Behinderung, Familie, Junioren, Kuddelmuddel

Es gibt solche Tage

Schon als ich heute Morgen aufgestanden bin wusste ich, dass dieser Tag ein gebrauchter wird. Warum kann ich nicht einmal genau sagen – landläufig heißt es wohl: Das hab ich im Urin! Ausgebremst worden bin ich an allen Ecken und Kanten. Was genau tut hier gar nichts zur Sache – es ist eben so! Nicht immer nur das Versagen der anderen, eigentlich war ich meistens zu schnell, habe nicht bedacht, dass andere Menschen ein bisschen mehr Zeit brauchen. Bei meinen Junioren weiß ich das, aber auch mit ihnen bin ich viel zu oft ungeduldig!

Wenn Menschen aber dann auch noch meine ohnehin behinderten Junioren behindern, ihnen zum Beispiel den Po nicht sorgfältig abputzen und Wiebke dann mit dreckiger Unterhose unruhig auf dem Rollstuhl herumrutscht, dann überkommt mich der heilige Zorn. Wenn der Kerle sich unter Druck gesetzt fühlt und als einzigen Ausweg kotzen wählt, dann ist der Zorn schon fast göttlich! Wenn mir dann noch der heißgeliebte Milchkaffee nicht schmeckt, weil ich voller Hektik heftige Lungenschmerzen bekomme, dann sollte ich schnellstmöglich schauen, dass mir niemand Fremdes in die Quere kommt, denn dann könnte das einen Riesenstreit provozieren.  Okay, einen Streit gab es nicht – jedenfalls mit keinem kognitiv erwachsenen Menschen. Der Kerle und das Töchting wussten sich zu wehren und gewinnen ohnehin immer. Carsten, der ein guter Politiker ist – viele ausschweifende Reden führen, ohne auch nur andeutungsweise auf die Frage, die ihm gestellt wurde zu antworten – hat ohne Punkt und Komma einen Monolog gehalten, für den er zu meinem Glück keine Zuhörer gebraucht hat. Genervt hat es dennoch!

Jetzt wird es Abend, ich sehe etwas »verbraucht aus« (Originalton Carsten), ich habe Wiebkes Pausenmüsli gegessen und Nachtessen fällt aus. Nur die Junioren bekommen jeder ein Spiegelei von Hühnern, die sie frisch kennengelernt haben.

Behinderung

erschöpft

Mutlos, kraftlos einfach fertig!

Obwohl, mutlos bin ich nicht. Aber die Kraft ist klein.  – Vorhin habe ich einen Bericht gehört. Darin sagte eine Leiterin einer Einrichtung eines Mutter-Kind-Kurhauses, dass sie noch nie so erschöpfte Mütter gesehen hat. Corona lässt grüßen! Wann wir nun endlich fahren dürfen, steht in den Sternen. Ich bin müde, ausgepowert, fertig mit der Welt und den Nerven. So langsam sind meine Reserven ausgeschöpft. Natürlich geht es anderen genauso, dennoch schmälert das meine Erschöpfung nicht. Ich diskutiere mit den Junioren um jede 10 Minuten, die sie abends länger aufbleiben wollen – und morgens ist es andersherum!   Wir debattieren über die Minispaziergänge, die den beiden nicht ausreichen und darum, dass sie endlich einmal wieder schwimmen gehen wollen. Wir führen Diskussionen über Schmerzmittel und übers gerade Sitzen. Musik wollen sie machen – aber bitte in der Band und dass der Musiktherapeut einmal in der Woche für 40 Minuten ins Haus kommt, das reicht ihnen nicht. Ich selbst mag nicht mehr zur Physiotherapie fahren und die Ergotherapeutin geht nun auch in die Werkstatt, weil auch dort nicht viel passiert. “Wann gehen wir denn endlich mal wieder schwimmen?” “Ich will Eis essen gehen!” Du Mama, können wir nicht mal wieder ins Fischrestaurant?” Ich persönlich möchte neue Klamotten, möchte so gerne in die Frauenakademie und will einen größeren Wochenendausflug machen und ins Museum gehen.

Momentan merke ich, dass ich zwar wieder gesund* bin, aber auch älter werde und lange nicht mehr so leistungsfähig bin. Input, egal welcher Art, täte auch mir gut! Mal wieder meine Schwester sehen oder die Junioren im G’nascht abgeben und sie dort fröhlich mit nicht behinderten Jugendlichen herumtollen wissen. Wir wollen am normalen Leben teilhaben und sind durch diese Pandemie noch stärker ausgegrenzt, als sowieso schon.

Ich beziehe jeden zweiten Tag mindestens ein Bett neu. Ich rede meinen beiden Junioren jeden Bissen in den Mund, quatsche mir diesen fusselig, dass sie wenigstens ein bisschen trinken. Ganz abgesehen davon, dass ich sie wickele (Carsten), Wiebke aufs Klo setze, beide an- und ausziehe, sie manchmal sogar füttere, ihren Frust aushalte und ihre Automatismen stoisch immer und immer wieder freundlich und unaufgeregt beantworte.

Heute Mittag habe ich mich aufs Sofa gelegt. 10 Minuten wollten ich dösen, fast eine Dreiviertelstunde habe ich tief und fest geschlafen – die Wäsche hat sich nicht alleine gebügelt und zusammengelegt – ich bin kurmüde. Aber wann wir fahren können, das steht noch ganz weit hinten in der Galaxy!

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*  na ja, was ist gesund, mit Lungenemphysem und Fibromyalgie