Erinnerungen, besonders die, die schön sein sollen, werden oft verklärt. Nicht absichtlich. Aber unsere Erinnerung lässt uns in Stich. Schlechte oder böse Erlebnisse möchte jede:r vergessen. So fallen mir zur Freundin auch nur Begebenheiten ein, die fest eingebrannt sind. In Gedanken vernebelt in rosa Wölkchen. Wir waren neidisch aufeinander. Sie wollte sich sogar meine kleine Schwester ausborgen. Es wäre sofort aufgefallen, denn eine, auch nur entfernte, Ähnlichkeit war nicht vorhanden. Meine Freundin schwerfällig, völlig unsportlich und böse ausgedrückt etwas wabbelig, stand einem kleinen drahtigen Mädchen völlig konträr. Sie hätte so gerne Geschwister gehabt, meine Freundin. Ich wäre diese manchmal gerne los gewesen. Sie konnte sich alles kaufen. Ging in ein Geschäft, sah, nahm und bezahlte. Ich ging in ein Geschäft, sah, nahm, legte weg, nahm, kramte meine Groschen zusammen, überlegte und kaufte dann doch nicht. Gerne hätte ich da für einen Moment mit ihr getauscht. Denn abgegeben hat sie nicht gerne. Es war ihr’s. Sie war es nicht gewohnt zu teilen. Sie neidete mir meine Klamotten und ich ihr ihre. Ihre Kleidung war gekauft, meine meist aus zweiter Hand oder von der Mutter genäht. Später habe ich selbst Häkelwesten kreiert oder Wintermützen mit angestricktem Schal an ältere Cousinen und deren Freundinnen verkauft. Handarbeiten konnte meine Freundin gar nicht. Topflappen, die sie häkeln musste, hatten fantasievolle Formen und waren keinesfalls quadratisch, wie vorgegeben. An der Nähmaschine brach sie mit schöner Regelmäßigkeit die Nadel ab. Die Handarbeitslehrerin befreite meine Freundin vom Unterricht. Stattdessen durfte sie im Schulorchester spielen. Dazu reichte meine Fähigkeit in die Blockflöte zu pusten nicht. Wenn es um etwas ging, was ihr Freude machte, dann entwickelte sie einen Mordsehrgeiz. Für diese Begeisterung habe ich sie auch beneidet. In Deutsch waren wir Konkurrentinnen. Nein, eigentlich nicht! Sie schrieb seitenlange Geschichten und ich damals schon knapp und Gedichte. Für Herrn Kohlhausen war beides prima. Er mochte sie lieber, weil er auch Musiklehrer war und das Orchester leitete. Geliebt haben wir ihn beide! Er war glücklich verheiratet und seine Frau erwartete das zweite Kind. Dass wir selber irgendwann Kinder haben könnten, lag damals noch in weiter Ferne.
Veröffentlicht von piri
In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ☀️ ❤️ Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.
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5 Gedanken zu „Freundin und 🎈“
Kommentare sind geschlossen.
wildgans sagt:
Alles gut, nur dieses Neidgefühl, das nagt…
piri sagt:
Nicht mehr. Ist alles Vergangenheit.
karfunkelfee sagt:
Deine Erinnerungen lese ich gern. Mit Deiner Freundin hätte ich um keinen Preis der Welt tauschen mögen. Aber nähen und werkeln hätte ich gerne mit meinen beiden linken Händen und Füßen besser gekonnt. Und am liebsten auch noch rechnen wie ein Adam Riese. Davon träumte ich. Von Textaufgabenlösungen, die mir wie gebratene Bananen in den Mund flattern. Von einer Geschicklichkeit, die mir Tollpatsch so oft fehlt.
Liebe Grüße
Amélie
piri sagt:
Textaufgaben sind mir leicht gefallen und meine Freundin hat sich in ihrem Leben eingerichtet.
piri sagt:
Meine Freundin war auch im Werkunterricht und Kunst eine Niete. Sie konnte wunderbar Musik machen und hat ihren großen Hund vorbildlich erzogen. Die Dogge folgte ihr bedingungslos.