Behinderung, Gedanken, Junioren

einatmen – ausatmen

…oder ist es umgekehrt? Erst ausatmen und dann einatmen? Momentan scheint mir das wirklich alles egal zu sein, Hauptsache atmen – irgendwie. Leben, eben!

„Es reicht. Jetzt reicht’s.“ Das soll ich mir sagen, sagt mein Verstand. Zuerst soll ich es mir sagen. Zuallererst mir. „Denn du machst schon genug! Du musst nicht immer Volldampf fahren, musst nicht immer 150% geben, 90% reichen auch!“ Ich glaube es nicht, kann es nicht glauben – aber ich muss, sonst ist es irgendwann einmal vorbei mit dem Überlegen ein- oder auszuatmen!

Die Junioren sind in der LebensWerkstatt. Beide! Auch der Kerle und er geht gerne, er freut sich auf die Kumpel und seine Arbeitskollegen. Ja, er freut sich auf die Arbeit – nur aufs Essen dort freut er sich nicht. Er muss dann essen, wenn alle essen und meistens essen alle anderen sehr viel schneller, als er und dann hat er schon keinen Appetit mehr. Wenn dann auch noch Druck von den Betreuern kommt und insistiert wird: „C. trink, C. iss!“, dann hat er keine Lust mehr. Seit einiger Zeit hat er griffbereit kleine Snacks stehen und kann die nach seinem Gusto essen, wenn er es denn täte. Außerdem sind sie nicht immer vorrätig. Andere behinderte Mitarbeiter naschen auch sehr gerne davon. Sie sind behindert, sie nehmen, was sie kriegen können. Manche sind eh schon zu dick oder auf Diät. Da sind kleine Snacks, die griffbereit stehen, ein willkommenes Futter – im wahrsten Sinne des Wortes!  … und der Kerle ist manchmal sogar froh, dass das ungeliebte Essen verschwunden ist!

Einatmen – ausatmen. Zuhause ist es nicht anders. Töchting isst dem Kerle – damit er nicht essen muss – die Banane auf. Nur, ich habe es unter Kontrolle, kann einen bzw. zwei Menschen beobachten und gegebenenfalls einschreiten. In der Werkstatt, im Förder- und Betreuungsbereich ist das nicht möglich. Außerdem sind Menschen, die ständig Hunger haben sehr erfinderisch, wenn es um Essenbeschaffung geht. Bonbons und Kekse sind schon lange nicht mehr in den Rucksäcken der Junioren. Allenfalls das Einwickelpapier bleibt drin.

Einatmen – ausatmen. Alles gut! Es ist Advent, Zeit einen Gang runter zu schalten. Wir können sowieso nicht all das machen, was wir wollen. Werden’s halt nur 90% und das ist bestimmt genug.

Weihnachtsgeschenke werden überbewertet – alles wird gut und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende!

 

Veröffentlicht von piri

In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. | Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.