Gedanken, Gedicht, Kuddelmuddel

stiller Morgen

Es passiert nichts. aber auch rein gar nichts – was nicht stimmt, weil immer was geschieht. Die schwarzen Schuhe, die ich mir im letzten Herbst gekauft habe, drücken immer noch. Warum ich sie nicht schon längst weggegeben habe? Keine Ahnung. Aus Bequemlichkeit vielleicht. Es liegt aber auch daran, dass ich noch keine Gelegenheit gehabt habe zur Aufbaugilde zu fahren, die am anderen Ende der Stadt ist. Auch heute ist mein Tag verzettelt. Um 10 Uhr kommt ungefähr das Sauerstoffgerät für den Kerle und bis dahin kann ich nicht viel machen. Kein Waschpulver einkaufen (was ist eigentlich das beste Waschpulver?), nicht staubsaugen (weil der Hepa-Filter fehlt) und lesen geht auch nicht, weil mir die Konzentration dazu ebenso fehlt.

Still tickt die Uhr. Tick, tick, tick, tick, tick. Wenigstens tickt sie und ist nicht nur eine elektronische Zeitanzeige.

∙∙∙∙∙

Tick, tick, tick, tick – ich gucke mich um und schwimme in Gedanken. Ich lese ein Gedicht und möchte mich ans Meer beamen:

Auf der Schwelle des Hauses

In den Dünen sitzen. Nichts sehen
Als Sonne. Nichts fühlen als
Wärme. Nichts hören
Als Brandung. Zwischen zwei
Herzschlägen glauben: Nun
Ist Frieden.

Günter Kunert

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14:22 Uhr – Außer Spesen und Stress nichts gewesen. Das Sauerstoffgerät ist nicht geeignet für einen so kleinen Mann, wie meinen Sohn. Ganz abgesehen davon, dass es erst um halb eins kam. Viel zu groß und unhandlich. Dann bin ich einkaufen gehetzt und finde, als ich wieder daheim war, an der Tür eine Benachrichtigung, dass ein Paket dieser Versorgungsfirma angekommen ist  und beim Nachbarn abgegeben wurde. Der ist natürlich jetzt nicht zuhause. Ich habe keine Ahnung was das sein kann und bin schon wieder völlig aufgelöst, vor lauter Überlegungen.

Veröffentlicht von piri

Ich bin ganz schön viel und ganz schön wenig, ich bin Mutter, Hausfrau und Dichterin in allen Lebenslagen. Im Autismus-Spektrum bin ich obendrein. In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ❤️ | ✨ Kommentare sind herzlich willkommen.

7 Gedanken zu „stiller Morgen“

  1. B. sagt:

    Deine tickende Uhr hat eine sehr unangenehme Erinnerung bei mir hochkommen lassen. Bei einem Examen hörte ich die ganze Zeit das Ticken der altmodischen Uhr meines Prüfers und konnte mich kaum konzentrieren.
    Hoffentlich ist die Lieferung in der Zwischenzeit angekommen.

    Ich suche schon mein ganzes Leben die Nähe zum Meer.

    1. piri sagt:

      Das tut mir leid, dass unangenehme Erinnerungen bei dir hochgekommen sind.

      Die Lieferung ist noch nicht angekommen und ich sitze hier auf heißen Kohlen, weil ich dringend einkaufen muss. Auf Nachfrage sagte mir die Disponentin, dass es sogar 14 Uhr werden könnte und dann kommen auch schon gleich die Junioren heim.

      1. B. sagt:

        Du brauchst dich wirklich nicht entschuldigen. Woher solltest du das wissen? Ich war einfach erstaunt, dass mein Gehirn die Situation wieder hat aufleben lassen, die ich dachte, schon lange vergessen zu haben.
        In der heutigen Zeit ist es unmöglich, solche Zeiträume vorzugeben.
        Bei meinem Sohn in Irland bekommt er ständig neue sms. Erst nur den Tag, dann den halben, am Tag selbst dann ein Stundenfenster. Und wenn keiner öffnet, ruft er an.

  2. karfunkelfee sagt:

    Also einer dieser Wartemorgen, an dessen Ende nix mehr still sein kann, weil alles auf einmal passiert. Während des Wartens kommen dann die kleinen Quengelsachen, für die oft keine Zeit bleibt. Was bleibt, ist Dein wunderbares Bild eines singenden Augenblicks mit Kaffeeduft, das mir heute den eher ärgerlichen Warte-Tag so schön versüßt. Und das famose Dünengedicht mit Meeresfrieden, kurz, knackig und so klug vom Herrn Kunert.
    Lieben Lesedank und Dir gehaltene Daumen für‘s logistische Gelingen, sagt Amélie

    1. piri sagt:

      Leider – Nachtrag 14:22Uhr – ist das Warten ausgegangen, wie das Hornberger Schießen.

  3. IMT sagt:

    Liebe Piri, ganz kurz… so viel leise Bewegung im Stillstand … ich mag, wie du selbst im „Nichts“ das Leben spürbar machst.
    Dieses tick, tick, tick klingt da fast tröstlich.

    1. piri sagt:

      Manchmal, so habe ich das Gefühl, ich ticke nicht richtig!

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