Behinderung, Gedicht

Gebet

Nachts, jenseits der Zeit schon und ferne,
hörst du das Singen der Winde, und du siehst
Berge brennen, die wie ein Feuerwerk fallender
Sterne verglühen. Zu tief liegt da unten

die Erde, dieses Inferno der Gleichgültigkeit,
das auch der Lachende nur eingeschüchtert übersteht,
und selbst der Glückliche ist an sein Glück gebunden
wie der Erhängte dort an seinem Strick;

ungläubig zögernd noch wie unter großen Mühen
spricht der Einsame jetzt sein erstes Gebet,
die Augen weiß und leer, vom Saufen ernüchtert,

das Herz zu sehr ans Zerspringen gewöhnt.
Der Abschied dann, und dann die Stille,
die alles Leben übertönt.

© Wolf Wondratschek

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Das Leben ist gut, so wie es ist.

Gut? Na ja, meistens – oder wenigstens manchmal. Je nach Verfassung, in der man gerade ist. Wenn es einem gut geht, wenn man meint, dass das Leben gut ist, sind Freunde da, sind Menschen um einen herum. Wenn es aber mal nicht so läuft, dann verkrümeln sich die Freunde schnell. Manchmal auch mit der Begründung: „Wir wollen dir nicht zusätzlich zur Last fallen!“ Es ist Selbstschutz und doch perfide. Schade eigentlich! Denn, wenn sie selbst in die Lage kommen und Hilfe gebrauchen, dann hoffen sie auf Menschen, die ihnen beistehen und dann ist womöglich niemand da. Ich habe lange geglaubt, ich hätte keine Freunde, dem ist nicht so. Es gibt Menschen in unserer Umgebung, denen wir nahestehen. Das freut mich sehr! Besonders in dieser schweren Zeit, wo es dem Kerle so schlecht geht. Es sind nicht alle gleichpräsent und bei manchen habe ich das Gefühl, dass ich sie überfordere, aber alle, alle kommen freiwillig und das ist ein gutes Gefühl. Gute Gefühle kann ich gut gebrauchen. Gute Gefühle habe ich in letzter Zeit viel zu wenige gehabt. Meine Knie sind immer noch butterweich, auch wenn es Carsten inzwischen ein Quäntchen besser geht. Dennoch schwebe ich – mein Sohn nicht, er hat die Tragweite wahrscheinlich nicht begriffen, nicht voll begreifen können – ich schwebe immer noch 10 cm übern Boden, haarscharf am Abgrund.

Gestern hatte ich ein langes Gespräch mit einer Krankenschwester vom Palliativteam  – es klingt nach!

 

 

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨

7 Gedanken zu „Gebet“

  1. Verwandlerin sagt:

    Großartiges Gedicht!
    Alles Gute für Carsten! Er ist ja ein Stehaufmännchen.

    1. piri sagt:

      Ja, aber auch ein Stehaufmännchen kann nicht aufstehen, wenn er nicht essen kann. DANKE für die guten Wünsche.

  2. dergl sagt:

    Ich soll von O. – mal wieder zu „faul“ zum selber schreiben – viele Grüße an Carsten ausrichten (von mir natürlich auch alles Gute).

    Es ist schön zu lesen, dass ihr ein bisschen weniger isoliert (im Sinne von keine nahestehenden Menschen haben) seid, als ihr geglaubt habt.

  3. boma sagt:

    Gutes Gedicht von Wondratschek!

  4. isa sagt:

    Ein sehr destruktives Gedicht
    wie ich finde und traurig
    Dass es dir Nahestehende gibt, die sich euch freiwillig zuwenden klingt erfreulich. Vielleicht hilft es deine butterweichen Knie zu stützen.

    1. piri sagt:

      Ja, traurig ist es in seiner Schnoddrigkeit, aber es passt gerade für mich. Für die Menschen bin ich sehr dankbar!

  5. momfilou sagt:

    Habs gelesen, das Gedicht auch. Vielleicht passt es, aber es macht traurig.
    Von Herzen gern las ich, dass du wenigstens ab und zu nicht isoliert bist.
    Dass sich abwenden, wer nicht ganz begreift, das habe ich ständig erlebt und erlebe es in meiner Schwäche gerade wieder.
    Liebe Abendgrüße an euch drei!
    Gerel

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