Behinderung, Junioren, Kuddelmuddel

Zweckoptimismus

Schon lange weiß ich, dass Zweckoptimismus nichts bringt! Weitermachen  ist okay. Nützt ja nichts. Muss! Was gibt es für eine Alternative? 

Übrigens werde ich heute in Etappen schreiben – jetzt erst einmal die Junioren fertig machen. Was da heißt: aufwecken, aufs Klo setzen bzw. ausziehen und in die Badewanne setzen, waschen, anziehen, nötigenfalls rasieren. Sie motivieren etwas zu trinken und ein bisschen was zu essen (allein, das ist Mundfusseligschwerarbeit), Anorak anziehen, auf den Rollstuhl setzen, ins Auto und dann ab zum Orthopäden. 2mal!

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14:00 Uhr: Müde! Jeweils zwei Überweisungen für die Uniklinik Heidelberg zur dortigen Orthopädie und zur Schmerzambulanz in der Nähe. Bei der Schmerzambulanz wird der hiesige Orthopäde anrufen und uns gegebenenfalls den Weg ebnen. Nach Heidelberg deswegen, weil er mit seinem Wissen am Ende ist und den Junioren dort besser geholfen werden kann, weil dort ein kompetentes Ärzteteam ist, das Hand in Hand arbeitet.

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Nebenbei versuche ich in den Kerle etwas zu essen zu bekommen und das Töchting zu motivieren, dass sie ein bisschen was trinkt. Ich schütte Kaffee in mich hinein und futtere aus purem Frust Schokolade Tafelweise. Weder werde ich davon munterer, noch satt! Zumindest habe ich einen kleinen Ansatzpunkt, wie ich herkömmliche Schmerzmittel dosieren kann und darf, ohne eine Vergiftung zu provozieren. Tendenziell habe ich zu wenig gegeben.

Innerhalb 10 Minuten hat Wiebke jetzt ca. 50ml getrunken und Carsten etwas mehr. So geht es jeden Tag. Originalton Sohn: „Ja, ich es ja schon!“ Dann nimmt er einen Keks in die Hand und legt ihn nach fünf Minuten wieder weg. Ach – Essen wird, so denken beide, total überbewertet!

Familie, Junioren

wenn ich mich denn nur gruseln könnte

Das nur sollte fett geschrieben sein – aber in der Überschrift geht das leider nicht! Denn nur gruseln und nicht zusätzlich noch Angst haben, mich alleingelassen fühlen mit meinen Sorgen und Tun, neidisch sein  – ja, das bin ich auch – ist nur ein Teil meiner Wahrheit. Denn wenn die Pastorenfreundin ausschweifend davon erzählt, welche Wanderung sie schon wieder gemacht hat und wo sie spazieren war, dann bin ich nicht nur traurig, dass wir so gar nicht rauskommen, dann bin ich obendrein noch wütend und zornig, wenn sie das herausposaunt, ohne einen Funken Empathie aufzubringen. Nebenbei ist es dann so, dass sie sich bei mir über diese und jenen beklagt, was dieser und jene schon wieder falsch gemacht hat. Ich möchte gar nicht wissen, was sie denjenigen über uns erzählt. Ich möchte kein Mülleimer sein! Ich habe genug eigenen Müll, von dem sie wiederum nichts wissen will. 

Gruseln kann man sich zu genüge über das momentane Weltgeschehen. Corona tut sein bestes und das politische Gefüge driftet fast überall auseinander. Was gerade in den USA passiert, kann sogar auch hier in Deutschland geschehen. Der Reichstag wurde bekanntlich auch schon gestürmt. Über Politik will ich mich nicht auslassen, das überlasse ich Menschen, die kompetenter sind, den größeren Überblick haben. Mein kleines Reich wankt – das macht mir Angst.  Ich wachse über mich hinaus und zerbreche dennoch. Aber ich wiederhole mich immer und immer und immer wieder. Dabei bin ich nicht allein. Es geht vielen so. isa, erzähl doch mal wie dein Tag aussieht? Aber auch andere Familien mit behinderten Angehörigen, die daheim leben, sind isolierten denn je. Aber ich dreh mich im Kreis und die Energie, die ich gebrauche, um mich zu drehen,  muss und sollte ich anderweitig benutzen. Zum Beispiel, dass ich endlich mein Töchting in die Badewanne setze und ihr die Haare wasche …

Behinderung, Junioren

was tun?

Noch haben wir etwas Zeit bis die Lebenswerkstatt wieder öffnet, aber soll ich in diesen Zeiten die Junioren hinschicken? Carsten hat schon signalisiert, dass er nicht möchte! „Wenn ich denn geimpft wäre, dann wäre das kein Problem. Aber ich habe Angst!“ Das sagt ein mehrfachbehinderter kleinwüchsiger Mann, der auf dem Rollstuhl sitzt und Freunde in der Werkstatt hat, die er schon lange nicht gesehen hat. Wiebke sagt gar nichts, sie zieht sich mehr und mehr zurück.

Die Einrichtung schreibt, sie hätte ein gutes Hygienekonzept – hat sie sicherlich auch, aber die Diskussion über einen weiteren Shutdown geht natürlich an behinderten Menschen nicht spurlos vorbei. Zumal besonders der Kerle zur Hochrisikogruppe gehört, aber dennoch nicht gleich geimpft wird. Hier im Landkreis haben noch nicht einmal die Impfzentren geöffnet. Ich bin unsicher, was ich entscheiden soll! Einerseits ist es gut, wenn die Junioren einen strukturierten Tag haben – so etwas gibt Sicherheit und die Eintönigkeit wird unterbrochen. Andererseits ist es ein Risiko – von dem die Verantwortlichen der Werkstatt sagen, dass es keins ist, weil das Konzept ein gutes sei. Ich weiß es nicht! Meine Tendenz geht dahin, die Junioren daheim zu lassen. 

[…]

Husten ist festverankert und das Gedankenkarussell dreht und dreht und dreht sich munter weiter. Wir haben bislang immer noch einen Weg gefunden …