Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

Mitfahrer und Helfer dringend gesucht

Manchmal gilt es in all die Fragen einzutauchen und die Antwort vom Leben selbst gestalten zu lassen und in mir aufzuspüren. Meiner Wahrheit und somit meiner Spur folgen.

So, oder so ähnlich – den genauen Wortlaut habe ich mir nicht gemerkt – habe ich es letztens von einer weisen Frau gehört. Ich dachte damals und denke es eigentlich noch immer: Sie hat leicht reden! Was ist die Wahrheit? Was meine Wahrheit? Ist meine Wahrheit auch die Wahrheit der anderen und steht sie nicht konträr meinen Mitmenschen gegenüber?

Mir zieht’s gerade mal wieder die Füße unterm Arsch weg. Vor einiger Zeit hatte ich geschrieben, dass mich meine Haupthelferin, aus Gründen, in Stich gelassen hat. Sie fehlt mir nicht nur als Helferin. Ich hatte auch geschrieben, dass wir einen Untersuchungstermin beim Humangenetiker in der Leipziger Uniklinik haben. Es war vorgesehen, dass ebendiese Helferin mitfährt und mich dort unterstützt. Jetzt kristallisiert sich heraus, dass sie nicht mitfährt. Professionelle Helfer einer Hilfsorganisation habe ich nicht angefragt, weil ich deren Preise kenne und ich das nicht bezahlen kann. Auch, wenn nur 14€ in der Stunde berechnet werden und die Schlafenszeit möglicherweise wegfällt, muss ich die Hotel-, Reise- und Verpflegungskosten zusätzlich übernehmen und das kann ich mir nicht leisten. Wahrscheinlich muss ich zähneknirschend den Unitermin absagen.

Aber das ist eigentlich auch nur ein Pipikram. Viel stärker fällt ins Gewicht, dass Vertrauen gebrochen ist. Vertrauen, von dem ich dachte, es wäre so stark und groß, dass nichts dazwischen passt und uns trennen könnte. Wenn ich jetzt schreibe, dass ich erschüttert bin, klingt das sehr dramatisch – mein Körper zeigt mir aber auf, dass dem so ist …

Ein- und ausatmen und manchmal die Richtung wechseln hilft. Etwas anderes machen, schöne Dinge tun – und, und dringend, neue verlässliche Helfer suchen!

Wenn ihr wollt, könnt ihr uns gerne etwas Gutes tun!

 

Familie, Gedanken, Kuddelmuddel

schlaflos im wilden Dorf

Draußen fliegen die Nachtmaschine am Himmel, oder ist es die ISS die vorbeirauscht? Jedenfalls bewegt sich was am wolkenlosen Firmament. Wann Vollmond ist weiß ich nicht, es wird nicht mehr lange dauern, aber ich scher mich eh nen Teufel darum.

In meinem Kopf geistert viel zu viel, da ist die Außenwelt nur hinderlich. Allein bin ich mit mir – ich halte mich aus, habe auch keine Sehnsucht nach lebenden Menschen. Links neben mir ist sowieso kein Platz, da liegen Bücher, mein Lungenspray, wenn ich fertig bin mit tippen, die Brille und das ausgeschaltete Tablet. Der Mann, der früher an dieser Seite schlief ist längst Asche. Und schon wieder ist es da, das gnadenlose Vermissen. Natürlich täte ich ihn nicht wecken, aber spätestens am Morgen hätte ich das Gespräch gesucht und ihm meine Ängste geschildert.

Heute Nacht rede ich mit einem Toten und komme mir so dämlich vor. Die Telefonseelsorge ist nicht erreichbar – es gibt also noch mehr Menschen, die nicht schlafen können und ihre Sorgen teilen wollen. Ich wüsste auch gar nicht wo ich anfangen soll zu erzählen. Viel zu komplex kommt mir mein Leben vor. Ich ziehe scheinbar Sorgen und Nöte an. Am Nachmittag hat mir die Pastorenfreundin zum wiederholten Mal ihre Fußgeschichte erzählt; was sie mit den Ärzten erlebt hat und was für Therapien nicht wirken und warum sie beim MRT war und was sie den behandelnden Orthopäden erzählen wird, am Montag. Seit Monaten höre ich von ihr nur Fuß, Fuß und noch mal Fuß und wir spielen, wenn sie da ist MenschÄrgereDichNicht und wenn Carsten kotzt, wie heute geschehen, wartet sie, bis ich ihn umgezogen habe – und dann wollen beide unisono weiterspielen.

Ich hätte auch gerne gekotzt!

Die Freitagshelferin am Abend kam ja nicht, sie hat familiäre Sorgen und Probleme und wenn ich das jetzt erzähle ohne den Hintergrund, scheint das für mich nicht relevant zu sein. Stattdessen belastet es mich sehr, denn diese Frau ist mehr als eine Helferin. Ich dachte, sie wäre eine Wunschtochter für mich. Jetzt, da ich nicht nur Seelenmülleimer spielen will, wirft sie mir Unsensibilität vor und lässt mich … Nein, ich schreibe nicht weiter – das geht euch nichts an.

Fakt ist, dass ich im Bett sitze und vor lauter Grübeln und husten, nicht schnaufen können, mit Halsweh und kranksein und Gedanken machen und mich erinnern, dass das als Kind schon so war, nur dass es da noch keine ISS gab – Fakt ist, dass ich nicht schlafen kann. Ich fühle mich verantwortlich für alle, möchte, dass es meinen Menschen um mich herum, gut ergeht. Spätestens um halb acht ist Wiebke wach und dann ruft sie nach mir. Da sollte ich einigermaßen fit sein. Dabei rennt das Gedankenkarussell: Was habe ich falsch gemacht? Wem war ich jetzt wieder nicht gerecht? Habe ich in meiner Unwissenheit Dinge gesagt, die verletzt haben? Warum hat Carsten gekotzt? Er war so still, hat er möglicherweise Kummer, den ich übersehen habe? Nein, das hat er nicht – so denke ich, er erzählt mir inzwischen seine Sorgen.

Nur mir hört niemand zu. Auch das stimmt nicht – ich erzähle einfach nichts. Auch aus dem Grund, weil ich niemanden belasten will.

Sorry, entschuldigt mich – ich sollte auch hier nicht jammern! Resilienz ist ein Fremdwort.