Kuddelmuddel

Vati, Harti und ich

Harti konnte es nie. Ich damals auch nicht und mein Vater hatte eigentlich fast nie Zeit für uns.

Harti hat sich trotzdem immer wieder den Roller geschnappt. Stolperte und fiel quer. Manchmal hat er sämtliche Roller versteckt, weil alle anderen damit so schnell waren. Gemerkt, dass er anders war, gemerkt hat er das schon: „Iss nich fein, dass ihr so gemein zu mir seid. Isch kann nich dafür, dassich so wenig inner Birne habe – abba ärgern iss nich fein!“

Gedanken, Kuddelmuddel

Orte | Worte

Ein Ortalphabet:

  • A = Ahlbeck, hach – da möchte ich gerne wieder hin.
  • B = Berlin, groß, hektisch, schön, interessant, fröhlich, neu und immer eine Reise wert.
  • C = Col de la Schlucht, im Elsass, wo wir am See ein feines Picknick mit Wein, Käse und französischen Baguette machten.
  • D = Detmold, dort im Krankenhaus war Wiebke in der Frühchenstation und wurde gut versorgt.
  • E = Elze, ein Bahnhof auf dem meine Eltern standen, uns (meinen Bruder 4Jahre und mich 6Jahre) abzuholen. Wir sind aber bis Hannover durchgefahren.
  • F = Flein, da wo ich wohne.
  • G = Goslar, die Stadt im Harz mit der Kaiserpfalz.
  • H = Hameln, meine Geburtsstadt werde ich nicht vergessen.
  • I = Innsbruck mit dem goldenen Dachl, mit schneebedeckten Bergen umgeben und holprigen Pflaster (für Rollstuhlfahrer schwer zu vertragen).
  • J = Jagsthausen mit den Festspielen vom Götz von Berlichingen.
  • K = Konstanz am Bodensee mit der Imperia. Ganz im Vertrauen, dort hatte ich mal einen heftigen Streit mit dem Liebsten.
  • L = Las Vegas mit den bunten Lichtern und dem sauteuren Frühstück…
  • M = München, meine Stadt zum strolchen als Kind in den Ferien bei meinen Großeltern.
  • N = Neuengamme – puh, als wir in Hamburg waren, waren wir auch dort in der Gedenkstätte des KZ.
  • O = Oberstaufen, da wollten wir mal hin und haben es wegen dem Schnee nicht gemacht.
  • P = Paderborn, erzkonservativ, dort hat mein Bruder studiert und es ist trotzdem was aus ihm geworden.
  • Q = Quedlinburg, diese alte Stadt im Ostharz hat ein Flair, das seinesgleichen sucht.
  • R = Rostock, da hab ich mich mal fürchterlich verfahren.
  • S = San Fransisco, immer wieder gerne. Ich mag diese Stadt an der Westküste Amerikas.
  • T = Talheim, da arbeiten die Junioren.
  • U = Untergruppenbach, da fahr ich immer auf die Autobahn – irgendwohin.
  • V = Verona mit Julias Balkon.
  • W = Wolfsburg, erstens ist es die Stadt des VW und zweitens war ich dort auf meinem ersten Konzert von Reinhard Mey.
  • X = Xanten am Niederrhein, da hab ich mich auch mal gelangweilt, weil mein Mann viel zu sehr in der Geschichte versunken war.
  • Y = Ypern ist eine Stadt in Belgien, aber da war ich noch nicht.
  • Z = Zürich Parkgebühren ungemein teuer. Dafür am Limmat am Abend einen wunderschönen Sonnenuntergang gesehen.

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Wenn ihr wollt, könnt ihr uns gerne etwas in den imaginären Hut werfen! Ihr dürft aber auch spazieren gehen, lachen, weinen und den grauen November genießen.

 

Kuddelmuddel

Harti und der Kakao

Meine Oma hatte immer, unter einer gehäkelten Haube eine Kaffeekanne auf der Anrichte stehen. Von irgendjemand muss ich es ja haben, dass ich so gerne Kaffee trinke und damit meinen Tagesbedarf an Flüssigkeit decke. Nur, war es bei meiner Oma Muckefuck, der warm gehalten wurde. Sie war eine sparsame Frau, es lag wohl auch an der Zeit, dass richtiger Kaffee nur am Wochenende getrunken wurde.

