Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

am Limit

Die Krankenhaustage haben mich geschlaucht. Das merke ich erst jetzt am Sonntagabend. Emotional, physisch, psychisch und überhaupt! All dies alleine zu verarbeiten, übersteigt nun doch meine Kräfte. Ich habe sehr wenig Zeit für meine eigene Erholung gehabt. Hilfe, um die ich gerufen habe, kam nicht. Ich habe nicht als Mensch versagt – das weiß ich – es sind die Rahmenbedingungen, die es so schwer machen, das Leben einfach zu meistern.

Nach außen sind die Junioren charmante, liebenswerte Menschen, nach innen auch. Aber sie haben Eigenschaften, die Fremde süß finden und die mich granatenmäßig nerven. Sprüche, die ich teilweise schon seit Jahrzehnten höre und die einen Triggerpunkt bei mir setzen, der meinen Puls in die Höhe schnellen lässt. „Hör doch einfach nicht hin!“ Das ist leicht gesagt und schwer getan.

Seit zwei Stunden predige ich, dass sie etwas trinken sollen – seit zwei Stunden gegen die Wand. Mein Limit für heute ist überschritten.

∙∙∙∙∙

… und dann bringen mich Flüchtigkeitsschreibfehler zusätzlich aus dem Gleichgewicht!

Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

mündiger Patient

Es geht schon wieder los! Ist das eigentlich üblich? Medikamente anordnen, ohne zu besprechen was diese für eine Wirkung haben und überhaupt – anordnen und dann, wie Gefolgsleute einfach unhinterfragt nehmen. Dann steht in der Patientenakte, dass ich dreimal täglich inhaliert habe. Ich weiß von nichts. Ja, Inhalierflüssigkeit war im Zimmer – diese haben sie uns gleich am ersten Tag, zur ersten Stunde hingestellt – mit zwei Inhaliermasken. Zu dem Zeitpunkt stand überhaupt noch nicht zur Debatte, dass ich auch aufgenommen werden sollte. „Vorsorglich“, sagte die Schwester. Aber dann kam nichts mehr. Weder eine Erinnerung, noch eine Anordnung der Stationsärztin. Ich habe jedenfalls nicht inhaliert und die Junioren auch nicht!

Carsten hat eine enge Brust, anatomisch bedingt. Das ist die Ursache für seinen Husten und wahrscheinlich auch für seinen Sauerstoffsättigungsabfall, weil seine Bronchien ebenfalls verquer sind. Die Untersuchungen waren umfangreich, aber ein Bedarfsmedikament ist nicht angesetzt worden. Falls der Sauerstoff mal wieder so weit runtergeht und Betreuer und ich, ob der Reaktion des Kerles, in Panik geraten haben wir nichts an der Hand. Meme für mich: Unbedingt nachfragen!

Wiebkes Lunge ist frei. Alles okay. Es scheint ein reiner Solidaritätshusten zu sein und nicht bedenklich.

Meine Lungenmedikamente sind komplett umgestellt worden – völlig über den Haufen geschmissen und nichts wurde erklärt. So etwas macht mir Oberstress. Wenn ich nicht weiß, was ist. Und dann gibt es nur Wirkstoffnamen. Mit denen kann ich als Laie nichts anfangen. Der Pfleger sagt mir, dass er nur das ausgibt, was im Computer steht. Ja tut er, aber nicht vollständig. Nur weil ich nachgefragt habe, habe ich noch ein Bedarfsspray bekommen und das Prednisolon – das ich heute Morgen als 20mg genommen habe, entpuppte sich heute Abend als 50mg. Die Ärztin sprach von 20mg! Im Computer steht 50mg. Mal wieder fühle ich mich als unmündige Patientin, mit der man es ja machen kann. Nein. Mit mir nicht! Natürlich ist jetzt am Abend niemand der Ärztinnen mehr da, den/die ich fragen kann. 

Mag sein, dass ich zu kritisch bin. Aber es geht schließlich um unsere Gesundheit und damit mache ich keine Experimente. 

∙∙∙∙∙

Kann sein, dass mehrere Nachträge kommen. Die Junioren wollen versorgt werden, ich sollte zur Ruhe kommen, denn das Töchting hatte heute einen Tag mit mehreren Komplettumzügen (unser Wäschevorrat ist aufgebraucht). Der Kerle hat die Bronchoskopie souverän gemeistert, war anschließend aber erst mal groggy. Danach ist er zur Höchstform aufgelaufen. Ich? Ich bin sauer und doch nicht sauer. Mir gehts gut und doch wieder nicht. Ich fühle mich sehr stark respektiert und doch nicht für voll genommen. Dass ich im Autismus-Spektrum bin, habe ich leider im Vorfeld nicht gesagt und genau das bereue ich zutiefst. 

