Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

einseitige Nische

Entschuldigt bitte, dass ich gerade nichts zur allgemeinen Belustigung beitragen kann. Aber die Angst – und es ist wieder einmal eine sehr greifbare – diese Angst um Carsten. Ich fühle mich alleine gelassen mit meinen Ängsten und Sorgen. Es ist wahrscheinlich nicht so, denn es gibt Menschen, die mir diese oder jene Ratschläge geben, aber sie kennen Carsten nicht! Von Krankenkassenseite macht sich niemand die Mühe den Kerle auch nur kennenlernen zu wollen.

[…] tut mir leid. Ich stehe in der Ecke, mit dem Rücken zur Wand und weiß, dass ich mir/uns nur selber Hilfe organisieren kann. Doch an wen ich mich auch wende – jeder hat volles Verständnis, fühlt sich aber entweder nicht zuständig oder kann mit kognitiv eingeschränkten Menschen nicht arbeiten. Deswegen höre ich aber nicht auf zu bloggen. Vielleicht geht ihr mit mir …

Alltag, Behinderung

Miniabriss | mit Fortsetzung

Wiebke will im Bett frühstücken. Es ist Sonntagmorgen und somit ist das okay für mich. Sie bekommt ihren Kakao und ein paar Kekse, denn eigentlich ist das Töchting ein Frühstücksmuffel.
Carsten will nicht, aber muss. Wenn man ihn fragt, will er immer nicht. Geschickt ist es, ihm die Astronautenkost im Bett hinzuhalten, damit er nur trinken muss. So haben wir das heute – gerade eben – auch gemacht. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass ich neben dem Bett knie, das ca. 15 cm hoch ist* – vom Boden aus. Quasi hocke ich gekrümmt auf dem Teppich und halte ein Fläschchen hochkalorische klebrige Nahrung in der Hand, aus dem der Kerle hastig trinkt. Ich sage noch: „Mach langsam!“, da schießt es auch schon fontänenmäßig aus ihm heraus.

  • zum besseren Verständnis: der Kerle liegt nicht im Bett. Er sitzt in der Hocke aufrecht, denn liegend wäre es eine Quälerei.

Ich schreie
zittere
heule
fange an zu weinen!

Carsten kann nichts dafür. Er ist total bedröppelt. Aus Wiebkes Zimmer höre ich eine ängstliche Stimme. Aber ich kann grad nicht zu ihr. Da höre ich etwas durch die Gegend fliegen. Zum Glück nicht ihr Tablet. Zum Glück nur ein paar Schlümpfe und ihre Uhr.

Der Morgen beginnt mal wieder völlig unentspannt – es kann also nur besser werden!

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Nachtrag: übrigens hat Wiebke eine Stunde später ihren Kakao noch immer nicht ausgetrunken. Ich rede ihr jeden Schluck in den Mund. —> Fortsetzung

Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Kuddelmuddel

Alltag | schon Juni

Dieser Sommer kommt spät, aber sicher nicht zu spät. Im Grunde genommen, kommt alles immer rechtzeitig, auch wenn es vordergründig nicht so scheint!

Diese kleine Reihe von Ulli, vom Alltag zu erzählen, ertappt mich immer dann, wenn es bei mir Nackenschläge gegeben hat. Und die Nackenschläge treffen besonders hart, wenn etwas vorher schön war. 

Am letzten Tag im Mai habe ich, leider viel zu kurz, eine langjährige Freundin endlich einmal wiedersehen können. Dass es Carsten so schlecht geht und er nicht lange aushalten konnte, stark abgebaut hat in der warmen Sonne und dass er nörgelig wurde und nach Hause wollte, das konnte ich nicht ahnen, denn dann wäre ich ohne Junioren zum Treffen gegangen. So hatte ich kaum Gelegenheit ein gutes Gespräch zu führen – meine Gedanken sind hin und her gesprungen, waren bei den Kindern, meiner Begleitung – ob sie auch gut versorgt und nicht überstrapaziert ist – meine Gedanken waren bei meinen Fragen an die Freundin und meine Gedanken waren nirgends und überall. Nur nicht im Hier und Jetzt!

Carsten macht mir Kummer! Sein körperlicher Zustand ist – nicht nur für mich – beängstigend. Da braucht es nicht viel um mich aus der Bahn zu werfen. Da bräuchte ich Stabilität und habe sie nicht. 

Nicht nur Stabilität habe ich nicht, sondern auch  – aber das kennen die Leserinnen hier – auch einen vertrauten Menschen habe ich nicht, dem ich Auge in Auge, von Angesicht und auch manchmal in den Arm nehmend, meine Angst schildern kann. Da ist der Sommer auch kein Trost. Wenn mir denn dann noch kleine Nickelichkeiten des Vermieters an den Kopf geschmissen werden, die stark unterhalb der Gürtellinie sind, die Baustellen vor der Haustür mich ständig einen neuen Parkplatz suchen lassen, weil die Gemeinde mir immer noch keinen Behindertparkplatz ausgewiesen hat und die Palisaden zum Nachbargrundstück peu a peu wegbrechen und uns den Zugang zum Haus erschweren, dann ist ein vollgepisstes Bett und umgekippte Cola Pipifax. 

Der ganz alltägliche Kram, das Überleben sichern von Carsten, die Betreuung der Junioren – die unterschiedlicher nicht sein könnten, jedoch „Arsch auf Eimer, Topf auf Deckel“ sind – diese Herausforderung ist anstrengend und wunderbar zugleich. Ein Alltag, der für mich selbstverständlich ist und den andere – das weiß ich – nicht bewältigen könnten. Darauf bin ich stolz und doch hätte ich es gerne manchmal ein bisschen leichter.

Heute ist der Sommer da. Auch heute werde ich unser Leben meistern und es wird sich rechtzeitig alles finden.

Wenn ihr wollt, könnt ihr uns gerne etwas in den imaginären Hut werfen!