„Magst du auch nen Kaffee?“

„Ist er denn noch warm?“ Ersatzkaffee schmeckt, wenn er kalt ist, wie eingeschlafene Füße.

„Nein, nicht unbedingt – ich kann ihn aber schnell noch mal aufkochen!“

„Oooch nö, nicht nötig. Krieg ich nen Kakao?“ Es gab noch keinen Instantkakao und Kaba war teuer und schmeckte uns Kindern gar nicht.

„Hmmm, dann musste Milch holen!“ Die kleine Frau gab mir eine Blechkanne mit Deckel, legte 50Pf rein und schickte mich zum Milchladen, eine Straße weiter. Erst mürrisch, dann trödelnd und kurz darauf hüpfend lief ich los.

„Tach Petra, was machsten du? Gehste Milch holen? Nimmste mich mit?“ Harti – eigentlich Hartmut, aber das sagte keiner zu dem behinderten Jungen – Harti stand mir breitbeinig im Weg. Und wenn Harti im Weg stand, dann gab es zwei Möglichkeiten! Entweder, man nahm seine Beine in die Hand und rannte – haste nich gesehen – davon, oder man stellte sich der Lage und spielte mit dem großen kleinen Kind. Ich nahm Harti in Schlepptau.

„Guck ma, was Tante Gerner da im Garten hat, woll’n wa ma schaun, ob se da is?“

„Keine Zeit, ich trinke gleich Kakao!“

„Darf ich auch?“

„Türlich, aber erst mal muss ich Milch holen.“ Wir trotteten weiter, denn Harti konnte nicht so schnell – er hinkte ein wenig und seine nicht vorhandene Koordination von Armen und Füßen machten ihn wohl auch zu schaffen. Jedenfalls wedelte er beängstigend mit  seinen Händen. Man durfte ihm nicht zu nahe kommen, sonst musste man damit rechnen, umgehauen zu werden.

Nach einer gefühlten Viertelstunde, hatten wir die 800 Meter geschafft und ich konnte stolz die Milch zapfen.

„Und, bezahlst du auch, oder soll ich anschreiben?“ Frau Meier stand hinterm Tresen, guckte streng und hielt die Hand auf. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Oma hatte mir doch Geld mitgegeben, aber wo war das? Hatte ich es verloren? Ich krempelte meine Schürzentasche um – nichts! Ich guckte in meinen Schuh – manchmal war das die einzige Möglichkeit Geld sicher zu transportieren. Aber nirgends war was. Oweia, fiel es mir siedendheiß ein, die 50Pf waren in der Kanne!

Harti fingerte an den Kirschlollis herum: „Krieg isch ein?“

„Nee…“, schrie ich und zu Frau Meier flüsterte ich kleinlaut: „Das Geld is unta da Milch, da kommich jetz nich ran!“

„Was hast du gesagt!“ Frau Meier sprach immer sehr laut, aber jetzt tönte ihre Stimme, als wolle sie gegen einen Orkan ankämpfen. „Sag mal, wozu hast du deinen Kopf? Zum Haare schneiden?“ Das verstand ich nicht, ich hatte lange Zöpfe und ging nur zum Frisör zum Haare waschen. „Bring mir sofort das Geld, aber dalli!“

Harti habe ich stehen gelassen, er konnte nicht rennen und ich musste ganz schnell heim – weg von Frau Meier und ihren Schimpftiraden.

Als ich beim Garten von Tante Gerner war, klopfte mein Herz nicht mehr so stark. Ja, ich wurde sogar übermütig und begann die Kanne zu schleudern. Das konnte ich gut. Kein Tropfen Milch ging verloren – es klepperte bloß ein bisschen –  das 50Pf-Stück!

Meinen Kakao habe ich bekommen und Harti durfte auch einen trinken. Nur zum Bezahlen, zu Frau Meier, wollte er nicht mehr mitkommen.