Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

Medizin

Ein wirksames Heilmittel gegen Angst ist Milde.

Von wem das Zitat ist, weiß ich nicht – zumindest nicht von Seneca, dem es fälschlicherweise zugeordnet wird. Eigentlich ist es auch egal, denn milde mir selbst gegenüber bin ich leider nicht. 

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Diese Hitze verlangt einiges von mir ab: Die Junioren schlafen momentan in meinem Bett im Souterrain, ich auf einer Matratze – die superbequem ist – zu ihren Füßen. Der Weg dorthin ist es nicht. Dreizehn Stufen trage ich erst den Kerle runter, dann das nötige Equipment – sprich: Tablet, Kuscheltiere, Getränke etc. – dann nehme ich meine ganze Kraft zusammen und schnappe mir das Töchting und schleppe sie nach unten. Heute ist mir das erstaunlich leicht gefallen. Wenn das den ganzen Sommer so weitergeht, muss ich den Umweg über die Außentreppe nehmen – wären zwar mehr Stufen, aber ich könnte sie im Rollstuhl sitzend transportieren. Transportieren, wie sich das anhört? Nicht schön, gar nicht schön. Dieses Wort in Zusammenhang mit einem geliebten Menschen hört sich viel zu technisch und unmenschlich an. Aber bei 28°C Zimmertemperatur schlafen zu müssen, ist auch eines Menschen nicht würdig.

So bin ich doch milde und habe dennoch große Angst. Diesmal aber ist es eher Furcht. Ich fürchte, es nicht schaffen zu können, fürchte, dass meine Kraft nicht reicht. Fürchte gerade den kommenden Sommer!

✨Da sich ja eh keiner dran hält, gibts wieder Likes✨, Kommentare sind mir lieber.

Behinderung, Junioren

Momentaufnahme

Hast du was getrunken? Jaaaaa! Naja, nur ein Minischlückchen. Carsten hat auch nichts getrunken. Carsten trink was! Hab ich schon. Ja, nicht viel. Aber immerhin was. 

Zehn Minuten und einen Schweißausbruch später: Könnt ihr bitte noch was trinken? Der Kerle nippt, das Töchting beginnt zu diskutieren: Mag keinen Eistee! Dann trink endlich deinen Kakao aus. Aber nicht alles. Fang wenigstens an. Jaaaaa, mach ich doch, nimmt ihre Flasche, setzt sie an die Lippen, befeuchtet diese und stellt sie wieder ab. Ich werde energischer; trink! Wiebke fängt unvermittelt an zu weinen. Der Kerle hört es, springt in die Bresche und erzählt, dass wir nicht so laut sein dürfen, weil sonst die Polizei kommt und uns wegen Ruhestörung verhaftet. Ich gebe klein bei und das Töchting bekommt Orangensaft! Davon nippt sie auch nur ein Schlückchen.

Argumente, wie, dass sie bei der Hitze viel trinken müssen, werden damit abgeschmettert, dass sie dann so oft aufs Klo müssen und dass das viel Arbeit für mich wäre. Verdursten und vertrocknen zählt nicht – dafür würde ich schon sorgen, dass das nicht passiert, mit meiner ewigen Nörgelei!

So jetzt kommt ihr …

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Wiederholungen passieren so den ganzen Tag. Beide haben überhaupt kein Durstgefühl!

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20:28 Uhr – wir sind ins Souterrain geflüchtet. Hoffentlich habe ich morgen früh die Kraft mein Töchting die Treppe hoch zu tragen!

Behinderung, Familie, Gedanken

woanders ist es auch Scheiße

Die Überschrift ist ein Zitat aus einer Radiosendung bei eines Podcast und ich bin drüber eingeschlafen. Hängen geblieben ist dieser eine Satz. Denn, wenn du weggehst von einem Ort, an dem es dir nicht gefallen hat, so nimmst du dich und deine Sorgen auch immer wieder mit. Dalassen kannst du sie nicht. Alles was du bist und was dich betrifft, ist in dir drin. Dem kannst du nicht davonlaufen.