20:49 Uhr – wie kann man nur so einen Beitrag liken?

21:07 Uhr – Der erste wirkliche Nachtrag und eine zugegeben rhetorische Frage: Sind nur Menschen im Autismus-Spektrum so überkritisch und sehr korrekt? Ich stelle immer wieder fest, dass Patient*innen widerstandslos alles schlucken, was ihnen verordnet wird und die Therapie nicht einen Deut hinterfragen. Ja, noch nicht einmal nachfragen warum die Medikation so ist.

 

Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

Ungeduld

… oder nebenbei.

Bitte, kann das nicht alles ein wenig schneller gehen?

Die Waschmaschine ist zu langsam, ich muss noch die Betten beziehen und nach dem Handball – gehen wir überhaupt zum Handball?, es regnet doch in Strömen und sowieso haben wir keine Begleitung – also nach dem Spiel ist es zu spät dazu. Aber wenn die Kopfkissen noch nicht einmal gewaschen sind, wie sollen sie dann trocknen, wer soll sie in den Trockner stecken? Mich macht das hibbelig. Wir müssen zum Handball, Punkt. Denn, auch wenn wir heute Abend alleine gehen, könnte ich dort den Hallensprecher bitten, eine Suchdurchsage zu machen und eventuell meldet sich ja jemand der/die uns zu weiteren Spielen begleiten mag. 

Gegessen haben wir auch nichts. War noch keine Zeit was zu kochen. Beide Junioren haben gebadet und beide Betten musste ich auch heute abziehen. Manches kann ich nebenbei – bin große Meisterin darin, Dinge nebenbei zu machen. Kochen geht nicht. Hatte ich mal versucht, da gab es dann Kohle! Jetzt wollen die Herrschaften nichts essen und Bratwurst im Weck (heißt so im Schwabenländle) in der Halle können sie nicht beißen. Mistdilemma.

„Mama, wer spielt denn?“ „Carsten trink was!“ „Hab keinen Durst!“ „Wiebke trink was!“ „Kann ich nicht mehr.“, jammert sie. „Warum kann der H. nicht mehr mit zum Handball kommen?“ Carsten fragt das dritte mal. „Weil er alt und krank ist.“ „Wie alt ist der?“ „Über achtzig.“ „Das ist alt!“ So geht‘s die ganze Zeit. Nebenbei schiebe ich den Herschafften ein paar Kekse unter, bettele, dass sie wenigsten ein bisschen was trinken und vergesse selber mein Glas auch nur anzugucken.

Die Waschmaschine schleudert kurz – nur noch spülen, dauert ca. 45 Minuten und ich sitze auf heißen Kohlen. Das Töchting sagt, dass sie keinen Bock auf Handball hat. Der Kerle nöhlt: „Ich will aber!“ Nebenbei erzählt er mir, von den weitergehenden Kämpfen im Gazastreifen und von den Drohnen am Münchner Flughafen. Will ich nicht wissen und sag ihm das. Da hält er mir einen Vortrag, dass ich mich informieren und wissen muss, was in der Welt passiert. Nebenbei streikt mein Drucker. Nein, eigentlich der Drucker nicht, ich kann nur die Datei aus der Anwendung nicht direkt drucken und muss einen umständlichen Weg gehen. Wie funktioniert das noch mal? 

Ich bin eh so eine Paniktante. Wenn was nicht klappt, dann macht mir das Stress – kennt ihr ja auch schon, macht es nur nicht besser. Nebenbei schwebt das nasse Kopfkissen im Raum, der blaue Spannbezug, den Wiebke will, ist auch mit in der Waschmaschine. Die Zeit rast!

“Carsten trink was!“ Jaaaaaaa, mach ich doch!“ „Wiebke, hast du was getrunken?“ „Nee, Mama das mag ich nicht!“ „Was möchtest du stattdessen?“ „Weiß ich nicht.“

Warum geht das Leben eigentlich nur linear? Kann es nicht auch parallel passieren? Es würde mir so einiges erleichtern. Und ganz nebenbei wünsche ich mir noch ein paar Arme, einen Kopf in dem nicht ein Taubenschlag ist und ein Viertelstündchen R U H E!

∙∙∙∙∙

15:52 Uhr – „Wiebke magst du einen Milchreis essen?“ Ich habe einen einer bekannten Marke daheim, den ich eigentlich nie wieder kaufen wollte, weil der Inhaber des Ladens der blauen Partei nahe steht. „Nein!“ Ich kenne meine Tochter: „Soll ich ihn dir füttern?“ „ja!“ „Warum sagst du es denn nicht gleich.“ Verzweiflung macht sich breit.

∙∙∙∙∙

20:15 Uhr – habe fragen lassen. Leider keine Resonanz. Ich bin traurig.