Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

Heute bleibt die Küche kalt

Wir werden auf Sparflamme leben und die ‚Fallmanagerin‘ empfangen. Es geht darum die Gelder für das kommende Jahr zu verwalten. Leicht wird es nicht werden, da am Anfang des kommenden Jahres bekanntlich sämtliche Krankenkassenleistungen verbraucht werden. Allerdings muss ich auch gucken, dass ich die restlichen 11 Monate, dass wir diese Monate gut überstehen. Dass den Juniorien nicht die Decke auf den Kopf fällt und ich mit meinen Resourcen halten kann. Vorrangig ist Teilhabe am Leben der Junioren. Sie sollen in Urlaub fahren können und ihre normalen Aktivitäten, wie Band und Offener Treff und schwimmen gehen auch im nächsten Jahr haben. Dafür werde ich kämpfen, auch wenn ich immer noch sehr wacklig auf den Beinen bin und inzwischen auch Kopfschmerzen habe . Ich bin es nicht gewohnt Kopfschmerzen zu haben …

Aber alles wird gut. Bislang ist es immer irgendwie gegangen und das wird auch weiterhin so sein!

Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

im November

… fällt aufstehen so schrecklich schwer. Besonders an Tagen wie diesen, vor dem siebzehnten. Es ist kalt – draußen und innen. Die Motivation fehlt. 

Die Junioren schlafen noch, Carsten sicherlich bis Mittag und an Wiebkes Tür werde ich so leise, wie möglich vorbeischleichen. Mein Bürokram wartet! 

Dabei rattert mein geschundener Kopf. Was war vor sieben Jahren? Sieben Jahre sind nichts und doch so viel! Ich gäbe was drum, wenigstens dafür den Ausschalter zu finden …

Behinderung, Gedanken

Die Mutter von Harti

Harti war »Der Behinderte« in meiner Kinderzeit. Er wohnte uns auf dem Luisenhof genau gegenüber, war schon groß und wollte immer fliegen lernen!

Wir Kinder haben mit ihm gespielt, ihn aber auch gefoppt und lächerlich gemacht. Er hat es hingenommen, gelacht und ist weitergeflogen. Hat mit den Armen gerudert, Motorengeräusche gemacht und lief, mehr stolpernd, als geradeaus, meist genau durch die Pfützen über den ungeteerten Hof. Ob Harti zur Schule gegangen ist oder schon in eine Behindertenwerkstatt, das weiß ich nicht mehr. Von Frau Schrader weiß ich nur, dass sie eine Frau mittleren Alters war und sehr kaputt aussah.

Hat sie gearbeitet? Ich weiß es nicht! Sie hatte nur Jungs. Waren es 4 oder 5? Ich weiß es nicht mehr! Horst, Hartmut, Michael, Detlef,?. Die Brüder waren untereinander nicht die besten Freunde. Aber einen von ihnen wurde der behinderte Bruder immer aufs Auge gedrückt. Damit Frau Schrader das Haus richten konnte. Harti war nämlich nicht sauber. Überhaupt nicht sauber – in jeder Hinsicht nicht sauber. Das zu einer Zeit, als es Waschmaschinen noch nicht in jedem Haushalt gab. Die Frau hatte sehr raue Hände vom ewig im Wasser sein. Auch gab es keine Wegwerfwindeln und manchmal stank Harti schon sehr.

Als kleines Mädchen war ich nicht zimperlich. Als kleines Mädchen habe ich oft versucht Harti anzufassen. Er war meistens schneller. „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“ So nassforsch wie ich tat, war ich nicht. Ich habe mich einerseits schon sehr gefürchtet und andererseits wollte ich diese Mutprobe!

Was muss Frau Schrader – die oft hinter der Gardine des Wohnzimmerfensters stand – gedacht haben, ob des bösen Spiels, das wir Nachbarkinder mit ihrem Sohn veranstalteten? Hat sie die Zähne zusammengebissen? Hat sie geweint? Manchmal, wenn wir es gar zu arg trieben, kam sie mit wehenden Schürzenbändeln raus, schnappte sich ihren ältesten Sohn, zog ihn hinter sich her und schmiss die Haustür mit einem lauten Knall hinter sich beiden zu. Danach wurde es laut im Haus gegenüber. Harti weinte, Frau Schrader mit ihm mit, sie schrie, er schrie. Sie schrie nach draußen nach ihren anderen Jungs, diese schrien zurück und wollten natürlich nicht ins Haus. Meine Oma schrie nach uns und holte uns, mich manchmal an den Zöpfen ziehend in unser Haus.

Was ist aus Harti geworden? Was ist aus Frau Schrader geworden? Fast zeitgleich sind wir umgezogen. In den gleichen Vorort. Nur wir auf den Hügel und sie mit ihrer Familie ins Tal.

Seit längerer Zeit denke ich wieder öfter an Harti und seine Mutter. Ich weiß nichts von ihr! Ich wusste nichts von ihr! Und ich möchte nicht so sein. Darüber definiert werden, die Mutter eines oder mehrerer behinderter Kinder zu sein und sonst nichts!