Früher, als ich ein Kind war, war es eine große Aktion, wenn meine Mutter mit der Oma Plätzchen backte. Die beiden Frauen verstanden sich nicht wirklich, hatten nur den Helmuth gemeinsam, der mein Vater war. Meine Oma wusste, dass ihr Sohn sehr gerne süßes Gebäck aß – wir Geschwister haben das alle von unserem Vati geerbt, wir sind Naschkatzen! Wenn meine Mutter backte oder kochte, musste es schnell gehen. Für so etwas Profanes, wie Essen machen hatte sie keine Zeit. Gegessen haben wir immer gut, aber schnell musste es gehen! Auch bei den Weihnachtsplätzchen. Meine Oma war nicht so schnell wie ihre Schwiegertochter, sie mochte es gerne reichlich verziert und aufwendig. Eigentlich ergänzten sich die beiden Frauen. Nur in der Zusammenarbeit hakelte es gewaltig. Während meine Mutter schnell, schnell einen Teig rührte, diesen aufs Backblech strich und anschließend noch warm auseinanderschnitt – fertig waren köstliche Orangenkekse – währenddessen war meine Oma damit beschäftigt Kreise in verschiedenen Größen auszustechen. Wenn diese endlich fein säuberlich auf dem Blech platziert waren, wurden sie unter strengster Einhaltung der Temperatur gebacken und anschließend zu Treppen, mit extra dafür im Sommer gekochten Marmelade, die sorgfältig dazwischen gestrichen wurde, aufgeschichtet. So lecker. Beide Sorten waren lecker! Wir Kinder konnten kaum helfen. Bei meiner Mutter nicht, weil nichts zu tun war für uns. Denn in die heiße Schokolade durften wir die Plätzchenecken nicht tunken, weil wir damit sehr kleckerten. Das mochte meine Mutter nicht. Machte nur zusätzliche Arbeit. So hat sie das selbst gemacht! Bei meiner Oma konnten wir nicht helfen, weil wir nicht exakt genug gearbeitet haben.
So haben die Frauen vor sich hin gewerkelt und wenig dabei gesprochen. Ausstecherchen haben wir Kinder dann an einem anderen Tag gemacht. Meist mit der Oma zusammen. Aber ich kann mich erinnern, dass ich auch damals schon keine Geduld für schöne reichliche Verzierung hatte. Zum Glück waren meine Geschwister da anders gestrickt. Es gab kunstvoll Glocken in Gold und Silber mit Zuckerperlen. Das Schaukelpferd hatte einen angemalten Sattel und den Teig der Tannenbäume konnte man vor lauter Schokolade und Zuckerstreusel nicht mal mehr erahnen.
Frühestens am Nikolaustag wurden diese Köstlichkeiten zugeteilt. Jeder bekam einen Teller. Auf jedem Teller waren gleichviel Süßigkeiten und wir mussten wirklich haushalten, denn die nächste Zuteilung war erst wieder am kommenden Adventssonntag. Ich weiß nicht wie oft mir meine Brüder meinen Teller geplündert haben. Es gab Tränen und bittere Vorwürfe und so manch einer empfand es als Ungerechtigkeit, dass die dreijährige genauso viel bekam, wie einer der schon neun Jahre alt war und sehr viel mehr Hunger hatte.
Heute backe ich mit den Junioren sogar im Sommer Plätzchen. Ich bin heilfroh, dass sie überhaupt welche naschen. Dennoch gefällt es beiden sehr, wenn wir in der Vorweihnachtszeit um den Tisch herumsitzen und Autos, Flugzeuge, Igel und Tannenbäume ausstechen …
Hach und in einem waren sich meine Mutter und meine Oma einig. Helmuth durfte so viele Plätzchen essen, wie er wollte – und er wollte viele!
wildgans sagt:
Deine köstlichen Schilderungen…leider ohne Duft.
dergl sagt:
Das ist doch eine schöne Erinnerung. Meine Mutter hat nie gebacken, die hat keine Geduld für so etwas. Mein Bruder ist aber traditionell für Spritzgebäck zu unserer Großtante gegangen, weil er die Maschine so toll fand.
Ursula sagt:
Das hast du so schön geschrieben, dass ich jetzt am liebsten backen würde.
M. - K. sagt:
Es war für mich ein schöner kleiner Einblick in eine Familie im „früher“. Danke fürs erzählen und teilen.
Ich backe gerne, aber heute auch nur noch „einfach und fix“.
freiedenkerin sagt:
Danke fürs Teilen deiner Erinnerungen. Da kommen jetzt bei mir auch viele bunte Bilder vom Plätzchen backen mit der Mutter auf. Sie hat gerne schlicht und einfach gebacken, solchen „Schnickschnack“ wie bunte Glasuren, Zuckerperlen etc. hat es bei ihr nicht gegeben. Geschmeckt haben die Platzerln allerdings vorzüglich…
Eigentlich wollte ich heuer das Backen im Advent ausfallen lassen – bin zur Zeit viel zu faul dafür. Aber dank deines Posts überlege ich grade, ob ich nicht doch einen Schwung Platzerln backen sollte.
Liebe Grüße an dich und die Junioren.
karfunkelfee sagt:
Das sind heimelige Erinnerungen, die mir sofort den Duft von geriebener Orangenschale und Vanille in die Nase zaubern. Wenn meine Oma Heidi und ich mit den Orangenkeksen fertig waren, war da mehr Cointreau in Oma als in den Plätzchen. Sie bekam rote Backen und zwitscherte wie ein junges Mädel von den alten Zeiten an der Nahe, im Wartegau. Es war diese backofenwarme Küche, der Orangenkeksduft und immer ein Tässchen Kaffee in Reichweite. Und dieser verschwenderische Zeitreichtum. Schon damals überlegte ich, wie ich das alles für immer konservieren könnte wie einen Keks in einer gut schließenden Dose. Die Textform gefällt mir am besten. Dein Text wärmte mich heute prima. Danke…✨
Liebe Grüße
Amélie
Gudrun sagt:
Eine feine Geschichte ist es, eine, die so richtig Familienleben zeigt. Die Charaktere sind nun mal so verschieden. Du warst als Kind eine gute Beobachterin.
Plätzchen habe ich in diesem Jahr noch gar nicht gebacken. Ich konnte mich nicht aufraffen.
Liebe Grüße
Gudrun