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Geburtstag

Meine Hamburger Freundin hat heute Geburtstag! Sie wäre 71 Jahre alt geworden, wenn sie nicht gestorben wäre. Was für ein verrücktes Huhn! Sie ist einmal längst durch die Republik gefahren und hat mich zum Geburtstag abgeholt. Mich, die Angst hatte alleine Bahn zu fahren. Sie hat mich in Hamburg allein in ihrer Wohnung gelassen und ich musste die Stadt an der Elbe allein erkunden. Abends hat sie mit mir Sachen gemacht und ich war stolz in einer fremden Stadt. 

Ich denke oft an sie. Sie war schon eine schräge Frau und sie hat mich nicht nur einmal öffentlich als anstrengend bezeichnet. Aber das durfte ich auch! Sie hat mich blind verstanden und wenn nicht, hat sie geredet und niemals dicht gemacht. Als ich Multiples Organversagen hatte, hat sie über  die vielen Kilometer hinweg als keine Angehörige von den Ärzten Auskunft erhalten, so überzeugend konnte sie auftreten. Als sie krank wurde, hat sie das verleugnet  – für sich, für andere, sie wollte es nicht wahrhaben, dass ausgerechnet ihr Krebs tödlich ist. 

Das war’s dann auch. Ich vermisse sie. Noch jemand den ich vermisse!

Ach so, ihr die ihr meine Beiträge nur im Reader lest, bekommt die Bilder zu den Artikeln leider nicht zu sehen. Ihr verpasst was!

Gedanken, Kuddelmuddel, Musik

meine Freundin und ihre Musik

Wir mochten beide gerne deutsche Texte. Aber niemals Schlager. Der Plattenschrank ihrer Eltern war reich bestückt. Viel Playbach von  Jacques Loussier, aber auch Ingrid Caven.  Meine Eltern hörten kaum Musik und wenn dann Wanderlieder. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mit uns in ein Konzert gegangen ist. Gesungen hat sie dennoch viel – Volkslieder aus der Mundorgel. Wir Freundinnen haben zusammen geschwiegen und gelauscht. Zarah Leander, Greta Garbo, später Reinhard Mey  – oft seine französischen Lieder – Jacques Brel und Adamo, Alexandra … Aber auch Opern, Kirchenmusik – nur niemals Schlager und Operetten und Musicals. Unsere Musik musste ernsthaft sein und wahrhaftig. Ganz schön vermessen für Teenager. Da sind wir wieder einmal aus der Reihe getanzt. Sind aufgefallen und abgestempelt worden, als die, die sich für was besseres halten.

… übrigens liebe ich diese weißen Vögel – das Lied. Georgette Dee hat es auch gesungen und noch ganz viele andere.

Kuddelmuddel

Freundin und 🎈

Erinnerungen, besonders die, die schön sein sollen, werden oft verklärt. Nicht absichtlich. Aber unsere Erinnerung lässt uns in Stich. Schlechte oder böse Erlebnisse möchte jede:r vergessen. So fallen mir zur Freundin auch nur Begebenheiten ein, die fest eingebrannt sind. In Gedanken vernebelt in rosa Wölkchen. Wir waren neidisch aufeinander. Sie wollte sich sogar meine kleine Schwester ausborgen. Es wäre sofort aufgefallen, denn eine, auch nur entfernte, Ähnlichkeit war nicht vorhanden. Meine Freundin schwerfällig, völlig unsportlich und böse ausgedrückt etwas wabbelig, stand einem kleinen drahtigen Mädchen völlig konträr. Sie hätte so gerne Geschwister gehabt, meine Freundin. Ich wäre diese manchmal gerne los gewesen. Sie konnte sich alles kaufen. Ging in ein Geschäft, sah, nahm und bezahlte. Ich ging in ein Geschäft, sah, nahm, legte weg, nahm, kramte meine Groschen zusammen, überlegte und kaufte dann doch nicht. Gerne hätte ich da für einen Moment mit ihr getauscht. Denn abgegeben hat sie nicht gerne. Es war ihr’s. Sie war es nicht gewohnt zu teilen.  Sie neidete mir meine Klamotten und ich ihr ihre. Ihre Kleidung war gekauft, meine meist aus zweiter Hand oder von der Mutter genäht. Später habe ich selbst Häkelwesten kreiert oder Wintermützen mit angestricktem Schal an ältere Cousinen und deren Freundinnen verkauft. Handarbeiten konnte meine Freundin gar nicht. Topflappen, die sie häkeln musste, hatten fantasievolle Formen und waren keinesfalls quadratisch, wie vorgegeben. An der Nähmaschine brach sie mit schöner Regelmäßigkeit die Nadel ab. Die Handarbeitslehrerin befreite meine Freundin vom Unterricht. Stattdessen durfte sie im Schulorchester spielen. Dazu reichte meine Fähigkeit in die Blockflöte zu pusten nicht. Wenn es um etwas ging, was ihr Freude machte, dann entwickelte sie einen Mordsehrgeiz. Für diese Begeisterung habe ich sie auch beneidet. In Deutsch waren wir Konkurrentinnen. Nein, eigentlich nicht! Sie schrieb seitenlange Geschichten und ich damals schon knapp und Gedichte. Für Herrn Kohlhausen war beides prima. Er mochte sie lieber, weil er auch Musiklehrer war und das Orchester leitete. Geliebt haben wir ihn beide! Er war glücklich verheiratet und seine Frau erwartete das zweite Kind. Dass wir selber irgendwann Kinder haben könnten, lag damals noch in weiter Ferne.