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Gestern bin ich sang und klanglos aus der Tagesklinik entlassen worden. Das abschließende Gespräch mit der Psychiaterin war fast freundschaftlich. Resignation lag nicht in der Luft. Aber eine Perspektive auch nicht.

Der Nachmittag und Abend war gefüllt – der Kerle brachte aus der Werkstatt eine zweigeteilte Brille heim und hat einen kleinen – inzwischen größeren – blauen Fleck am Auge. Derangiert. Wir hatten unsere alte Pastorenfreundin eingeladen – ich dachte, ich könnte ihr gerecht werden, ohne mich zu sehr zu verbiegen. Aber bei uns gehören immer drei dazu und der Kerle hatte Frust! Mein empathisches Töchting litt mit. Ich steckte zwischen allen und sollte einmal wieder das Bindeglied sein. Die alte Dame begann, sobald sie die Haustür hinter sich hatte, über ihre körperlichen Leiden zu klagen. Darüber, dass der Tränenkanal im Auge verstopft ist – mit was wollt ihr gar nicht wissen, ich bin nun ausgebildeter Laie und kenne sämtliche Konsistenzen – dass ihr Schlaf immer noch mehrmals die Nacht unterbrochen ist, weil sie den neuen elektrischen Lattenrost leider nicht so einstellen kann, das es eine bequeme Position ergibt. Dass ihre alten Nachbarinnen im Pflegeheim – sie wohnt im betreuten Wohnen – fast alle zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Schlussendlich hat sich Carsten breitschlagen lassen und hat mit uns MenschÄrgereDichNicht gespielt. Die Pastorenfreundin hat eine Passion und spielt rigoros exzessiv, merkt aber dennoch nicht, dass ich Carsten bevorzuge, damit er bei Stimmung bleibt! Da sie nur das spielt und währenddessen weniger jammert, kann ich etwas durchschnaufen! Mit dem Töchting hat sie dann noch Sport gemacht – Wasserball hin und hergespielt – das war eine Gaudi.

Am Abend waren wir eingeladen. Auf 19:00Uhr zum grillen. Essen wäre dann fertig! Nichts war‘s. Kohle war grad angezündet. Gegessen haben wir um neun. Die Laune des Kerles im Keller und mein Töchting hundemüde. Ich liebe diese gastfreundschaftliche Chaosfamilie, ich bezeichne die Mutter auch als meine Wunschtochter, aber ein bisschen strukturierter könnten sie schon sein! Vor fast drei Wochen sind sie in ein Haus gezogen und sie leben aus den Umzugskartons. Während des Umzugs ist ein Schrank entzweigekracht und der fehlt nun… Ein Karton-Tetris und Sachen, die ins Bad müssten, stehen werweißwo und andersrum. Diesen Gleichmut, den sie dabei bewahren, den hätte ich auch gerne! Aber ein bisschen Organisation täte auch gut.
Die Überraschung das Abends war dann ein voller Erfolg: Die Wunschtochter machte dem Vater ihres einen Sohnes einen Heiratsantrag mit einem Ring aus Alupapier. So rührend und völlig überraschend. Mir kamen schon wieder die Tränen. Wiebke weinte auch, weil sie sah, dass es noch später wurde. Carsten schlief fast auf dem Rollstuhl ein. Ich? Ich weiß nicht. Ich habe funktioniert, hab den Tisch abgeräumt, in die übervolle Küche gestellt, mir meine Junioren geschnappt und bin zum Auto.

Daheim war der Kerle überdreht, das Töchting leicht feucht, beide hatten Duuuuurst, in mir stieg wieder der Gedanke hoch, nicht zu genügen.

Heute Morgen guckt mich der Nachbar an und murmelt so was wie: „Deine Hecke müsste auch mal wieder geschnitten werden!“ Ich duck mich weg.

… wir bleiben heute daheim – woanders ist es auch nicht besser!