Behinderung, Fragen

Mädchen für alles

Ohne das Gefühl der Zugehörigkeit zu den Bedrohten wäre ich ein sich selbst aufgebender Flüchtling vor der Wirklichkeit. | Jean Améry

Eltern, meist Mütter übernehmen für ihre Kinder mit Pflegebedarf alltägliche Aufgaben wie Essen und Trinken geben, Körperpflege und ähnliches, die gleichaltrige Kinder ohne gesundheitliche Einschränkungen oder Beeinträchtigungen selbstständig bewerkstelligen können. Diese vielfältigen pflegerischen Maßnahmen üben Eltern in der Regel nicht vorrübergehend, sondern dauerhaft aus. Mit ansteigendem Alter der Kinder und dem Älterwerden der pflegenden Mütter und Väter wird Pflege immer beschwerlicher.

Ich möchte eine Lobby haben, wo bekomme ich diese her? Ich bin doch nicht allein – vielleicht bin ich verrückt, aber in diesen Zeiten, in denen es in Heimen immer weniger qualifiziertes Personal gibt, möchte ich nicht – und die Junioren wollen es auch nicht – dass meine Kinder nur satt, still und sauber untergebracht sind. So werde ich, meine Junioren weiter ver- und umsorgen. Ich wünsche mir außer Verständnis, manchmal tatkräftige Hilfe! Aber mehr als Hilfe brauche ich Menschen, die mir beistehen, mir zuhören und die da sind, denen ich mal mein Leid klagen, aber auch mit denen ich Freude teilen kann…

Veröffentlicht von piri

In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ☀️ ❤️ Viel lieber als Likes, sind mir Kommentare herzlich willkommen.

13 Gedanken zu „Mädchen für alles“

  1. dergl sagt:

    Ich lese das und nicke mit dem Kopf. Auch wenn bei uns der Fall anders ist. Ich habe trotzdem gestern wieder mal jemandem erklären müssen, dass ich den Job von fünf (sic!) verschiedenen ausgebildeten Fachkräften mache und das 24/7, immer auf Abruf und nicht den ganzen Tag Däumchen drehe oder gar mein bisschen Geld für nichts bekomme, sondern komplett unterbezahlt eine hochgradig verantwortungsvolle Position innehabe, weil ich als eine Person fünf verschiedene Berufsfelder abdecken muss und mich jeder noch so kleiner Fehler sinnbildlich den Kopf kosten kann – das ist ja eine Erfahrung, die fast alle pflegenden Angehörigen gemeinsam haben.

    Am ehesten habe ich diese Lobby und den Austausch, dass man sich wirklich auch gegenseitig stützt, aber auch mal Spaß zusammen haben noch bei der pflegenden Angehörigen-Bubble auf Twitter beobachten, besonders in den Elternkreisen. Nu kommt mit dem Netzwerk nicht jede Person klar, in der jetzigen Situation eh nicht mehr, viele wandern auch ab (wegen der jetzigen Situation des Netzwerks) und dazu kommt, die meisten Leute, die gut vernetzt haben und so Lobbymäßig dazu waren sehr viel jünger als du, was natürlich auch eine Hürde ist. Da sind Leute, die ihre schwer(st)behinderten Kinder pflegen, die die Generation der Junioren und mir sind, da sind dann auch die erwachsenen zu pflegenden Kinder wesentlich jünger, weil um die Jahrtausendwende geboren. Es gab einzelne ältere Stimmen.

    Vielleicht ist darauf bezogen die aktuelle Situation von Twitter mit der Abwanderung eine Chance: Ich weiß nicht, ob das jemand vorhat oder tut, aber gesetzt den Fall jemand ist so technisch versiert und hat auch die sonstigen (Kraft-)Ressourcen, dass jemand eine eigene Forum-Sache/Discordserver/Mastodoninstanz nur für Eltern von pflegebedürftigen (erwachsenen) Kindern aufzieht, dann gäbe es vielleicht eine Austauschmöglichkeit, wo du für deine Bedürfnisse was passendes findest. Das wäre ja dann kein riesiges, überforderndes Ding wie Twitter oder tumblr., man wäre ja unter sich und hätte auf dieser Plattform Fokus auf genau diese Situation. Vielleicht macht mal wer was. (Das hieße ja nicht, dass das auf jeden Fall für dich passen würde, oder dass du da unbedingt mitmachen müsstest.)

    1. piri sagt:

      Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt: ich möchte kein digitales soziales Netzwerk, ich möchte ein fassbares reales, eins von Angesicht zu Angesicht!

      1. dergl sagt:

        Das habe ich da tatsächlich nicht rausgelesen, sorry. Aber auch da: Wer weiß, ob wenn die sich wirklich mal irgendwie auf einem digitalen Fleck sammeln und organisieren nicht auch etwas non-digitales entsteht, das haben ja einige Bewegungen, die sich in den letzten Jahren gegründet haben geschafft. Vielleicht gibt es dann irgendwann irgendwo Ortsgruppen mit regelmäßigen Treffen oder WhatsApp-Gruppen (oder was man auf Smartphones sonst nutzt), wo man sich mit Leuten aus dem jeweiligem Großraum vernetzen und irgendwo treffen kann oder so etwas.

