Behinderung, Kuddelmuddel

das Leben

All diese Tage, die kamen und gingen: Ich hätte nicht gedacht, dass sie das Leben sind. | Stig H. Johannson

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Das Problem mit der Überschrift

Das Problem wegen der Überschrift, ist das kleinste Problem. Aber wie soll ich anfangen, ohne die Dramatik zu dramatisieren? Wie soll ich objektiv erzählen, wenn ich innerlich zerspringe? Draußen läuft das Leben einfach weiter – als sei nichts geschehen, als würde nirgend ein Unheil passieren! Ist das normal? Was ist normal? Zählt ein einzelnes Leben nicht? Aber auch ich sehe nicht die Ängste anderer Menschen, sehe nicht ihren Schmerz und sehe nicht, will es vielleicht auch gar nicht sehen – nein, ich will es nicht sehen, ich habe mit meinem eigenen Schmerz viel zu viel zu tun, da kann und will ich mir nicht auch noch die Sorgen anderer anhören. Auch wenn ihr Schmerz, zwar ein anderer ist, aber mindestens genauso heftig wehtut, wie meiner. Kann man, darf man überhaupt vergleichen? Ist das nicht blasphemisch?

Wo anfangen zu schildern? Bei der Geburt des Kerle? Damit fing mein Schmerz an. Ich wusste damals noch nicht, wie viel mehr Schmerzen noch auf mich zukommen. Wie viel Schmerz ein Mensch aushalten kann – was eine Mutter aushalten kann? Mein Kind stirbt! Noch nicht heute und hoffentlich auch nicht morgen. Aber er wird von Tag zu Tag weniger und ich stehe völlig allein da. Niemand fühlt sich in der Lage mit mir zusammenzusitzen und mit mir zu reden – niemand hält es aus, mich aus, die Situation aus … Sogar die Pastorenfreundin flüchtet, weil auch sie Angst hat. Ich kann nicht weglaufen, ich werde es aushalten müssen, werde zugucken müssen und nichts tun können, um meinem Kind zu helfen. Ich kann nicht helfen! Stattdessen werde ich wütend und zornig – verlange von den Junioren, auch vom Töchting Dinge, die sie nicht leisten können. Nicht mehr leisten können. Auch deswegen nicht leisten können, weil sie behindert sind. In meiner ganzen Ohnmacht werde ich ungerecht. Was mich traurig macht, ist die Tatsache, dass ich mich im Stich gelassen fühle, dass ich die Hilflosigkeit der anderen spüre und mich doch so sehr danach sehne, nicht alles mit mir selbst ausmachen zu müssen. Ich wünsche mir – und da sind wir bei meinem Hauptthema – ein Gegenüber, das mich mit meinen Sorgen und Ängsten aushält und mir zuhört. Auch dann, wenn ich immer und immer und immer und immer wieder dasselbe erzähle. Vielleicht gibt es doch einen Weg aus dem Irrgarten. Und wenn nicht, dann wenigstens ein offenes Ohr und ein Herz, das meine Sorgen teilt!

P.S.: Eigentlich ist der Beitrag ungehörig, aber ich weiß, dass ich mit diesen Sorgen nicht allein bin (Paradox, nicht wahr?). Mag sein, dass andere Menschen andere Sorgen haben, aber sie sind möglicherweise sogar in diesem Moment genauso verzweifelt, wie ich es bin. Gibt es kein Krisenmanagement in diesem doch so reichen, ach so sozialen Deutschland? Wie viele Menschen sitzen gerade irgendwo und können nicht mehr?

Bitte keine mitfühlenden Kommentare. Dass ihr mitfühlend seid, weiß ich, dass ihr gerne helfen würdet, aber nicht könnt, auch. Dass sich bei euch Hilflosigkeit breit macht, tut mir leid und auf keinen Fall möchte ich ein schlechtes Gefühl wecken – vielleicht einen Impuls: schaut mal, was ihr in eurer Umgebung machen könnt, haltet die Augen und Ohren auf und guckt, wo ihr tatkräftig helfen könnt.

Danke! | P.P. S.: Ich schreibe direkt ins Eingabefeld und Bitte wirklich keine Likes, denn ich könnte nicht verstehen, warum man so einen Beitrag als Gefällt mir kennzeichnen kann.

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨ Hier gibt es die Möglichkeit etwas in den, wenn auch nur virtuellen Hut zu werfen. Herzlichen Dank!

5 Gedanken zu „das Leben“

  1. christine b sagt:

    liebe petra, ich habe nun deine 2 letzten einträge gelesen und bin froh, dass du sie geschrieben hast,
    dir damit etwas von der seele schreiben konntest.
    hilflos und bedrückt hoffe ich sehr, dass du diese berge, die sich da auftürmen überwinden kannst und dahinter den weg findest, der gegangen werden muss. bin in gedanken bei euch!

    1. piri sagt:

      Wenn ich’s nicht täte würde ich zerplatzen, so angespannt bin ich innerlich!

      1. christine b sagt:

        das verstehe ich, ich wäre es auch! viel kraft petra- euch allen!

  2. Fundevogelnest sagt:

    Auch wenn das Mitlesen nur in der Ferne stattfindet ist Anteilnahme da, vielleicht kann sie manchmal aus den Buchstaben hindurchgefühlt werden.
    Nein, es gibt kein Ranking für Schmerz. Und das Recht darauf muss nicht erkämpft oder begründet werden.
    Wünsche dem Kerle noch viele,viele gute Tage.

    (Ein Like auf schmerzhafte Texte bedeutet für mich, ich habe es gelesen, dieser Text ist mir nicht egal, ich möchte dass die oder der Schreibende das weiß)

    1. piri sagt:

      Danke für deine Worte. Es ist weiß Gott nicht leicht auf diese meine Beträge einen Kommentar zu schreiben und deswegen bin ich umso dankbarer für jeden Kommentar.

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