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Angela oder so

Wir schaffen das!

So langsam habe ich das Gefühl, Angela Merkel zu sein. Immer wieder sage ich mir ihren berühmten Satz, nicht wegen der Flüchtlingsfrage und auch nicht wegen Corona oder dem Hochwasser – obwohl Hochwasser ein bisschen. Das schaffe ich auch! Was ich alles schaffe, das weiß ich nicht, ich mache einfach und dann kommt es irgendwie wie von selbst. Das Chaos im Keller nimmt Formen an. Meine Güte, was hat sich da angesammelt? Die PCs der Junioren, die sie nicht mehr brauchen, einer vom Neffen, den er nicht mehr braucht, diverse Drucker, noch von MamS – okay, die hätte ich schon längst mal entsorgen können. Ganz viel Lego und Playmobil, eine, zwei, drei Modelleisenbahnen, diverse Babys … Spielzeug halt! Ich bin doch gar kein Jäger und Sammler, aber es ist anscheinend so praktisch, die Tür einfach wieder zuzumachen, nachdem man unbeliebte Dinge weggestellt hat.

Jetzt rächt sich das. Jetzt muss ich aufräumen. Jetzt habe ich auch die Traute dazu und kann sortieren. Dem Kerle gehts besser – er weiß, dass er nur einigermaßen fit auf die Freizeit fahren kann – ich habe den Kopf zwar noch lange nicht frei, suche mir aber eine andere Arbeit, damit nicht nur immer ein Gedanke kreist! Abgenommen habe ich auch. Tut mir, im Gegensatz zum Kerle, gut. Hosen schlackern, doch wozu gibt es Gürtel? Enger stellen, ist eine meiner leichtesten Übungen.

Gebet

Nachts, jenseits der Zeit schon und ferne,
hörst du das Singen der Winde, und du siehst
Berge brennen, die wie ein Feuerwerk fallender
Sterne verglühen. Zu tief liegt da unten

die Erde, dieses Inferno der Gleichgültigkeit,
das auch der Lachende nur eingeschüchtert übersteht,
und selbst der Glückliche ist an sein Glück gebunden
wie der Erhängte dort an seinem Strick;

ungläubig zögernd noch wie unter großen Mühen
spricht der Einsame jetzt sein erstes Gebet,
die Augen weiß und leer, vom Saufen ernüchtert,

das Herz zu sehr ans Zerspringen gewöhnt.
Der Abschied dann, und dann die Stille,
die alles Leben übertönt.

© Wolf Wondratschek

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Das Leben ist gut, so wie es ist.

Gut? Na ja, meistens – oder wenigstens manchmal. Je nach Verfassung, in der man gerade ist. Wenn es einem gut geht, wenn man meint, dass das Leben gut ist, sind Freunde da, sind Menschen um einen herum. Wenn es aber mal nicht so läuft, dann verkrümeln sich die Freunde schnell. Manchmal auch mit der Begründung: „Wir wollen dir nicht zusätzlich zur Last fallen!“ Es ist Selbstschutz und doch perfide. Schade eigentlich! Denn, wenn sie selbst in die Lage kommen und Hilfe gebrauchen, dann hoffen sie auf Menschen, die ihnen beistehen und dann ist womöglich niemand da. Ich habe lange geglaubt, ich hätte keine Freunde, dem ist nicht so. Es gibt Menschen in unserer Umgebung, denen wir nahestehen. Das freut mich sehr! Besonders in dieser schweren Zeit, wo es dem Kerle so schlecht geht. Es sind nicht alle gleichpräsent und bei manchen habe ich das Gefühl, dass ich sie überfordere, aber alle, alle kommen freiwillig und das ist ein gutes Gefühl. Gute Gefühle kann ich gut gebrauchen. Gute Gefühle habe ich in letzter Zeit viel zu wenige gehabt. Meine Knie sind immer noch butterweich, auch wenn es Carsten inzwischen ein Quäntchen besser geht. Dennoch schwebe ich – mein Sohn nicht, er hat die Tragweite wahrscheinlich nicht begriffen, nicht voll begreifen können – ich schwebe immer noch 10 cm übern Boden, haarscharf am Abgrund.

Gestern hatte ich ein langes Gespräch mit einer Krankenschwester vom Palliativteam  – es klingt nach!

 

 

Regenüberschrift

Heute nicht! Doch vielleicht morgen?

Heute habe ich gesagt bekommen, dass ich alles richtig mache. Dass es gar nicht anders geht! Dass es nicht an mir liegt und ich es nicht in der Hand habe. ∙∙∙∙∙·▫▫▫▫ᵒᵒᵒᴼᴼ ᴼᴼᵒᵒᵒ▫▫▫▫∙∙∙∙∙·

14:31:33 Warum schon wieder ein Nachtrag? (Eigentlich sollte es eine zweite Seite werden.) Weil ich meinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen will. Carsten geht es nicht gut, aber auch nicht schlecht genug für eine palliative Versorgung. Wir hängen wieder einmal zwischen den Stühlen. Im Grunde genommen müsste ich wissen, wie das ist, hängen wir doch immer dazwischen. Nirgendwo zugehörig sein lässt einen suchend zurück. Fassungslos, ohne Hilfe. Ohne professionelle Hilfe. Warum hustet Carsten so sehr? Seine Blutwerte sind okay, keine Entzündungsparameter, keine Mangelwerte, alles im grünen Bereich und dennoch wird der Kerle immer weniger, isst nicht und kotzt.

Und dann kommen Kommentare, dass ich doch in ein Angstforum gehen sollte. Es ist keine Phobie gegen Spinnen oder Höhenangst. Es ist eine ganz reale tatsächliche, greifbare Angst um mein Kind, dass es stirbt und da sind mir wirklich die Poschmerzen anderer Leute völlig egal!

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