        Ist kein Ratschlag (also hoffentlich verstehst du das nicht so, so ist es nicht gemeint), nur aus eigener Erfahrung was auch real gehen könnte: Hast du mal mit dem Selbsthilfebüro Heilbronn gesprochen, ob die vielleicht helfen würden, so ein Netzwerk, dass sich vor Ort trifft zu gründen oder ob die in ihrer Funktion als Paritätischer mal in ihren Netzwerken herumfragen können, ob es nicht irgendwo in Baden-Württemberg so etwas gibt? (Wenn die das in ihrer Funktion machen, kann das Türen öffnen, von denen man so nichts mitbekommt.)

        1. piri sagt:

          Ich habe nicht die Zeit und die Muße mich kümmern zu wollen. Ganz abgesehen davon, dass es eventuell schon ähnliche Gesprächskreise geben mag. Ich kann auch vielerlei Gründen nirgendwohingehen.

  2. Frau Lakritz sagt:

    Ja, ich wiederhole mich, das weiß ich – aber dennoch: wie schade und doof, dass wir so weit auseinander wohnen! Mit anpacken wäre schwierig für mich (du kannst mich ja einschätzen), aber zum Reden und Zuhören wäre ich gerne da für dich (hey – es gibt Telefone! Du telefonierst ungern, ich weiß, aber darf ich dich trotzdem ermutigen, mich anzurufen, wenn es not tut?
    Liebe Herzensgrüße!

    1. piri sagt:

      Ja, ich vergesse das nur immer wieder, dass ich bei dir ein offenes Ohr und gute ehrliche Worte finde.

  3. dergl sagt:

    Ich verstehe dich schon (und vermutlich auch warum du nicht irgendwo hingehen kannst). Wenn alles – weder digital noch non-digital – nicht geht, ist das mit dem Netzwerk/der Lobby natürlich schwierig bis unerreichbar (und schade).

  4. Alice sagt:

    Auch ich kann nur sagen, dass du meine Nummer hast. Ich bin zu weit weg zum Anpacken, aber ein Ohr zum Zuhören kann ich dir anbieten. Ratschläge habe ich nicht, aber ich verstehe dich sehr gut. Auch, wenn ich in einer wirklich guten Einrichtung Fotos gemacht habe und hinter die Kulissen gucken durfte, das Personalproblem ist ohne Frage da. Und es wird nicht besser.

    1. piri sagt:

      Ich werde drauf zurückkommen, wenn ich mich denn traue. Ich bin einfach extrem gehemmt wenn’s ums telefonieren geht.

  5. christineb sagt:

    wie verständlich sind deine wünsche! wie wichtig wäre es auch für dich, die ja ohne hilfe und guten worten und taten deiner familie auskommen mußt.
    viele pflegen ihr behindertes kind, aber da kommen immer wieder onkel, tanten, cousinen, cousins vorbei und die pflegenden sind nicht so alleine auf weiter flur wie du und das tut mir so sehr leid…auch weil keine änderung in sicht ist. gibt es denn (verdammt noch mal) wirklich nicht eine stelle, wo man sich hilfe holen kann. der staat erspart sich 2 teure heimplätze und kann dir niemanden für ein paar stunden die woche schicken? meist pflegen 2 elternteile ein behindertes kind, bei dir ist es umgekehrt, also ist eine unmenge kraft nötig, physisch und psychisch.
    das ist ein einzelfall, da könnte man schon mal genauer hinsehen und dir hilfe geben von gemeinde, land……
    ich wünschte dir das so sehr.

    1. piri sagt:

      Ich habe ja für die Junioren Helfer*innen. Nur für mich zum reden fehlt mir oft jemand – es ist nicht so, dass gar niemand da ist, aber ich bin ein eher verschlossener Mensch – das macht es doch so schwierig!

  6. isa sagt:

    Ja es fehlt für pflegende Angehörige tatsächlich eine Lobby, und zwar ganz oben, wo die Politik die Weichen stellt. Wenn über Pflegende gesprochen oder geschrieben wird, dann geht es meist um die Pflege von alten oder dementen Menschen. Da zählen aber nicht unbedingt alle mit Pflegebedarf dazu. Genau wie deine Liebsten habe ich auch noch Wünsche und Ansprüche darüber hinaus. Da ist mehr Individualität zu berücksichtigen, um Teilhabe am Leben und in der Gesellschaft zu ermöglichen. Satt, still und sauber wollte ich auch nicht untergebracht werden. (((Grusel)))
    Ich wünsche dir, dass du deine Kräfte so gut es geht einteilen kannst und vor allem, dass du nicht mehr so lange und schwer erkrankst, wie in der Vergangenheit. Auf dass du die Junioren weiterhin so gut teilhaben lassen kannst wie du es ihnen bisher ermöglicht hast.

    1. piri sagt:

      Ich weiß, du steckst zwar nicht in meiner Situation, aber vergleichbar sind unsere schon. Wir wollen alle leben und am Leben teilhaben und nicht nur zugucken. Ist verdammt nicht einfach!

Kommentare sind geschlossen.