Gedanken, Gedicht

Tagebuch

Die Wolken treiben dahin
an diesem Morgen, wie die
Worte in meinem Herzen,

bis sie verschwinden, wie die
Wolken in diesen Morgen,
der Morgen in diesen Tag,

und der Tag in den Sätzen:
Das war eine Wolke oder
das war ein Morgen

verschwunden sein wird.
Ich denke, daß alles endet,
indem es beginnt,

und es ist Montag, und die Dinge
verschwinden, und ich gehe
aus dem Haus, über die

Straße, über den Platz, deine
Bemerkung erinnernd: „Unsere Liebe
ist wirklich“, wie dieser Morgen,

diese Wolken, dieser Tag,
wie die Worte in meinem Herzen
wirklich wirklich

gewesen sein werden

© Kurt Drawert

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Meine Wolken haben sich verdichtet in einen grauen Himmel. Es ist ja nicht so, dass ich grau nicht mag. Ich finde diese Farbe sogar sehr spannend. In keiner anderen gibt es interessantere Schattierungen. Ganz hell, ganz dunkel. Fröhlich, trist, fast neutral, asphaltgrau, graue Strähnen, fast schwarze anthrazitgraue Gedanken. Weiße Schlieren im mittelgrau – und dann ein roter, blutroter Klecks …

Gedanken, Gedicht

Ich hab dich so lieb

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zumut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.

Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
an einem Sieb
Ich habe dich so lieb.

Joachim Ringelnatz

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Es ist so wenn ich in die Zimmer meiner schlafenden Junioren gehe, dann denke ich immer an dieses so skurrile wunderbare Liebesgedicht. Mir geht das Herz auf und es strömt und strömt und strömt über vor Liebe!

Gedanken

bald

Bald sind es zehn Jahre her, dass MamS nicht mehr da ist. Sein Geruch ist verflogen. Wenn ich ihn vor meinem inneren Auge sehen will, muss ich mich sehr anstrengen. Einen einzigen Pullover besitze ich noch, aber auch der ist schon oft gewaschen. Die Freunde meines Mannes sind peu a peu verschwunden. Eine Telefonnummer ist noch auf meinem Handy gespeichert und ich zögere. Eigentlich möchte ich mich gerne bei dieser Person melden, habe aber keine Ahnung, ob ein Kontakt erwünscht ist. Auch deswegen schleiche ich seit Tagen um den heißen Brei. Ich ringe um Formulierungen und fürchte eine Antwort.

Mein Mann war sehr beliebt, ich hatte schon immer wenig Kontakt zu seinen Freunden. Aber die Dame, deren Telefonnummer ich aufgehoben habe, mochte auch mich und die Junioren. Verlieren kann ich eigentlich nichts. Im schlimmsten Fall bleibt es so, wie es gerade ist!

Mich streift einmal wieder der Wehdam. Ich vermisse den Mann an meiner Seite, den Gesprächspartner, den liebevollen Vater, den Kumpel seiner Kinder, den Mahner und Liebhaber.