder durch die Wohnung tappen hören und mich nie wieder ärgern, wenn er seine Socken irgendwo fallen gelassen hat. Ich habe Wut. Wut darüber, dass er so mir nichts dir nichts verschwunden ist – von einem Tag auf den anderen. Wut darüber, dass er mich allein gelassen hat mit dem ganzen Schlamassel. Es gibt immer noch Nächte, ja sogar Situationen an hellen Tagen, da höre ich Autotüren zuschlagen, Schritte auf der Treppe, die Haustür, die knarzend geöffnet wird und ich denke MamS steht jeden Augenblick vor mir und zeigt mir eine lange Nase. Meine Wut ist groß, ja sogar größer als Wochen nach dem jähen Tod. Es ist sogar so, dass mein Mut ein bisschen kleiner geworden ist. 

Es jährt sich der Todestag. Wie oft haben wir schon ohne ihn den ersten Schnee erwartet? Wie viele Advent schon ohne ihn erlebt? Wie viele Weihnachten? Wie viele Urlaube sind nicht gewesen, weil MamS nicht da war und wir uns gegenseitig unterstützen konnten?

Ich könnte schreien – nein, ich tu es ja immer wieder wenn niemand mich hört: Wieso? Warum? Was habe ich getan? … und, warum steh ich so hilflos da?

 

Kuddelmuddel

mein Schutz

… mein zynischer Schutz funktioniert nicht mehr – die Suche nach Helfern bringt mich zur Verzweiflung.

Und das ist kein Spruch! Ich stehe mir selbst im Weg. Es gibt kaum Menschen und die wenigen, die es gibt, die ehrenamtlich (mit einer Aufwandsentschädigung) helfen wollen, können nicht die Junioren auch nur aus dem Rollstuhl setzen, weil sie nicht tragen dürfen/können. Wir brauchen keine Pflegekräfte, nur Menschen, die fit genug sind, auch mal zupacken zu können.

Ich kann nicht mehr, ich fühle mich total allein gelassen und resigniere, bin blockiert in meinen Gedanken und werde immer unzugänglicher. Das will ich nicht, aber ich habe die Kraft nicht mehr …

Bitte schaut in eurer Umgebung einmal die scheinbar starken Menschen an und entdeckt die zarte, manchmal gebrochene Seele in ihnen. Versucht zu helfen, wenn ihr es könnt. Danke!