Heute Morgen habe ich einen wundervollen Text von Peter Høeg gelesen. Ich hoffe, ich darf ihn auch abschreiben und euch zeigen:
Neben dir
Simon schlief bei mir im Bett. Maria auf einer Matratze auf dem Boden. Er legte sie mit großer Sorgfalt hin, obwohl er doch selber noch so klein war. Wenn meine Mutter gute Nacht gesagt und das Licht gelöscht und die Tür geschlossen hatte, setzte er sich zu ihr. Sie hatte eine Stoffpuppe, die sie immer bei sich hatte, er sprach mit der Puppe und zog Marias Decke zurecht, und immer sagte er zuletzt: „Ich liege genau neben dir!“Dann legte er sich zu mir, und wir unterhielten uns im Dunkeln. Irgendwann wurden die Pausen zwischen seinen geflüsterten Worten länger, und dann kam der Augenblick, immer beim Ausatmen, in dem er in den Schlaf hinüberglitt. Dann lag ich im Dunkeln und hatte das Gefühl, auf ihn aufpassen zu müssen. Als wäre er mein kleiner Bruder. Er passte auf Maria auf. Maria passte auf ihre Puppe auf. Ich versuchte, auf ihn aufzupassen. Meine Eltern versuchten, auf mich aufzupassen. Seine Mutter tat es auch. Und die Nachbarn. So ist diese Welt auch. Sie ist nicht nur Krieg und Gier und Ausrottung der Arten. Sie besteht auch aus Ketten von Menschen, die aufeinander aufpassen.
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Aufpassen – ja, ich passe auch auf. Auf meine Junioren zuallererst. Aber ich vergesse dabei nicht – so hoffe ich doch inständig, dass ich andere Menschen nicht aus dem Auge verliere und hoffe andersherum, dass auch ich nicht vergessen werde. Und so sind wir schon wieder bei meinem Hauptthema, das sich, wie ein roter Faden, durch mein Leben zieht. Meine Oma lebt schon lange nicht mehr, die mich – bildlich genommen – zugedeckt und die mich behütet hat. Es wird Zeit, dass ich das langsam selbst übernehme. Alt genug bin ich inzwischen!
Marion Eve sagt:
Unbedingt nicht vergessen, sich selbst lieb zu haben!!!
piri ulbrich sagt:
Ja, ganz wichtig!
freiedenkerin sagt:
Ein schöner Text. Er weckt beim Lesen ein so warmes Gefühl der Geborgenheit.