Alltag, Behinderung

Sonntagmorgen

Mein Kaffee ist schon wieder kalt geworden. Aber es ist auch schon der zweite, den ersten habe ich noch im Bett getrunken – heiß mit Milch! Die Außenwelt hatte ich völlig ausgeblendet. Kein Glockenläuten, Kein Vogelzwitschern. Kein Autovorbeifahren. Nichts. Ruhe! Nur fröhliches Töchtinggeplapper und lautes Bauernhofspielgeräusch aus dem Kerlezimmer. Ich schreie: „Carsten mach dein Tablet leiser!“ „Mach ich doch!“ Fünf Minuten später knallt‘s wieder laut…

Guten Morgen, heute Abend fahren wir zur Wunschtochter Pizza backen!

Alltag, Gedanken, Kuddelmuddel

Samstagnachmittag

Schiefersteine

Manche leben mit einer so erstaunlichen Routine, dass es schwerfällt zu glauben, sie lebten zum ersten Mal. | Stanislaw Jerzy Lec

Die Nachbarin von Gegenüber fegt die Straße und schüttelt von Zeit zu Zeit den Kopf ob der abgestorbenen Monstergrashalme von meiner Seite. Ich werde nen Teufel tun, die alle einzusammeln. Sind eh wenige, und jetzt ist auch das große Büschel abgeschnitten! Neidisch gucke ich auf ihr sauberes Haus, wie es drinnen aussieht kann ich mir denken. Bestimmt nicht so chaotisch wie bei uns. Der Nachbar mit dem akkuraten Garten hat seine Tage strukturiert, freitags geht er frühmorgens einkaufen und samstags ist Putztag. Wenn er nicht daheim ist, steht auch nichts vor der Haustür und abends pünktlich werden bei einer anderen Nachbarin die Rollläden runtergelassen – zu meiner Schande muss ich gestehen, ich vergesse das oft. So kann jeder reingucken und wir liefern unfreiwillig pantomimisch gratis ein Theaterstück. 

Der Kerle hört Bundesligaberichterstattung – volle Pulle Lautstärke und kommentiert stimmgewaltig jedes Tor. Es fallen viele Tore! Mir fallen die Ohren aus, ich tät gerne schwerhörig sein. Das Töchting räumt auf. Carstens Rollstuhl steht, für sie, an der falschen Stelle und so bugsiert sie selbst ihren Rollstuhl anschiebend den ihres Bruders in dessen Zimmer – auch meuternd kommentierend. Wie kann ich mich erdreisten, den Rollstuhl an falscher Stelle stehen zu lassen? Der Nachbarin Auto gehört ja auch sofort in die Garage. Der Nachbar zur rechten Seite grüßt und saugt weiter den Innenraum seines Auto, ich denke wieder einmal nicht daran meine dreckigen Schuhe auszuziehen und müsste den Flur kehren … 

Alltag, Behinderung, Gedanken

private Weblog

Als ich heute früh in den grauen Morgen aus dem Fenster schaute, kam ein Gedanke den ich schon eine ganze Weile habe: Wie genau werden eigentlich private persönliche Tagebuchweblogs gelesen? 

Wenn ich von mir ausgehe, dann muss ich gestehen, dass ich einige Blogs nur sehr flüchtig querlese, bei manchen mir die Bilder angucke und andere wiederum fast studiere. 

∙∙∙∙∙

14:18 Uhr – Das hatte ich heute Morgen angefangen zu schreiben. Inzwischen ist persönlich viel geschehen! Dass der Kerle seit Wochen wieder spuckt ist leider Alltag. Wir sind alle sehr belastet – im Blog hier wird’s eventuell wieder sehr speziell. 

18:55 Uhr – Dass ich mich im Stich gelassen fühle, habe ich gelegentlich erzählt. Von Bewunderung und großer Hochachtung, weil ich meine beiden Junioren so vorbildlich alleine pflege und betreue; davon habe ich keine Hilfe und egal wen ich um Hilfe bitte – der Kerle müsste ins Krankenhaus zur Untersuchung, ich müsste dringend auch wegen meiner Schlafprobleme, das Töchting kann aber nicht alleine bleiben und den Kerle nehmen sie im Krankenhaus auch nicht alleine auf, Kurzzeitpflegeplätze gibt es akut keine (notfalls im Altersheim in der Demenzabteilung, da hätte dann Wiebke aber den Knacks ihres Lebens) – niemand, der so mitfühlenden, bewundernden Menschen an den verschiedensten Stelle, sei es Krankenkasse, Sozialstation, Pflegeberatung, Care-Telefon der Krankenkasse, Arzt etc.  pp. weiß auch nur ansatzweise eine Lösung. Dass ich beide Junioren mit ins Krankenhaus nehme, lehnen sie dort auch kategorisch ab. (Es gibt in dem Fall keine Kostenübernahme!)  Wo bleibt da die Menschlichkeit? Ich kann mich doch nicht aufteilen? Ich will und kann keinen der Junioren allein lassen.

Bitte, ihr müsst hier nicht lesen und ich schreibe das auch nicht aus Sensationsgier. Ich möchte nur aufzeigen in welchem Dilemma pflegende Angehörige manchmal stecken!